Was ist das?

Viel gewöhnlicher wird es wohl nicht. Sorry, BMW und Volvo, es hat nichts mit euch zu tun, aber es ist die Wahrheit. Mittelklasse, Kombiheck, Vierzylinder-Diesel, 190 PS - es ist das, was gefühlte 90 Prozent der Menschen erhalten, die Anspruch auf einen Firmenwagen haben. Und dann kommen die Kisten auch noch beide in Weiß. Unser Fotograf ist vor Freude beinahe aus dem Fenster gesprungen. 

Also die blanke, ungeschminkte, von völliger Drögheit durchzogene Hausmannskost? Mitnichten. In dieser Klasse herrscht Krieg. Selbst im Premium-Bereich ist der Laden mittlerweile richtig voll. Mercedes C-Klasse und Audi A4 Avant sind feste Größen. Von unten drücken VW Passat, Skoda Superb oder bald auch der bildschöne Peugeot 508 SW. Und vergessen Sie mir bitte nicht die ganzen SUVs, die dem klassischen Kombi mehr und mehr das Wasser abgraben. Mit anderen Worten: Man sollte hier besser einiges zu bieten haben, wenn man nicht baden gehen will.

Und das macht die Konkurrenz

Der Volvo V60 geht dieses schwierige Unterfangen mit den Mitteln an, die auch alle seine Plattform-Geschwister (XC60, S/V90, XC90) aktuell so erfolgreich machen: Er ist auf sehr geschmackvolle Weise schön, die Qualität trieft ihm aus jeder Pore, er ist sicherer als ein Tresor, technisch State of the Art und er strahlt eine innere Ruhe aus, die sehr befriedigend sein kann. Dazu gleich mehr.

Was der 3er traditionell in die Waagschale wirft, dürfte den meisten Menschen bekannt sein. Er ist ja mittlerweile sowas wie der Grand Seigneur des D-Segments. Seit acht Jahren auf dem Markt. Öfter durchleuchtet, getestet und bewertet als die gesammelte Konkurrenz. Äußerlich wirkt er schon etwas altbackener als der taufrische V60. Ein Klassiker ist er - zumindest für mich - aber jetzt schon. Der aktuelle 3er ist einfach ein Bild von einem BMW. Und man weiß genau, was man kriegt: Wenn du Kurven lieber umdribbelst als sie einfach zu fahren, bist du hier noch immer sehr gut aufgehoben ist. Außerdem bekommst du einen sehr guten Diesel und ein perfekt zu bedienendes Top-Infotainment. Ich würde den 320d trotz seines fortgeschrittenen Alters keinesfalls abschreiben.

Wer hat den besseren Motor?

Ja, warum sollen wir auch lange um den heißen Brei herumreden? Gehen wir in medias res! Auf dem Papier ist der Motorenvergleich eine ziemlich ekelhafte Sache, denn beide Maschinen präsentieren sich dort in etwa so eigenständig wie eine Palette Überraschungseier vor der Supermarkt-Kasse. Zwei Liter Hubraum, 190 PS, 400 Nm Drehmoment, Achtgang-Automatik, Euro 6d-Temp und ein Normverbrauch von unter fünf Liter (beim Volvo sind es 4,7, BMW gibt 4,8 Liter an).

"Der BMW-Diesel wirkt das kleine Eck wacher, gieriger, durchzugsstärker."

Aber natürlich kommt es – nur um Sie noch ein wenig mit dem unbeholfenen Überraschungsei-Vergleich zu quälen – auf das an, was drin steckt. Und hier macht der 320d in den meisten Belangen den besseren Eindruck als der V60 D4.

Der BMW-Diesel wirkt das kleine Eck wacher, gieriger, durchzugsstärker. Und seine gewohnt vortreffliche ZF-Automatik flutscht besser, wirkt harmonischer als die sehr anständige, aber recht stark auf Komfort ausgelegte Aisin-Box des Volvo. All das führt auch messbar zu besseren Ergebnissen: Die 0-100 km/h-Marke nagelt der 320d in 7,5 Sekunden nieder, 0,4 Sekunden schneller als der Volvo. Und ich schreibe ganz bewusst „nagelt“, denn der einzige Punkt, bei dem das BMW-Aggregat spürbar das Nachsehen hat, ist die Geräuschkulisse. Der Volvo-Selbstzünder ist – wie das ganze Auto – die meisten Zeit unerhört leise, der BMW-Diesel malträtiert den Gehörgang dagegen mit vernehmbaren Rest-Anflügen von Landmaschinen-Charme. Das ging – zum Beispiel im X2 20d – auch schon eleganter. Beim Topspeed allerdings hat der 3er die Nase wieder vorn. 226 zu 220 km/h. Und auch an der Tanke geht der Sieg nach Bayern. Wir ermittelten beim 320d 6,3 Liter im Schnitt, der V60 gönnte sich 6,9 Liter.

