Der eine wirkt überfordert, der andere leistungswillig: Die beiden neuen Lexus-Modelle GS 250 und GS 450h liegen in Sachen Fahreigenschaften weit auseinander. Dabei will die vierte Generation der in der oberen Mittelklasse angesiedelten japanischen Limousinen jetzt mit europäischen Tugenden glänzen.

Langeweile ade
Der Neue will nicht mehr langweilig sein: Mit schnittig gezeichnetem Grill wirkt das Mittelklasse-Modell beinahe schon zu aggressiv. Auf jeden Fall vermittelt das frische Gesicht des Japaners Sportlichkeit. Ebenfalls neu: Aus den Außenspiegeln blitzen jetzt LED-Blinklichter. Das der GS nun zwei Zentimeter breiter und drei Zentimeter höher ist als bisher, ist nicht zu erkennen. ,GS" steht für ,Grand Touring Sedan", also Reise-Limousine, wie GS-Chefingenieur Yoshihiko Kanamori bemerkt. Eine Kombiversion gibt es nicht – die ist auf dem Hauptabsatzmarkt USA nicht gefragt.

Innen sehr schick
Die Kabine des GS ist den japanischen Raumgestaltern gelungen: Klare gerade Linien, rechte Winkel und edle Holz- oder Bambusoberflächen machen den Wagen zu einer urbanen Lounge. Kopf- und Beinfreiheit passen vorne, hinten ist der Platz nicht allzu üppig bemessen. Das Gestühl ist zwar recht hart gepolstert, aber trotzdem bequem genug für die lange Reise. Außerdem wird Lexus nicht müde zu betonen, dass man serienmäßig den größten Monitor im Fahrzeugmarkt verbaut: 12,3 Zoll misst der Bildschirm in der Diagonalen. Allerdings startet gerade der Verkauf des Tesla Model S: Der amerikanische Elektrowagen ist mit einem 17-Zoll-Bildschirm in der Mittelkonsole unterwegs. Das Display des GS lässt sich allerdings nie komplett nutzen. So kann beispielsweise die Navi-Karte nur auf einer Hälfte des Bildschirms angezeigt werden, auf der anderen Hälfte gibt es dann wahlweise Informationen beispielsweise zur Audio-Anlage oder zum Verbrauch. Das so genannte Remote-Touch-Bedienelement, mit dem die Einstellungen auf dem Bildschirm vorgenommen werden, erweist sich als ziemlich labberiger Joystick – mit den Dreh-Drückstellern von BMW oder Mercedes kann dieser Schiebe-Hebel nicht mithalten.

Vertikal gekühlt
In Sachen Verarbeitung liegt Lexus hinter Audi: Das Handschuhfach des GS hängt ein ganz klein wenig und die Spaltmaße sind nicht einheitlich. Außerdem sind die Übergänge vom Leder zum Holz am Lenkrad teilweise unsauber gearbeitet. Hinzu kommen ergonomische Schwächen: Die Tasten für beispielsweise das optionale Head-up-Display (inklusive Totwinkel-Warner: 2.150 Euro) sind links und der Knopf für die elektronische Parkbremse ist rechts hinterm Lenkrad versteckt. Das Head-up-Display an sich ist natürlich komfortabler als der Tacho, aber es wirkt mit seiner winzigen Größe und seiner grobschlächtigen Grafik im Vergleich zu Systemen von BMW mindestens zehn Jahre älter. Gutes gibt es vom Kofferraum des 450h zu berichten: Da der Akku jetzt vertikal hinter der Rückbank steht, wächst das Gepäckabteil um 51 Prozent auf nun 482 Liter. Bisher war die Batterie platzraubend in liegender Position verstaut – die Weiterentwicklung der Akku-Kühlung machte die stehende Einbauweise möglich.

