Das Unternehmen NSU wird 150 Jahre alt. Angefangen mit Strickmaschinen, hat man später berühmte Motorräder, Mopeds und Autos hervorgebracht. Vermutlich DIE Markenlegende schlechthin ist der NSU Ro 80 mit Wankelmotor. Vor 55 Jahren sorgte er bei seiner Premiere für Erstaunen, Aufsehen und Bewunderung. Doch der Ruhm verblasste schnell ...

Schon sein Name ist etwas Besonderes: Ro 80 - Ro steht für Rotationskolben, 80 für die Typenbezeichnung. Als der NSU Ro 80 im September 1967 auf der IAA steht, staunt die Automobilwelt nicht schlecht. NSU-Kenner und Buchautor Klaus Arth beschreibt das so: "Viele Besucher wissen gar nicht, was sie zuerst bewundern sollen. Die futuristische Form, den extravaganten Antrieb oder beides". Das Auto begeistert, rechnet sich aber nicht - und so rollt im April 1977 der letzte NSU Ro 80 vom Band.

NSU Ro 80 (1967-1977)

"Ein Werk, das ein neues Auto herausbringt, ist fast immer geneigt zu glauben, es sei das schönste, schnellste, sparsamste, modernste - kurzum das ideale Auto", kündigten die Neckarsulmer Motorenwerke im Vorfeld der IAA 1967 ihr neu entwickeltes Modell an, um dann eher bescheiden fortzufahren:

"Wir bei NSU sind zwar auch recht stolz auf unser jüngstes Kind, aber wir legen Wert darauf, Superlative in jeder Form zu vermeiden - wir beschränken uns vielmehr darauf, die Vermutung auszusprechen: Das ist ein gutes und sicher auch interessantes Auto."

Bildergalerie: NSU Ro 80

Das untermauern die Neckarsulmer mit mehr als 80 Seiten Information, darunter viele technische Daten und Zeichnungen sowie eine ausführliche Beschreibung des Funktionsprinzips des NSU/Wankel-Kreiskolbenmotors. Bei NSU war man sich bewusst, dass aufgrund des neuartigen Fahrzeugkonzeptes auch in Fachkreisen ein hoher Erklärungsbedarf bestand.

Vor allem über den Wankelmotor, dessen Vorteile wie geringeres Gewicht, geringerer Platzbedarf, vibrationsarmer Lauf und weniger Bauteile im Vergleich zu einem herkömmlichen Hubkolbenmotor in der Dokumentation ausführlich gewürdigt werden. Im September 1967 stellen die Neckarsulmer nach fünfjähriger Entwicklungsarbeit den NSU Ro 80 in den Frankfurter Messehallen der Öffentlichkeit vor - als erstes Serienautomobil der Welt mit einem Zweischeiben-Wankelmotor. Das Messepublikum staunt - und ist begeistert.

NSU Ro 80 (1967-1977)
NSU Ro 80 (1967-1977)
NSU Ro 80 (1967-1977)

Die sportliche Reiselimousine setzt neue Maßstäbe in Sachen Fahrverhalten, Sicherheit, Komfort und Leistung. Form folgt Funktion - dieses Credo ist Programm für den im Windkanal entwickelten Ro 80: Seine keilförmige Karosserielinie mit flacher Frontpartie, tiefer, leicht ansteigender Gürtellinie und hochgezogenem Heck ermöglicht einen cW-Wert von 0,35 - und prägt zudem eine Gesamterscheinung, die von den Zeitgenossen als futuristisch empfunden wird.

Auf Werbeplakaten für den Ro 80 heißt es deshalb selbstbewusst: "Es gibt Autos von gestern, es gibt Autos von heute und es gibt NSU-Autos." Andere Anzeigen verbinden den Ro 80 mit anderen neuartigen Errungenschaften jener Zeit: Tiefkühlgerichte, Autotelefon, Videorecorder, Satelltenübertragung, Atomkraft.

1971 schließlich wird ein legendärer Satz geprägt: "Vorsprung durch Technik" - ein Werbeslogan, der zum Markenkern von Audi wird, denn die Ingolstädter Auto Union GmbH und die NSU Motorenwerke AG sind seit ihrer Fusion 1969 gemeinsam unterwegs.

NSU Ro 80

Der Mut der Neckarsulmer, mit dem Ro 80 ein in vielerlei Hinsicht revolutionäres Auto auf den Markt zu bringen, wird belohnt: Ein Jahr nach seiner Markteinführung wählen internationale Fachjournalisten den NSU als erstes deutsches Automobil zum "Auto des Jahres".

Ein dauerhafter wirtschaftlicher Erfolg stellt sich jedoch nicht ein: Schon kurz nach der Markteinführung tauschen die oft überforderten NSU-Werkstätten Motoren schon bei kleinen Fehlern auf Kulanz aus. Das ruiniert den Ruf des Ro 80, ebenso hohe Verbräuche aufgrund falscher Fahrweise. Allerdings sind um die 17 Liter in zeitgenössischen Vergleichstests auch bei der Konkurrenz keine Ausnahme und werden nicht als negativ betrachtet. Zudem kommt ungefähr zeitgleich mit den ersten Audi 100 ein interner Konkurrent, der ein ähnliches Format wie der Ro 80 zu einem günstigeren Preis bietet.

Bildergalerie: Audi 100 (1968-1976)

Auch die für damalige Verhältnisse ungewöhnliche Formgebung und wohl auch das mangelnde Prestige der bislang durch Kleinwagen bekannten Marke NSU hält die Ro-80-Stückzahlen jährlich im niedrigen vierstelligen Bereich. In gewisser Weise ähnelt der Ro 80 damit dem späteren VW Phaeton ...

1973 treibt schließlich die Ölkrise die Benzinpreise in die Höhe, die Kunden bevorzugen sparsamere Autos - das bedeutet das Aus für den Kreiskolbenmotor und damit auch für den NSU Ro 80. Produziert wird er von 1967 bis 1977 im Werk Neckarsulm, wo bei seinem Auslaufen 1977 bereits die Produktion des Audi 100 den Großteil der Kapazitäten auslastet. Insgesamt erreicht der NSU Ro 80 eine Stückzahl von 37.374 Exemplaren.

Bis heute hat der NSU Ro 80 eine treue Fangemeinde - wie die Marke NSU überhaupt: Zahlreiche Clubs lassen die Geschichte der Traditionsmarke bei regelmäßigen Treffen, Ausfahrten und Veranstaltungen wieder aufleben. Ein Höhepunkt im Jubiläumsjahr ist der Fantag am 16. September in Neckarsulm, den Audi Tradition gemeinsam mit dem Audi Forum Neckarsulm, dem Audi Club International und dem Deutschen Zweirad- und NSU-Museum Neckarsulm veranstaltet.

Bildergalerie: NSU Ro 80 (1967-1977)