Beide kommen aus Deutschland, haben jeweils weit über 400 PS, Drehmomente jenseits der 500 Newtonmeter und jeder kostet über 100.000 Euro: Das M6 Coupé von BMW und Porsches 911er Turbo. Während das 1er Coupé in der 135i-Ausführung dem Cayman S auf den Pelz rückt, könnte der M6 dem 11er Turbo gefährlich werden. Wir haben das überprüft.

KAROSSERIE / INNENRAUM

Egal, welche Farbe das M6-Coupé hat, das Dach ist immer dunkel. Schließlich besteht es aus Karbon, der leichte Werkstoff hilft nicht nur das Gesamtgewicht zu senken, sondern lässt auch den Schwerpunkt des Wagens nach unten sacken. Aber bei starkem Sonnenschein spüren wir schnell die Kehrseite der Medaille: Die dunkle Haube hilft gehörig beim zügigen Aufheizen des Münchners. Auch ansonsten ist der M6 ein auffälliges Auto: Beinahe 4,90 Meter lang und gerade mal 1,38 Meter hoch, reizt er zum Hingucken. Und nachdem der neue 7er ohne Plateau-Kofferraumdeckel ausgeliefert wird, sind die Modelle der 6er-Reihe die letzten, die mit diesem umstrittenen Stilelement unterwegs sind. Aus diesem Grunde polarisieren die auf dem 5er BMW basierenden Coupés designmäßig immer noch.

Klassik und Moderne
Was sollen wir zum Blechkleid eines 11ers noch sagen? Die Proportionen sind perfekt, dabei folgt die Form weitestgehend der Funktion: ein Luftwiderstandsbeiwert von 0,31 und dabei aussehen wie ein Sportwagen. Der Bayer ist mit einem minimal schlechteren cW-Wert von 0,32 unterwegs – beide werden übrigens vom neuen 7er BMW unterboten: Sein cW-Wert lautet 0,29. Der spezielle Heckspoiler des Porsche verdient Beachtung: Im Gegensatz zum Carrera steht er immer im Wind und fährt bei 120 km/h automatisch oder auf Knopfdruck permanent noch ein Stückchen weiter aus. Dabei kommt er technischer und reduzierter daher als der dicke Blasebalg, der sich aus dem Heck der Carrera-Modelle drückt. Optisch gibt es am 911 Turbo nichts zu tippen. Während der Porsche also den knuffigen Sportler mimt, kommt der BMW eher als eleganter Lang-Wagen daher. Ulkig wird es erst, wenn jemand für seinen Turbo die 380 Euro teuren Dachträger ordert – in Kombination mit der Ski-Box (600 Euro) ein gewöhnungsbedürftiger Anblick. Bis zu 75 Kilogramm hält die Blechmütze des Porsche aus, die Karbon-Kappe des M6 ist für den Lasten-Transport ungeeignet.

Bajuwarische Üppigkeit
Die Kabine des M6-Coupés ist tadellos verarbeitet, natürlich. Die sportlichen Top-Reihen der Hersteller dienen als Aushängeschilder für das, was gerade im Automobilbau geht. Die vielfach verstellbaren Sitze des Bayern lassen sich um nahezu jeden Körper formen, Seitenhalt, ausreichende Beinauflage und gut stützender Langstreckenkomfort sind Selbstverständlichkeiten. Zumindest in der ersten Reihe. Der 2+2-Sitzer hat auch hinten noch zwei Plätze. Aber diese gehen gerade mal als Notsitze für Kinder durch, mehr ist von dem Gestühl nicht zu erwarten. Für uns besonders schön: das dicke M-Lenkrad. Es greift sich fabelhaft, während unsere Fingerspitzen die dreifarbige Naht spüren. Beim Blick durch die Frontscheibe erfreut das gelb leuchtende Head-up-Display. Und wer sich neben dem Sport auch noch ein bisschen Alltag vorstellen kann, der wird am Heck des 6ers überrascht: Erkleckliche 450 Liter Stauraum warten auf Gepäck – ein VW Golf kommt mit 350 Liter auf 100 Liter weniger.

Hart und reduziert
Der Porsche empfängt mit einem klaren Innenraum, alles wirkt trocken, austrainiert und durchstrukturiert. Alles hat seinen Platz, nichts sieht nach unnötigen Pölsterchen aus. Dazu passt das im Vergleich zum BMW dünne Lenkrad, welches zudem viel härter in der Hand liegt. Dies hört sich zwar nach einem eindeutigen Plus für den M6 an, ist aber mitnichten der Fall: Auch das Porschelenkrad wird reflexartig und gerne von unseren Händen umschlossen, es gibt einen ersten Ausblick auf die Präzision, die wir in der folgenden Action erwarten. Auch der Zuffenhausener bietet auf zwei Notsitzen Platz – und man mag es kaum glauben, aber dort herrscht noch mehr Enge als im BMW. Allerdings lassen sich die hinteren Rücklehnen auf halber Höhe umklappen, sodass eine ebene Ladefläche entsteht. Dort wird sich so mancher vierbeinige Porsche-Freund ausgesprochen wohl fühlen. Mit 105 Liter Gepäckvolumen in der Nase des Wagens zwingt der Porsche seine Fahrer zu durchdachter Reiseplanung.