Nervenbündel
Das Fahrwerk der GS-Modelle lässt sich serienmäßig über einen großen Dreh-Drückknopf in der Mittelkonsole verstellen. Es geht vom Modus Eco pro über Normal und Sport S zu Sport S plus. Der GS 250 ist im Eco-pro- und im Normalmodus kaum zu ertragen: Die Insassen fühlen sich wie auf den wankenden Planken eines Segelschiffs. Sport S und Sport S plus machen ihre Sache besser, aber jetzt neigt der Wagen zum nervösen Zittern. Der Wunsch, europäischen Fahransprüchen entgegenzukommen, ist zu spüren, wurde aber nicht komplett erfüllt. Beim 450h ist dies alles ein wenig besser: Er wiegt mit 1.910 Kilogramm 190 Kilogramm mehr als der 250 – die Hybridkomponenten machen den Wagen schwerer. Damit liegt das Hybridmodell gesetzter auf der Straße. Aber auch hier wirkt das Fahrwerk bei Sport S und Sport S plus leicht nervös. Dies könnte unter anderem an einem nicht ganz so steifen Chassis liegen.

Top Bremsen
Die Bremsen beider GS-Modelle sind hingegen hervorragend: Bissig greifen sie den Vortrieb weg und verzögern auf kurzen Wegen. Bei einer Vollbremsung regelt das ABS vorbildlich. Anders sieht es bei der Lenkung aus: In den Modi Eco Pro und Normal ist sie schwammig mit Spiel in der Mittellage. Auch hier wird es erst bei Sport S und Sport S plus besser – allerdings bleibt ein leicht indifferentes Gefühl.

Der Nicht-Hybrid
Lexus rückt von der Strategie ab, den GS in Deutschland ausschließlich als Hybridmodell anzubieten. Der Grund wird sein, dass Hybride in der deutschen Zulassungsstatistik kaum eine Rolle spielen – bisher hat sich noch jeder Hybrid an der betonharten teutonischen Dieselwand die Nase eingehauen. Jetzt gibt es als Alternative eben auch einen Benziner – eine Verzweiflungstat, da die Diesel-Kooperation der Konzernmutter Toyota mit BMW voraussichtlich erst 2014 Früchte tragen wird.

Richtig schlapp
Der 2,5-Liter-Sechszylinder des GS 250 leistet 209 PS und generiert ein maximales Drehmoment von 253 Newtonmeter. Das Aggregat wird schnell laut, wobei das Knurren einen ganz sachten sportlichen Touch mitbringt. Aber beim Beschleunigen ist es vorbei mit der Lexus-Ruhe: Sowohl der pfeifende Wind an den Außenspiegeln als auch das Triebwerk sind deutlich zu vernehmen. Von null auf 100 km/h geht es in 8,6 Sekunden, bei 230 km/h ist der Vortrieb vorbei – klassentypische 250 km/h sind außer Reichweite. Spätestens am Berg wirkt der GS 250 überfordert und damit untermotorisiert. Laut Hersteller sind pro 100 Kilometer im Schnitt 8,9 Liter Super fällig. Wir können den GS 250 nicht empfehlen – ist er nur dazu da, zu zeigen wie gut der Hybride ist?

Der Hybrid
Der GS 450h geht deutlich potenter zu Werke als sein reiner Benzin-Bruder. Beim Hybriden kombinieren die Japaner einen 292 PS starken 3,5-Liter-Sechszylinder mit einem 147-Kilowatt-Elektromotor (200 PS). Heraus kommen eine Systemleistung von 345 PS und ein Systemdrehmoment von 345 Newtonmeter. Damit geht die Beschleunigung druck- und kulturvoll vonstatten, den Sprint auf 100 km/h stoppt die Uhr bei 5,9 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 250 km/h elektronisch begrenzt. Aber auch hier: Ab spätestens 120 km/h sind in der Kabine Windgeräusche deutlich vernehmbar und der Antrieb ist ebenfalls alles andere als still – von der Ruhe der oberklassigen Lexus-LS-Modelle sind die kleineren GS-Varianten weit entfernt.

