Sehr übersichtlich präsentiert sich derzeit die Modellauswahl auf der Cadillac-Website: Es gibt nur ein einziges Modell. Kein Escalade mehr, kein CTS oder ATS, auch kein CT6 oder XT5, als einziges Auto wird der neue XT4 angeboten. Das Kompakt-SUV startet am 10. Oktober 2020 in Form von zwei Launch-Edition-Modellen. Wir haben die Launch Edition Sport mit 173-PS-Diesel und Allradantrieb getestet.

Im gesamten Jahr 2019 wurden gerade mal 397 Cadillacs in Deutschland neu zugelassen. Und in den ersten acht Monaten des Jahres 2020 sogar kein einziges - nur Händlerzulassungen wurden abgesetzt. Die genauen Gründe dafür bleiben im Dunkeln, aber es hat wohl etwas mit den geringen Verkaufszahlen im Jahr 2019 und den Abgasnormen zu tun. Ab 10. Oktober jedenfalls kann man wieder einen Cadillac kaufen, den XT4.

Kompakt-SUV im Premium-Segment, auf neuer Plattform

Der XT4 beruht auf einer neuen Plattform, die bislang auch noch nicht von den anderen General-Motors-Marken verwendet wird - was für die Zukunft allerdings zu erwarten ist. In den USA ist der Wagen bereits seit Ende 2018 auf dem Markt. Dass er erst jetzt zu uns kommt, liegt auch daran, dass man auf den Diesel warten musste - in Europa hat der Selbstzünder noch einen Marktanteil von 60 Prozent, so Cadillac-Sprecher René Kreis.

Mit 4,59 Meter Länge ist der XT4 ein paar Zentimeter länger als der Segment-Bestseller VW Tiguan, aber er zielt auf die Premium-Kundschaft. Als Konkurrenten nennt Cadillac daher unter anderem den BMW X1, den Mercedes GLA und den Audi Q3. Wir könnten uns eher vorstellen, dass Kunden die etwas exotischeren Importeursautos DS 7 Crossback, Land Rover Discovery Sport oder Volvo XC40 als Alternativen betrachten: Wer einen Cadillac kauft, dürfte vor allem Individualität im Sinn haben.

Aber wie viel Premium steckt in dem Auto? Eine ganze Menge. Vor allem in Sachen gute Materialien und Komfort-Features. Besonders verdeutlichen das die zum Marktstart erhältlichen Sondermodelle Launch Edition und Launch Edition Sport mit ihrer sehr guten Ausstattung. Darunter sind etliche Features, die im C-Segment nicht selbstverständlich sind. Und teils sogar außergewöhnlich, so Ledersitze mit Massagefunktion, elektrischer Verstellung, Memmoryfunktion sowie Klimatisierung.

Cockpit: Gut verarbeitet, kein Instrumentendisplay

Der Testwagen hatte eine dunkle Lederausstattung mit schicken Ziernähten. An der Materialqualität gibt es nichts auszusetzen. Die zurückhaltende Gestaltung mit vielen dunklen Tönen ist okay. Nicht unser Geschmack sind allerdings die Carbon-Leisten des Testwagens, die wohl die Zusatzbezeichnung "Sport" rechtfertigen sollen.

Das Infotainment-Display in der Cockpitmitte misst 8,0 Zoll, was für das Kompakt-Segment eher klein ist - der geliftete Peugeot 3008 zum Beispiel hat in den höheren Versionen einen 10-Zoll-Touchscreen. Entgegen unserer Erwartung spiegelt das Display trotz Einbau in einem ziemlich flachen Winkel wenig, es lässt sich gut ablesen. Was völlig fehlt, ist ein Instrumentendisplay: Der XT4 hat konventionelle Runduhren. Dazu kam beim Testwagen allerdings ein Head-up-Display.

Zwei Vierzylinder: Ein Diesel und bald ein Turbobenziner

Der XT4 bekommt konventionelle Vierzylinder-Motoren ohne Mildhybrid-Technik. Zum Start wird ein Turbodiesel mit 173 PS angeboten, der mit Front- oder Allradantrieb verfügbar ist. Stets den Allradantrieb bekommt der etwas später folgende 230-PS-Turbobenziner (mit Zylinderabschaltung, von vier auf zwei Zylinder). Als Getriebe wird stets eine Neungang-Automatik eingesetzt.