FAHRWERK / LENKUNG

Der M6 bringt 1.785 Kilogramm auf die Waage, ganz schön starke Knochen für einen Sportwagen. Zwar gibt es Sport-Jungs, die noch schneller sind, und dabei 2,3 Tonnen wiegen, wie den Bentley Continental GT Speed, aber der 11er Turbo muss 125 Kilogramm weniger losschießen als der BMW. Wie geht der Bayer nun mit seinen Pfunden um? Selbstbewusst. Die Bremsen zählen zu den Besten, die es für Geld zu kaufen gibt, da ist der Wagen auf Augenhöhe mit seinem Widerpart aus Stuttgart. Mit anderen Worten: Beide Wagen können in brenzligen Situationen auf rekordverdächtig kurzem Weg zum Stillstand kommen und beide stellen somit ein Problem für den mit nicht ganz so guter Verzögerungsapparatur ausgerüsteten nachfolgenden Verkehr da. Und in Sachen Untergrundbearbeitung gibt sich der M6 keine Blöße: Glatt liegt er auf der Fahrbahn, lässt im Fahrer eine maßlose Kurvengier wachsen. Zudem lässt sich auf Knopfdruck die Dämpfung noch ein bisschen härter machen, was dann besonders auf vom Steuerzahler-Geld vergessenen rissigen Straßen zu spüren ist.

Hebt nicht ab: 911 Turbo
Die Tachonadel zieht über die 280-km/h-Marke, die Autobahnwelle kommt ganz unversehens: Trotzdem heben wir nicht ab. Der Turbo zieht über die Bahn, saugt sich förmlich an. Wanken und Nicken ist was für die anderen, er kennt das nicht. Trotzdem bleibt der Wagen in Grenzen komfortabel, taugt auch für die Straßenbahnschiene oder das buckelige Kopfsteinpflaster. Wer hier mal schnell zum Stillstand kommen muss, ist mit den innen belüfteten 350-Millimeter-Bremsscheiben rundum eigentlich gut versorgt. Allerdings haben die Schwaben auch was für den wochenendlichen Rennfahrer im Programm: PCCB – Porsche Ceramic Composite Brake. Für den schmerzhaften Aufpreis von 8.700 Euro ist dann ultimatives Bremsen in überhitzter Dauerbelastung kein Problem mehr. Und nach außen zeigen dann die knallgelben Bremssättel: ,Ich kanns mir einfach leisten" – die Serienbremsen müssen mit nicht minder auffälligen roten Sätteln auskommen.

Zielgenau?
Das dicke kleine Lenkrad des M6 ist, wie schon angedeutet, eines der am besten Anfassbaren im Automarkt. Und während der Fahrt hilft die Lenkung uns, auch beim schnellen Kurven-Winden souverän den Überblick zu behalten. Allerdings sind wir vom Geschehen seltsam entkoppelt. Da kaum Rückmeldung geliefert wird, fühlen wir uns irgendwie weiter von den Vorderrädern entfernt, als wir es tatsächlich sind. Das dünne Volant des Turbo fasst sich minimal schlechter an als das dicke Rund des Bayern. Aber die Lenkpräzision ist Benchmark: Unwirklich direkt mit genau der richtigen Dosis Schwere haben unsere Hände die Fuhre jederzeit perfekt im Griff.

MOTOR / GETRIEBE

Während der M6 auf sportlich klassischen Heckantrieb setzt, wandern die Momente beim Porsche an alle vier Räder. Und so giert der 6er mit leicht aufgestellter Schnauze nach vorn, schiebt und schiebt und schiebt. Auch in der Kurve – über die Vorderräder, aber nur ganz leicht. Insgesamt überrascht uns der schwere Hecktriebler mit seiner Agilität und Gutmütigkeit. Allerdings macht der Porsche mit seinem Allrad-Antrieb alles noch viel besser. Eine elektrohydraulisch gesteuerte Lamellen-Kupplung verschiebt die Kraft bedarfsgerecht zwischen Vorder- und Hinterachse – wenn es sein muss, wird der Turbo so zum reinen Front- oder Hecktriebler. Und ob wild, unerfahren oder bedacht: Immer wartet das Porsche Stability Management (PSM) darauf, dem Fahrer Peinlichkeiten zu ersparen. Dieses System kümmert sich sowohl um die Traktion auf unterschiedlich glatten Fahrbahnoberflächen als auch ums Über- oder Untersteuern. Besonders das von uns am Ende von schnellen engen Kurven erwartete Übersteuern findet quasi nicht statt – stattdessen blinkt die PSM-Kontrolllampe wie verrückt.

