Was ist das?

Laut Abt ist das hier die Zukunft des Tunings. Für uns ist es der wohl wahnwitzigste Familien-Bomber aller Zeiten. Das ist durchweg positiv gemeint. Der weltgrößte Audi-Tuner hat einen RS 6 genommen und seine Power nahezu verdoppelt. Bei einer Ausgangsleistung von 560 PS ist das durchaus bemerkenswert. Noch bemerkenswerter ist aber: Das Ganze passiert per Teil-Elektrifizierung. Ein RS-6-Hybrid. Mit bis zu 1.018 PS und 1.291 Newtonmeter Drehmoment. Herr im Himmel.

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Was ist neu?

Zuerst einmal haben die Kemptener alles verbaut, was aus einem normalen Audi RS 6 einen Abt RS6-R macht. Allein das sprengt ja schon jeden halbwegs normalen Rahmen. Verflucht zornig aussehendes Bodykit, Gewindefahrwerk, 21-Zoll-Räder mit absolut Sci-Fi-tauglichen „Aero-Ringen“ sowie eine Leistungssteigerung des Vierliter-Biturbo-V8 auf 730 PS und 920 Newtonmeter. Ach ja, und eine sehr übel aufgelegte Auspuffanlage, die den Bass aus der Hölle spielt.

Keine Ahnung, ob der Schub eines 730-PS-Kombis jemals langweilig werden kann, aber offenbar sahen die beschleunigungsgestählten Menschen bei Abt Bedarf für eine weitere Extra-Portion „Woooaaah!“. Also: Kardanwelle raus, zwei kürzere Wellen plus Elektromotor rein. Das alles sitzt zwischen Getriebe und Abgasanlage. Die E-Maschine kommt vom Spezialisten Kreisel, wiegt knapp 70 Kilo und unterstützt den Verbrenner kurzzeitig mit 288 PS und 371 Newtonmeter. „Im Motorraum des V8 ist überhaupt kein Platz und wir haben eine Lösung gesucht, die man ohne großen Aufwand auch auf andere Autos übertragen kann. Der Kardantunnel ist da perfekt“, sagt der verantwortliche Projektleiter Jens Häberle.

Die 13,6 kWh-Batterie und die komplette Leistungselektronik sitzen im Kofferraumboden. Es gibt nicht mal Platzeinbußen. Alles in allem beträgt das Zusatzgewicht 255 Kilo. Der Abt RS6-E, so der offizielle Name, bringt es also auf 2.205 Kilo. Die Abstimmung ist gegenüber dem RS6-R nahezu unverändert. Lediglich verstärkte Federn hinten waren nach der Hybrid-Mutation unumgänglich.

2018 ABT RS6-E Test

Wie fährt er?

Ha, das ist diesmal wirklich leicht. Dieser spezielle Test beschränkt sich nämlich auf genau eine Richtung – geradeaus! Abt lud auf ein Testgelände im allgäuischen Memmingen und reservierte die längste Gerade, die dort zu finden ist. Leider ist das Ding gerade mal 1.100 Meter lang. Für den unheiligen Hybrid-Bums des RS6-E ein gutes Stück zu wenig, wie sich schnell herausstellen sollte.

Kurz noch unterschreiben, dass man keine Ansprüche stellen wird, falls plötzlich irgendetwas zu brennen anfängt (schließlich handelt es sich hier um einen Prototypen) und rein in die giftgrün abgesteppte Höhle der E-pokalypse. Die übrigens nicht anders aussieht, wie bei jedem anderen RS-6. Keine wirr umherfliegenden Kabel oder skurrile, halbseiden befestigte Messgeräte. Der Abt baut keine Bastelbuden, auch wenn es sich um nicht straßenzugelassene Einzelstücke handelt. Lediglich ein verführerischer, giftgrün schimmernder Knopf mit Blitz-Symbol hat sich aufs Alcantara-Lenkrad geschlichen.

Ein Druck auf selbigen initiiert den zusätzlichen Strom-Kick. Wer sich jetzt ein bisschen an Michael Knight und K.I.T.T. erinnert fühlt, liegt gar nicht so verkehrt. Denn man muss es ja schon sagen: Der RS6-E fuhrwerkt natürlich nicht permanent mit vierstelligen Leistungswerten durch die Gegend. Ein Schuss des verlockenden Strom-Boosts hält knapp zehn Sekunden und saugt etwa 0,5 kWh aus dem Akku. Danach ist 30 Sekunden Warten angesagt. Dann beginnt das Spiel von vorne. Zehn bis 15 Mal am Stück kann man das ohne Probleme wiederholen. Dann wird die Hitze irgendwann zum Problem. Um die Batterie muss man sich übrigens keine Sorgen machen. Sie zwackt sich permanent ein bisschen Leistung von der Hinterachse ab und sorgt so unkompliziert für volle Speicher.