Und wie fährt sich das Ding? Die Daten (über 170 PS und 381 Newtonmeter) klingen gut, aber zu spüren ist davon wenig. Der Antrieb reicht leicht aus, weckt aber keine sportlichen Ambitionen. Das erwarten wohl auch nur wenige SUV-Kunden. Störender ist, dass der Diesel unter Last doch recht angestrengt und rau klingt. Wenn das angestrebte Tempo auf der Autobahn erreicht ist, nimmt sich der Motor jedoch akustisch zurück und erweist sich als angenehmer Reisegenosse.

Auch das Fahrwerk ist für diesen Zweck perfekt. Es wirkt keineswegs mehr so schwammig wie früher bei US-Karossen; nach Wellen schwingt es nicht nach wie typische US-Autos früherer Jahre lange nach, sondern verhält sich wie ein europäisches Auto. Wer will, kann über den Modus-Knopf die adaptiven Dämpfer noch etwas straffer stellen. Die Änderung ist beim mutwilligen Hin- und Herlenken bei Landstraßen-Tempo spürbar, aber das sind nur Nuancen.

Der Allradantrieb ist ziemlich ausgefeilt. Er arbeitet mit drei Kupplungen. Eine koppelt den ganzen hinteren Teil des Antriebsstrangs ab, so dass sich nicht einmal mehr die Kardanwelle weiterdreht - das spart Sprit und erinnert an Audis quattro-ultra-Allradantrieb. Die beiden anderen Kupplungen verteilen das Drehmoment zwischen linkem und rechtem Hinterrad. So wird ein echtes Torque Vectoring möglich, was die Traktion in der Kurve verbessert und zudem das Eindrehen erleichtert.

Die Automatik schaltet gut. Die oft nervige Gedenksekunde, die man bei vielen Automatikmodellen abwarten muss, bis es nach dem Pedalbefehl endlich vorwärts geht, fällt hier sehr kurz aus. Auch beim Anfahren gibt es keine Verzögerung; der erste Gang scheint kurz übersetzt zu sein.

Innenspiegel mit Kamerafunktion

Was uns ebenso gefallen hat, ist der einfach bedienbare Abstandstempomat: Ist das gewünschte Tempo erreicht, dreht man einfach die Walze am Lenkrad mit dem linken Daumen nach unten, und schon wird das Tempo gehalten. Ein wenig nervig ist die Antikollisionswarnung, die arg konservativ eingestellt ist, und in den meisten Fällen unnütz warnt.

Letzteres geschieht optisch und mit Sitzvibrationen - eine Eigenheit von Cadillac. Wenn man zu wenig Abstand nach vorne hält, wird das Gesäß massiert, wenn man trotz Auto im Toten Winkel zum überholen ansetzt, fängt die linke Sitzseite zu vibrieren an. Eine weitere Besonderheit ist der Innenspiegel, der auf Wunsch auch ein Kamerabild anzeigt - praktisch, wenn man bis zum Dach vollgeladen hat oder hinten große Passagiere sitzen.

Apropos hintere Sitze: Auch im Fond sitzt man gut. Beim 1,75 Meter großen Autor zumindest bleiben sowohl über dem Kopf als auch vor den Knien die entscheidenden Zentimeter frei.

Die Heckklappe wird elektrisch bedient. Sie sensorgesteuert per Fußkick zu öffnen, gelang uns nicht auf Anhieb, obwohl der Fahrzeugschlüssel in der Jackentasche war.

Im Kofferraum liegt wie bei SUVs üblich, ziemlich hoch. Positiv ist, dass es keine Schwelle am Kofferraumeingang gibt. Beim Umklappen der Fondsitze ergibt sich auch eine fast ebene, gut nutzbare Ladefläche. Doch der Abstand vom Ladeboden bis zum Sichtschutz ("Hutablage") ist sehr klein. Seltsamerweise ist jedoch der untere Wert des Kofferraumvolumens (Beladung mit benutzbaren Fondsitzen, bis Hutablage oder Fensterunterkante) mit 637 Liter ordentlich - in einen Tiguan passen 615 Liter. Wirklich zu klein ist der obere Wert von 1.385 Liter. In dieser Klasse darf man Werte um 1.600 Liter erwarten.