Extrem eng beieinander: Die Triebwerke
In Sachen Motor belauern sich die beiden Wagen mit allergrößtem Ehrgeiz: Der 5,0-Liter-V10 des BMW ergatterte in den Jahren 2005, 06 und 07 den begehrten Titel ,Best Performance Engine" und 06 sowie 07 auch noch den absoluten Motoren-Oscar, den Titel ,International Engine of the Year". 2008 löste dann ein anderes Kämpfer-Aggregat das BMW-Triebwerk als ,Best Perfomance Engine" ab: der 3,6-Liter-Sechzylinder-Boxer des Porsche 911 Turbo. Die zehn Zylinder des BMW sind für 507 PS gut. Wie es sich für einen Hochdrehzahlmotor gehört, steht das Getier erst bei 7.750 U/min bereit. Und bis 6.100 U/min muss hochdrehen, wer die maximal 520 Newtonmeter Drehmoment nutzen will. Das Interessante am BMW: Der rote Bereich für die Maximaldrehzahl wandert im Drehzahlmesser langsam nach oben, je nachdem, wie warm der Motor ist. Ein Turbo-Boxer muss sich mit 480 PS bei 6.000 U/min begnügen, zieht aber dank Turboaufladung in Sachen Drehmoment locker am V10-Sauger vorbei: 620 Newtonmeter, also 100 Newtonmeter mehr, liegen bereits bei 1.950 bis 5.000 U/min an.

Werte mit Wert
Die potenten Herzen lassen in beiden Wagen ihre Muskeln spielen: Der M6 wird zwar bei 250 km/h elektronisch abgeschnürt, aber gegen einen Aufpreis von 2.450 Euro (inklusive Fahrsicherheitstraining) ist erst bei 305 km/h Schluss. Der Turbo zieht serienmäßig bis 310 km/h hoch. Fünf Kilometer pro Stunde sind nicht die Welt, anders sieht es bei der Beschleunigung aus: Während der vergleichsweise schwere Bayer 4,6 Sekunden braucht, um die Tempo-100-Marke zu streifen, erledigt das der Schwabe in 3,9 Sekunden – und in Sachen Beschleunigung sind 0,5 Sekunden nun mal Welten. Geht es weiter bis 200 km/h, nimmt sich der Porsche 12,8 Sekunden Zeit, der M6 lässt eine Sekunde liegen und kommt so auf 13,8 Sekunden. Hier hat der Turbo also seine flache Nase noch weiter vorn. Laut werden dabei beide und der Sound kann sich hören lassen, wobei der V10 etwas bulliger röhrt – so eine Turboschraube, wie in unserem 11er, verändert halt den Klang.

Was hinten rauskommt
So exklusive Aggregate schlucken nichts aus dem Trog von Otto-Normal-Motor – hier muss es das extrateure Super Plus sein. Der V10 will davon 17,4 Liter pro hundert Kilometer weglutschen, dem Boxermotor reichen 15,8 Liter Vortriebs-Saft. Die Werte erscheinen absolut gesehen recht hoch, sind aber für diesen Leistungsbereich ganz akzeptabel. Legen wir den von den Herstellern angegebenen Normverbrauch von 14,3 Liter beim BMW und 12,8 Liter beim Porsche zugrunde, kommt der Bayer auf 342 Gramm CO2 pro Kilometer, der Zuffenhausener stößt 307 Gramm aus. Beide liegen also über der 300-Gramm-Marke. Kein Wunder bei diesen Hochleistungsaggregaten, aber auch keine schönen Werte.

SMG gegen Handschalter
Seine Kraft lässt sich der M6 vom sequenziellen M-Getriebe (SMG) aufteilen. Die Einführung dieses technisch anspruchsvollen Schaltwerks mit sieben Gängen verhalf dem M6 seinerzeit bei den technikverliebten Japanern zum Durchbruch. Aber hierzulande hagelte es Kritik. Und wir müssen da ins gleiche Horn stoßen: Das SMG ist ausgesprochen gewöhnungsbedürftig. Wie in der ersten Smart-Generation geht beim automatisierten Gangwechsel in unteren Geschwindigkeitsbereichen ein Wippen durch den Wagen, Außenstehende könnten denken, der Fahrer müsse erst noch Schalten üben. Zwar lässt sich die Bissigkeit des Getriebes per Druckknopf einstellen, aber dass hat nur minimale Auswirkungen. Ein bisschen mit dem Gasfuß spielen bringt da schon eher was. Insgesamt schaffen wir es mit ein wenig Übung, einen halbwegs komfortablen Schaltvorgang zu erzwingen, aber am meisten Spaß macht es, wenn der Wagen gar nicht schalten muss. Das neue im M3 bereits verfügbare Doppelkupplungs-Getriebe (DKG) ist auch auf die Belastungen durch den V10 ausgelegt – es wird Zeit, dass die neue Doppelkupplungs-Kiste das SMG auch im M6 für immer vergessen lässt.

