Oh, ein Kia Ceed Kombi. Warum sollte ich ausgerechnet ihn nehmen?

Eine etwas schnippische, aber durchaus gerechtfertigte Frage. Schließlich befinden wir uns hier in einem Marktsegment mit gefühlt einem Dutzend bärenstarker Konkurrenten: Skoda Octavia Combi, VW Golf Variant, Peugeot 308 SW, Hyundai i30 Kombi, Opel Astra Caravan, der neue Ford Focus Turnier ... ich könnte die Liste ewig weiterführen. Zudem hat sich der Ceed SW ja zu allem Überfluss auch noch selbst Konkurrenz ins Haus geholt. Mit dem überaus attraktiven Shooting Brake Proceed, der das Unmögliche möglich gemacht hat - er ist ein kompakter Kombi, den man auf dem Supermarkt-Parkplatz tatsächlich mit Stolz aufsperrt.

Vorteil Ceed SW (also normaler Ceed Kombi): Er kostet weniger und hat mehr Platz. Ganz generell ist dieses Auto - zumindest auf dem Papier - ein absolutes Raumwunder. Dazu ist er noch nicht sehr lange auf dem Markt, lockt mit unverschämt viel Ausstattung und ist in Sachen genereller Feinschliff näher am Primus Golf als die meisten anderen. Wir haben jetzt ausprobiert, wie er sich mit dem 140-PS-Benziner samt Siebengang-Doppelkupplung im Alltag bewährt.

Klingt vielversprechend. Wie ist der Antrieb?

Wir hatten den Kombi mit exakt diesem Motor bereits im Test. Allerdings macht es natürlich schon einen Unterschied, ob ich auf einer Fahrpräsentation zwei Stunden spanische Bergstraßen rauf und runter schrubbe oder ob ich zwei Wochen lang mit Kind und Kegel im grauen deutschen Winter durch die Gegend gurke. Als ich zuletzt (auch auf einem Fahrtermin) den kompakten Fünftürer mit dem 1,4er samt DKG fuhr, hatte ich nicht viel auszusetzen. Der Motor war unglaublich geschliffen, er verschwand völlig im Hintergrund. Außerdem empfand ich ihn als ausreichend spritzig und das Getriebe schaltete so, dass ich es nicht weiter bemerkte. Alles gut also.

Kia Ceed Sportswagon im Test
Kia Ceed Sportswagon im Test

Das kann ich so nicht mehr ganz unterschreiben. Keine Panik, im Großen und Ganzen ist hier immer noch viel in bester Ordnung, aber eben nicht alles. Ob es am schwereren Kombi liegt? Vielleicht. Aber hier wirkte mir der Turbo-Direkeinspritzer für 140 PS ein wenig zu müde. Ansprechverhalten und Leistungsentfaltung unten herum – ebenfalls nicht der Oberknaller. Die Abstimmung mit der Siebengang-Doppelkupplung hat hier sicher einen Anteil. Fordert man Leistung ab, wird es unharmonisch bis zäh und ein wenig wirr. Das ließe sich mit Selberschalten sicher beheben, aber wer will bei einem Familienkombi ernsthaft ständig selber am Schaltpaddle zupfen, vor allen Dingen, wenn selbiger gar keine Schaltpaddles besitzt? Na gut, das bringt uns nicht recht weiter. Und so gravierend ist dieser Malus nun auch wieder nicht. Aber im Alltag, zum Beispiel beim Einfahren auf die Autobahn, nervt diese Bockigkeit trotzdem. Und damit auch genug von der Mecker-Front, den alles, was man sonst mit einem Ceed SW 1.4 T-GDI macht, vornehmlich bei Autobahntempo cruisen oder im Stadt-/Landstraßenverkehr entspannt mitschwimmen, erledigt der Antrieb seriös und mit beispielhafter akustischer Zurückhaltung.

Einen kleinen Rüffel fängt sich das Auto noch beim Testverbrauch ein. Durchgehend eher auf entspannter Schiene bewegt, kippte er im Schnitt 7,9 Liter durch die Leitungen. Kein richtiges Ruhmesblatt, vor allem nicht unter Berücksichtigung der Herstellerangabe, die laut WLTP bei 5,7 Liter liegt.

Fährt er denn gut?

Leichtgängig, unaufgeregt, ohne besondere Vorkommnisse - das trifft es wohl am besten. Insgesamt ist er sehr kompetent gefedert, ruppt und bockt nur bei kurzen Stößen und Fugen ein bisschen mehr als nötig. Er wird Sie auch nicht im Stich lassen, wenn Sie das Tempo in der Kurve mal ein wenig anziehen. Ein Sportler ist er allerdings nicht, dafür ist die Lenkung zu gefühllos und das Wanken des Aufbaus etwas zu ausgeprägt. Der Ceed SW ist nicht unpräzise, fährt sehr sauber, aber er animiert eben nicht unbedingt dazu, ihn mal etwas forscher zu fahren. Sehr gut dagegen: die Bremse.  

Wie ist er innen?