BMW 3er Touring vs. Volvo V60

Zugegeben, wir sind nicht die allergrößten Fans des skandinavischen Zweiliter-Allzweck-Modulmotors, weil er im Premium-Umfeld sicher nicht zu den Spritzigsten und Sparsamsten gehört (egal ob Diesel oder Benziner). Im V60 D4 macht er jedoch grundsätzlich einen sehr angenehmen, unaufdringlichen, vibrationsarmen Eindruck. Es wirkt nur, als wäre er ein etwas egales Mittel zum Zweck, während es BMW schafft, sogar einen Vierzylinder-Selbstzünder halbwegs unterhaltsam abzustimmen.

Wer fährt besser?

Das kommt ganz drauf an, welche Prioritäten Sie setzen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich beim Begriff „Diesel-Familienkombi“ in Ihrem Großhirn sofort Gedanken an kurvige Bergstraßen auftun, sind Sie mit dem 3er nach wie vor besser bedient. Der gute alte Bimmer mag den Großteil seines Lebens hinter sich haben, fahrdynamisch aber ist er in seiner Klasse noch immer schwer zu schlagen. Für seinen Status als Öl verbrennendes Maxi-Cosi-Lager lenkt er extrem schnell und willig ein, bewegt sich fast schon hyperaktiv. Er drückt sogar ein wenig mit dem Heck, wenn man die Autobahnkurve im Feierabend-Heimweh-Modus mal wieder etwas zu forsch angegangen ist.

Der V60 ist ein fahrdynamischer Tiefstapler. Er könnte mehr als er will und rüberbringt.

Balance und Handling sind im Mittelklasse-Methusalem also auch heute noch erste Sahne. Beim Federungskomfort allerdings fängt der 3er schon ein bisschen an, sein Alter zu zeigen. Trotz oder gerade wegen des optionalen M-Verstellfahrwerks. Im Normalmodus würde ich ihn irgendwo zwischen leicht straff und ein wenig stacksig verorten. Gerade kleiner Schläge klonken ganz gerne mal bis zum eigenen Hintern durch. Keine Sorge jetzt, das ist niemals unangenehm, nur nicht so sänftengleich wie im Volvo. In Sport-Plus (ja auch in einem 190-PS-Selbstzünder gibt es dieses Fahrprogramm) zieht er sich noch mehr zusammen, wird knochentrocken, aber auch noch agiler. Braucht natürlich kein Mensch in einem derartigen Gefährt.

BMW 3er Touring vs. Volvo V60
BMW 3er Touring vs. Volvo V60

Ähnliches gilt für den Volvo V60 dessen Adaptivfahrwerk in der Dynamikstellung unvermittelt das Federn einstellt. Es rappelt und rattert jetzt ganz beträchtlich im schwedischen Karton, sonst tut sich nicht all zu viel. Nein, der V60 ist kein Sportler. Das merkt man schon an den 1.844 Kilo Gewicht, womit er feudale 200 Kilo mehr auf die Waage bringt als sein bayerisches Pendant. Ein verblüffend kompetent und neutral abgestimmtes Auto ist er aber schon. Also mit Druck auf die entzückend geformte Fahrmodus-Walze schnell wieder ins Comfort-Programm gewechselt und alles auskosten, was (nicht nur) diesen Volvo stark macht.

Er ist wirklich ein Hort der Ruhe und des inneren Friedens. Grandios gekapselt, wahnsinnig versiert gedämpft und mit absolut gloriosem Gestühl versehen. Das Irritierende am frontgetriebenen V60 ist, dass er wohl viel mehr Dynamik im Köcher hätte, als er zugeben möchte. Hohe Kurvengeschwindigkeiten machen ihm nicht die Bohne aus. Er ist sehr neutral, nicht aus der Ruhe zu bringen, lenkt präzise. Es scheint ihn nur nicht sonderlich zu interessieren. Ein Tiefstapler, wenn Sie so wollen. Das ist immer sehr souverän, nur nicht besonders prickelnd.

So bringt der 320d das Fahrerherz deutlich stärker in Wallung, den homogeneren, angenehmeren Eindruck hinterlässt aber der V60 D4.

Wer hat den besseren Innenraum?

Was das Platzangebot betrifft, ist der V60 die bessere Wahl. Reihe Eins ist zu vernachlässigen, hier nehmen sich die beiden Kandidaten nicht viel. Außer, dass der Volvo die besseren Sitze hat. Das soll nicht heißen, dass der 3er schlechte Sitze hat, die Volvo-Sessel sind halt einfach bombastisch gut. In jedem anderen Winkel des Autos zeigt sich aber, was BMW beim 2019 erscheinenden 3er-Nachfolger besser machen muss (und auch wird): Jap, der aktuelle F30 ist alles, nur kein Raumwunder.