Präzise Handarbeit
Im Turbo greift unsere Hand zum runden Schaltknüppel-Kopf. Die Zahnradmannschaft am anderen Ende des Knüppels stellt sechs Gänge zur Verfügung. Die Genauigkeit, mit der die Stufen in ihre Position rasten, erzeugt eine kindliche Freude in uns – das Schalten im 11er Turbo ist ein ganz besonderes mechanisches Gefühl. Und obwohl wir ohnehin schon schwingungsfrei auf kurzen Wegen arbeiten, bietet Porsche für den ambitionierten Renn-Freak auch noch eine Schaltweg-Verkürzung an (571 Euro). Allerdings warnt Porsche selbst hier vor deutlich erhöhten Kaltschaltkräften, was nichts anderes heißt, als dass sich die Gänge gerade im niedrigeren Geschwindigkeitsbereich spürbar schwerer einlegen lassen. Wer die perfekte Balance aus Sport und Stadt-tauglichem Komfort bewahren möchte, sollte auf die Schaltweg-Verkürzung verzichten. Das BMW-SMG ist ein schwer zu verdauender Brocken, die manuelle Sechsgang-Schaltung des Porsche ein leckeres Häppchen Technik.

AUSSTATTUNG / PREIS

Um den Preis und die Kosten unserer beiden Kandidaten werden sich Kaufinteressenten nicht die Bohne scheren. Und die Entscheidung zwischen den beiden Sportlern fällt sicher eher nach Gesichtspunkten wie Image und Design als nach dem schnöden Mammon. Aber gerade deshalb ist ein Blick aufs Geld hier ganz unterhaltsam: Das BMW M6 Coupé steht mit 114.700 Euro in der Liste, für den Porsche 911 Turbo werden 143.008 Euro aufgerufen. Der Bayer ist also beinahe 30.000 Euro günstiger als der Schwabe – wobei beide mit umfangreicher Serienausstattung aufwarten. Allerdings hat Porsche auch hier die gewohnt gefürchtete lange Aufpreisliste in der Hinterhand. Wie sieht es mit dem Unterhalt aus? Laut www.adac-autokosten.de kommen bei einer Haltedauer von drei Jahren und einer Jahresleistung von 15.000 Kilometern für den BMW pro Jahr 27.503 Euro Gesamtkosten zusammen, beim Porsche reichen 25.257 Euro. In vielen Einzelposten kommt der Wagen aus Zuffenhausen günstiger. So werden beim BMW 313 Euro für die Haftpflicht fällig, während beim Porsche 274 Euro reichen, die Vollkasko schlägt beim Bayern mit 1.677 Euro zu Buche, beim Schwaben reichen 1.152 Euro und hubraumbedingt langt der Fiskus beim M6 mit 337 Euro pro Jahr zu, während das Finanzamt sich beim Turbo mit 243 Euro begnügt. Am Ende der Rechnung stehen für den BMW 1,83 Euro pro Kilometer den 1,68 Euro des Porsche gegenüber.

Wertung

  • ☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆
  • Am Ende müssen wir trotz der enormen Motorleistung der beiden feststellen: Der BMW M6 und der Porsche 911 Turbo sind zwei vollkommen verschiedene Charaktere. Der BMW ist lang, elegant und reisetauglich; Motor, Getriebe und Fahrwerk eignen sich auch mal für den Ausflug auf die Rennstrecke. Dort wird er aber vom 11er Turbo schnurstracks kassiert.

    Und der Porsche ist ebenfalls auf langen Strecken und kurzen Shopping-Touren zu Hause. Nur beim Preis haben wir die seltene Situation, dass ein BMW mal deutlich günstiger ist als sein Vergleichspartner. Beim Porsche gibt es weniger Auto fürs Geld, aber auch dafür lieben ihn die Fans.

  • BMW M6
    90%
    reisetauglicher Sportwagen mit top Motor
    übles Getriebe
  • Porsche 911 Turbo
    100%
    der perfekte 11er
    teurer Spaß mit wenig Platz

Bildergalerie: Die Unerschöpflichen