Im Stau rein elektrisch
In der Tempo-30-Zone oder beim Stop-and-Go im Stau lässt sich der GS 450h prima rein elektrisch fahren: Bei voller Batterie bis zu vier Kilometer weit mit Geschwindigkeiten bis zu 40 km/h. Der Elektromodus kann per Knopfdruck in der Mittelkonsole aktiviert werden. Den Verbrauch gibt der Hersteller beim GS 450h mit durchschnittlich 5,9 Liter pro 100 Kilometer an. Das ist sensationell wenig und kommt zudem der Realität nahe: Der Bordcomputer zeigte während des Tests mit Stadt, Land und Autobahn 6,9 Liter Durchschnittsverbrauch an – im Sport-S-plus-Modus.

Automatik und Stufenlosigkeit
Die Schaltarbeit wird beim GS 250 von einer Sechsgang-Automatik übernommen. Diese macht einen unspektakulären Job und hat bei höheren Drehzahlen mit dem schlappen Motor und dem Wagengewicht zu kämpfen. Beim Hybriden setzen die Ingenieure auf eine elektronisch gesteuerte, stufenlos variable Übersetzung unter Zuhilfenahme eines Planetengetriebes. Die Getriebetechnik des GS 450h regelt ruhig und sauber. Zudem können über die serienmäßigen Lenkrad-Schaltpaddles virtuelle Schaltstufen eingelegt werden.

Anderer Hybrid oder Diesel
Wie sind die Chancen des GS 450h gegen heimische Gegner? Der BMW ActiveHybrid 5 ist mit seiner schlechteren Ausstattung zirka 8.000 Euro teurer als der Lexus. Die Systemleistung des ActiveHybrid 5 von 340 PS reicht ebenfalls für den Spurt von null auf 100 km/h in 5,9 Sekunden. Der Gesamtverbrauch des Bayern soll laut Werk bei 6,4 Liter, also einen halben Liter über dem des GS 450h, liegen. Der BMW punktet allerdings mit einem erheblich besseren Fahrwerk, der perfekt ausgewogenen Achtgang-Automatik und einem überzeugendem Sportmodus. In Sachen Diesel wäre der Audi A6 3.0 TDI quattro mit 313 PS zirka 1.500 Euro teurer als der GS 450h. Der Japaner kann hier wieder mit seiner besseren Ausstattung punkten. Der Audi hat zwar die geringere Leistung, aber mit 650 Newtonmeter ein erheblich höheres Drehmoment, welches auch noch bei niedrigeren Drehzahlen anliegt. Deshalb spurtet der Ingolstädter bereits in 5,1 Sekunden auf Tempo 100 – drastisch schneller als der Lexus. Im Schnitt schluckt der Audi 6,4 Liter Diesel pro 100 Kilometer. In Sachen Verbrauch und Preis bleibt der Japaner prägnant unter seiner deutschen Konkurrenz – in Sachen Fahrleistungen und Fahrverhalten kommt er nicht an sie heran.

Wertung

  • ★★★★★★★★☆☆
  • Während das reine Benzinmodell Lexus GS 250 sich beim Fahrwerk und der Motorisierung disqualifiziert und damit reif für eine Dreisterne-Wertung ist, macht der Hybride GS 450h vieles besser. Sein kraftvoll kultivierter Antrieb passt und sein stufenloses Getriebe nervt nicht.

    Die gute Basisausstattung, der jetzt ordentliche Kofferraum und vor allen Dingen der vorbildlich niedrige Verbrauch sind echte Pluspunkte. In Sachen Fahrwerk und Lenkung hat der 450h noch Potenzial. Sein Innenraum ist sehr schick, aber nicht so perfekt verarbeitet wie bei einem Audi A6.

  • Antrieb
    90%
    kraftvoll, kultiviert
    sehr sparsam
  • Fahrwerk
    70%
    top Bremsen
    Fahrwerk in allen Einstellungen nervös
  • Karosserie
    80%
    innen sehr geschmackvoll, mehr Kofferraum als vorher
    Verarbeitung innen nicht perfekt
  • Kosten
    90%
    immense Basisausstattung
    viele Optionen nur per Paket verfügbar

Bildergalerie: Nervös in Europa