Platzangebot, Ausstattung und Bedienung – spätestens hier legt der Ceed Sportswagon seine Trümpfe auf den Tisch. Mit einer Länge von 4,60 Meter klopft er zwar schon kräftig an der Tür zur Mittelklasse, aber er holt halt auch alles raus aus seinem Gardemaß. Der Kofferraum ist mit 625 bis 1.700 Liter der größte der Klasse. Nur Peugeot 308 SW und Skoda Octavia Combi bieten hier Ähnliches. Viel wichtiger als große Zahlen: Im Alltag kann man damit auch sehr gut arbeiten. Die Ladekante ist niedrig, die Sitze klappen eben um, es gibt einen doppelten Boden und in den höheren Ausstattungen kredenzt Kia jede Menge Zubehör zur Ladungssicherung. Ein Schienensystem sowie ein Trennnetz, das man hinter der ersten oder zweiten Sitzreihe aufspannen kann, verhindern, dass Einkäufe zu lebensbedrohlichen Geschossen werden.

Wie so oft bei „Kompaktklasse“-Kombis geht der Monster-Kofferraum jedoch ein wenig zu Lasten des Fondraums. Die Kopffreiheit in Reihe zwei ist unbedenklich, allerdings ist die Beinfreiheit allenfalls Durchschnitt. Etwas ärgerlich: Hat der Vordermann sein Gestühl ganz nach unten gefahren, kriegt man hinten die eigenen Füße nicht mehr unter den Vordersitz. Da zwickt es dann doch ein wenig mehr, wenn man über 1,85 Meter groß ist. Besser: Die angenehme Neigung der Sitzlehne sowie eigene Cupholder hinten.

Kia Ceed Sportswagon im Test
Kia Ceed Sportswagon im Test

Weitestgehend vorbildlich präsentiert sich das Ceed-SW-Cockpit. Verarbeitung und Ambiente sind auf der inoffiziellen VW-Golf-Skala bei gefühlten 90 Prozent. Außerdem muss man immer wieder herausstellen, wie gut die Koreaner mittlerweile beim Thema Infotainment und Bedienung sind. Keine Spinnereien, kein Firlefanz, keine exotischen Eigenheiten, dafür viel Funktion und ein logischer Aufbau, mit dem wirklich jeder sofort zurechtkommt. Stichwort: Touchscreen UND Tasten/Drehknöpfe. Auch wenn Kia auf hochauflösende Grafiken oder (aktuell noch) auf ein digitales Instrumentendisplay verzichtet, kenne ich kaum ein System, dass sich im Alltag besser und Nerven schonender bedienen lässt.

Lohnt sich dieser kompakte Kombi?

Einen Fehler machen Sie mit diesem Auto garantiert nicht. Kia hat seine Fahrzeuge mittlerweile so gut geschliffen und auf den europäischen Geschmack ausgerichtet, dass es sehr schwer fällt, irgendetwas zu finden, woran man sich ernsthaft stören könnte. Der Antrieb könnte etwas wacher sein und fahrerisch sticht er eben nicht besonders heraus, aber wir reden hier noch immer über ein preiswertes Familienauto und nicht über einen Sportwagen, der einen jeden Tag mit Adrenalin-Duschen beglücken soll. 

Viel Freude bereiten beim Ceed Sportswagon die absolut entspannte Handhabe, die hervorragende Bedienbarkeit, der riesige, gut nutzbare Kofferraum und natürlich die extrem umfangreiche Ausstattung. Unser Testwagen im Toptrimm Platinum Edition kommt für 34.290 Euro mit absoluter Oberklasse-Ausstattung. Elektrische Ledersitze, die heizen und belüften, ein großes Glasschiebedach, 8-Zoll-Navi, Rückfahrkamera, JBL-Soundsystem, aktiver Spurhalteassi, Stauassistent, Einparkassistent, LED-Scheinwerfer, Sitzheizung hinten, Lenkradheizung, induktive Smartphone-Ladestation ... und noch ein ganzer Haufen mehr, aber selbst bei einem Online-Test hat man nicht ewig Platz. Was auch nicht alle Tage vorkommt: Bei besagtem Testwagen herrscht in der Spalte "Sonderausstattung" gähnende Leere. Dieses Auto ist voll. Punkt.

Wer keinen Schnickschnack braucht: Der Einstieg für den 140-PS-Benziner mit Doppelkupplungsgetriebe liegt bei 24.690 Euro. Auch hier ist die Ausstattung schon ziemlich passabel. Und die sieben Jahre Garantie sind ja komplett unabhängig vom Trimm-Level. 

Dieses Auto kommt selbst dem Kompakt-Kombi-Platzhirsch Skoda Octavia gefährlich nahe, ist aber bei vergleichbarer Ausstattung ein paar Tausender günstiger. Es gibt sicher aufregendere Gefährte, aber wenige, wo das Gesamtpaket ähnlich stimmig ist. 

Fazit: 7/10

+ keine gravierenden Schwächen; sehr großer Kofferraum; hervorragende Bedienung; sehr umfangreiche Ausstattung; sieben Jahre Garantie

- Motor etwas müde; Getriebe teils etwas bockig; kein ausgeprägter Dynamiker; Platz im Fond nur Durchschnitt

Bildergalerie: 2019 Kia Ceed Sportswagon Test

Technische Daten und Preis Kia Ceed SW 1.4 T-DIG

Motor Vierzylinder-Turbo-Benziner; 1.368 ccm
Antrieb Vorderradantrieb
Getriebeart 7-Gang-Doppelkupplung
Leistung 103 kW (140 PS) bei 6.000 U/min
Max. Drehmoment 242 Nm bei 1.500 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h 9,4 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 203 km/h
Leergewicht 1.382 Kilo
Kofferraumvolumen 625 - 1.694 Liter
Zuladung 498 Kilo
Verbrauch Normverbrauch: 5,5 Liter; Testverbrauch: 7,9 Liter
Basispreis 24.690 Euro
Preis des Testwagens 34.290 Euro