Man merkt es im Fond, wo der Volvo allem, was so am eigenen Torso dranhängt, spürbar mehr Luft schenkt. Hier ist er wirklich gut. Im Kofferraum merkt man es auch. Gar nicht mal so sehr an den typischen Literangaben, hier bieten beide eher Magerkost. Der Volvo 529 bis 1.440 Liter, der BMW 495 bis 1.500 Liter. Misst man aber mal genau nach, wird der V60 einiges schlucken, was im 3er draußen bleiben muss. Die Grundfläche (bei aufrechter Rückbank) beträgt im Schweden 1,04 Meter Länge mal 1,02 Breite. Im BMW sind es 98 mal 97 Zentimeter.

Bei Verarbeitung und Materialqualität herrscht in etwa Gleichstand. Na gut, um ehrlich zu sein, fühlt man sich im Volvo schon ein wenig gediegener untergebracht. Aber der aktuelle 3er war auch noch nie das Musterbeispiel für Cockpit-Opulenz. Auch nicht mit ein bisschen Klavierlack und Tierhaut-Pracht wie auf einer italienischen Designer-Couch. Im Nachfolger darf man hier gerne ein wenig zulegen. Die Bedienung flutscht im 3er trotzdem besser. Das Infotainment ist logischer aufgebaut und liefert feinere Grafiken. Außerdem sind echte Knöpfe (Klimabedienung) und ein Dreh-Drück-Steller auch 2018 noch eine ziemlich feine Sache. An das große Volvo-Tablet kann man sich ganz sicher auch gewöhnen, aber manchmal nervt das viele Touchscreen-Gedrücke einfach, beispielsweise, wenn man einfach nur die Temperatur verstellen möchte und dafür die Augen gefühlt fünf Sekunden von der Straße nehmen muss.

Beim neuen V60 fast schon zwangsläufig besser als beim kurz vor der Ablösung stehenden 3er: Die Assistenzsysteme-Situation. Der Volvo fährt, dort wo es sich anbietet, weitgehend selbständig (auch wenn das im Test nicht immer hundertprozentig zuverlässig funktionierte, also legen Sie Smartphone/Zeitung/die wichtige Präsentation schön wieder beiseite), der BMW hält "nur" Geschwindigkeit und Abstand. 

Welchen soll ich kaufen?

Nach Abwägung aller Argumente macht der Volvo V60 in diesem Vergleichstest knapp das Rennen. Es ist mehr ein Gefühl, dass für den Skandinavier spricht. Er fährt weniger anregend als der 3er, macht insgesamt aber den kompletteren, runderen, angenehmeren Eindruck. Er ist leiser, federt komfortabler, umschmeichelt besser, hat mehr Platz. Was man von einem Auto eben so will, dass man zigtausend Kilometer im Jahr fährt, belädt, bewohnt. Dass der alte Hase aus München noch immer so nah dran und in einigen Kapiteln sogar überlegen ist, zeigt seine ganze Klasse. Die baldige Ankunft des Nachfolgers verheißt für die Konkurrenz nichts Gutes. 

Eines will ich aber noch ganz ungeschönt loswerden: Ich weiß, dass es im Premium-Segment heutzutage leider keine Besonderheit mehr ist, allerdings sind Testwagenpreise von 64.640 Euro für den BMW und sogar 71.130 Euro für den Volvo schon ein mehr als starkes Stück. Klar, bei den hier gezeigten Fahrzeugen ist so gut wie alles an Bord, was die Aufpreisliste hergibt, aber wir reden noch immer von Mittelklasse-Fahrzeugen mit Vierzylinder(!)-Dieselmotoren und weniger als 200 PS. Die Einstiegspreise mit Achtgang-Automatik liegen übrigens bei 45.500 Euro für den V60 D4 und bei 44.300 Euro für den 320d Touring.

Fazit: Volvo V60 D4: 7/10 

+ sehr hochwertiges, geschmackvolles Design (außen wie innen); extrem kompetent gefedertes Fahrwerk; sehr niedriges Geräuschniveau; ein rundes, angenehmes Auto

- eher uninspirierter Antrieb; könnte Fahrdynamik, will aber nicht so recht; Bedienung lediglich in Ordnung; mit Ausstattung fast schon frech teuer

 

Fazit: BMW 320d Touring: 7/10

+ sehr guter (wenn auch etwas kerniger) Diesel mit Top-Automatik; wirkt noch immer sehr agil; Top-Bedienung und -Infotainment

- zeigt langsam sein Alter (Federungskomfort, Interieur); nicht sehr geräumig; nicht gerade günstig 

 

Bildergalerie: BMW 320d Touring 2018 vs. Volvo V60 D4 2018

Bild von: Fabian Grass