"Es wirkt als flöge der RS6-E schnurstracks auf einen riesigen Magneten zu, der immer stärker zieht, je näher man ihm kommt"

Aber wie fährt er denn jetzt?

Ah, stimmt, Entschuldigung fürs Abschweifen. Damit nicht große Teile der Mechanik (und vermutlich auch die Reifen) unter der derben Strom-Infusion zerbröseln, gibt es noch zwei Voraussetzungen. Boosten erst ab 100 km/h (in den Gängen drei bis Acht) und mindestens 75 Prozent Gaspedalstellung. Oder wie mir ein freundlicher Abt-Mitarbeiter noch kurz vor meiner Beschleunigungsorgie mitteilt: „Gib einfach Kickdown, drück bei 100 den Knopf und bleib voll auf dem Pinsel.“ Ha, das muss man mir nicht zweimal sagen.

Mit gewohnt gesichtsdeformierender Brachialität (Naja fast, die fünf Extra-Zentner merkt der Kenner schon ein wenig) wuchtet sich der wild folierte RS 6 aus dem Startblock. Die Augen starren gebannt aufs Head-up-Display, der rechte Zeigefinger kreist nervös um den grünen Glücksknopf. 74 … 87 … 99 … gib ihm! Was dann passiert … hätte ich mir tatsächlich deutlich anders vorgestellt. Ich erwartete die obligatorischen drei D-Züge ins Kreuz, allerdings setzt der Elektro-Schub verblüfend sanft ein. Sanft, aber seeehr nachhaltig. Und das beängstigend progressiv, denn man hat das Gefühl, der Strom-Punch wird oben raus immer mehr.

Glauben Sie mir, zehn Sekunden können ganz schön lang sein. Es wirkt als flöge der RS6-E schnurstracks auf einen riesigen Magneten zu, der immer stärker zieht, je näher man ihm kommt. Nach knapp 750, 800 Metern weisen zwei Flaggen darauf hin, dass man doch jetzt bitte mal bremsen sollte. Da stehen 240 Sachen auf dem Tacho. Hui.

Ein bisschen fühlt es sich immer so an, als würde von hinten so stark gedrückt, dass der Rest nicht mehr ganz mitkommt. Dazu der Mix aus infernalem V8-Gebrodel und total abgespacetem Strom-Surren. Letzteres übrigens extrem präsent, da man ja förmlich auf dem E-Motor draufsitzt (vermutlich macht der RS6-E die besten Geräusche der Hybrid-Geschichte). Es hat schon was von Fliegen. Genau wie die Beschleunigungswerte. 0-100 km/h gehen in 3,5 Sekunden, wegen des Zusatzgewichts ist der „normale“ RS6-R hier sogar noch etwas schneller. Richtig fies wird es aber von 100 auf 200 km/h. Die erledigt der RS6-E nämlich in 5,8 Sekunden. Macht 0-200 in 9,3 Sekunden. Puh! Schluss ist wie im RS6-R bei etwa 320 Sachen.

Soll ich ihn kaufen?

Das wird schwierig, denn der Abt RS6-E ist ein Einzelstück und wird dies auch vorerst bleiben. Laut Firmenchef Hans-Jürgen Abt und Chefentwickler Rolf Michel ist es künftig aber durchaus vorstellbar, die Technik des RS6-E in Serie umzusetzen. Seit Veröffentlichung des Autos stehe das Telefon nicht mehr still, meint Hans-Jürgen Abt vergnügt.

Der Tuner hat durch sein Formel-E-Engagement und den Umbau diverser VW Caddy zu E-Transportern für die Post viel Erfahrung im Stromer-Bereich. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis man diese Expertise auch für Privatkunden erlebbar macht. Ist das sinnvoll? Nun, es ist wohl eher eine Spielerei und Kraftprobe, ein entwicklerisches Bizeps anspannen quasi. Für Tuner wird der Markt durch immer mehr Restriktionen allerdings immer schwieriger. Da könnte das elektrische Schnellermachen mit seinen fast unbegrenzten Möglichkeiten zum überaus einträglichen Geschäft werden. Vor allem, wenn es so gut umgesetzt wird wie im Falle des RS6-E. Sicher nicht besonders nachhaltig, aber überaus aufregend.

Fazit: 8 von 10

+ extremer Schub auch in hohen Geschwindigkeitsbereichen; professionell wirkende Umsetzung

- Strom-Schub immer nur sehr kurz verfügbar; Serienversion wäre vermutlich sehr teuer

Bildergalerie: 2018 ABT RS6-E Test

Audi A6

Motor Biturbo-V8 plus Elektromotor; 3.993 ccm
Leistung 1.018 PS Systemleistung
Max. Drehmoment 1.291 Nm Systemdrehmoment
Getriebeart Achtgang-Automatik
Antrieb Allradantrieb
Beschleunigung 0-100 km/h 3,5 s
Höchstgeschwindigkeit ca. 320 km/h
Leergewicht 2.205 kg
Basispreis unbekannt (Prototyp)