Preise und Ausstattung

Die beiden Launch-Edition-Modelle sind mit mindestens 42.900 Euro ziemlich teuer. Die Serienmodelle soll es (gegen Ende des Jahres 2020) ab 35.900 Euro geben. Auch das ist noch ziemlich viel, wenn man bedenkt, dass der Name Cadillac viel vom Glanz der 80er-Jahre eingebüßt hat.

Für die ambitionierten Preise erhält man aber auch viel Ausstattung. Zur Serienausstattung jedes XT4 gehören LED-Scheinwerfer, große Alufelgen (18 Zoll bei der Launch Edition, 20 Zoll bei der Launch Edition Sport) und etliche Assistenzsysteme - wie so Verkehrszeichenerkennung, Spurhalteassistent und Querverkehrswarner hinten.

Die beiden Launch-Edition-Modelle besitzen außerdem ein 360-Grad-Rundumsichtsystem, den Kamera-Rückspiegel, einen Einparkassistenten und den 8,0-Zoll-Touchscreen mit Navigationssystem. Die Launch Edition Sport bietet darüber hinaus einen Abstandstempomaten sowie ein Head-up-Farbdisplay.

Optional gibt es ein Premium-Paket mit großem Glas-Schiebedach, belüftete und elektrisch verstellbare Vordersitze mit Massagefunktion, Lederausstattung und Bose-Surround-Sound-System.

Ausblick: Wohl kein Escalade mehr, aber ein Lyric

Wie geht es nun weiter mit Cadillac? Eine Wieder-Einführung der Modelle CT6, XT5 oder Escalade ist offenbar nicht geplant. Aber Europa ist laut Cadillac-Sprecher Kreis weiter im Fokus. Natürlich wird man sich ansehen, wie der XT4 ankommt. Außerdem ist die Einführung des Elektro-SUVs Lyric mit den neuen Ultium-Batterien geplant. Produktionsbeginn für dieses soll allerdings erst 2022 sein.

Importeursmarken haben es in Deutschland schwer, und im Premiumsegment ganz besonders. Das zeigen die wenig erfolgreichen Marken Lancia, Infiniti, Lexus oder DS. Hierzulande kaufen die meisten Premiumkunden eben Audi, BMW oder Mercedes. Einer Marke den rechten Premium-Glanz zu geben, das dauert, und mehr als eine Nischenrolle ist kaum drin. Ob Cadillac diesen langen Atem hat? Wir werden es abwarten müssen.

Fazit: 7/10

Der Cadillac XT4 ist ein sehr ordentlich gemachtes Auto. Zu den Schwachstellen gehören der beim Beschleunigen etwas laute Diesel, der kleine Kofferraum und das fehlende Instrumentendisplay. Auf der Positivseite stehen exzellente Komfortausstattung, das überraschend straffe (aber nie harte) Fahrwerk und die direkte Art, mit der das SUV zu Werke geht.

Das ganze Auto wirkt eher europäisch als amerikanisch - und das ist als Kompliment gemeint. Richtige US-Cars-Enthusiasten werden sich vom XT4 ohnehin kaum angesprochen fühlen, denn die wollen einen dicken V8-Motor, fahren Corvette oder Mustang und kein kompaktes SUV mit Vierzylinder-Diesel.

Bildergalerie: Cadillac XT4 (2021) im Test

Cadillac XT4 350D AWD

Motor Vierzylinder-Turbodiesel, 1.995 ccm
Leistung 174 PS bei 3.500 U/min
Max. Drehmoment 381 Nm bei 1.500-2.750 U/min
Antrieb Allradantrieb
Getriebeart Neungang-Automatik
Beschleunigung 0-100 km/h 10,6 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 200 km/h
Verbrauch 6,7 Liter/100 km
Emission 176 Gramm CO2 pro km
Länge 4.593 mm
Breite 1.881 mm
Höhe 1.612 mm
Kofferraumvolumen 637-1.385 LIter
Leergewicht 1.768 kg
Zuladung 677 kg
Anhängelast 1.600 kg (gebremst)
Basispreis 35.800 Euro (ab Ende 2020)
Marktstart 10. Oktober 2020 (Launch Edition, Launch Edition Sport)