Für nicht wenige Fans der Marke ist sie der letzte echte Mercedes: Die Rede ist von der oberen Mittelklasse-Baureihe 124. Jetzt feiert der 124er seinen 35. Geburtstag: Am 26. November 1984 stellte die Stuttgarter Marke zunächst die neuen Limousinen (W 124) in Sevilla (Spanien) vor. Im Dezember desselben Jahres kamen sie auf den Markt. Später folgen auch T-Modell (1985, S 124), Coupé (1987, C 124), Limousine mit langem Radstand (1989, V 124), Cabriolet (1991, A 124) und ein Fahrgestell für Sonderaufbauten.

Heute gehören vor allem die Topmotorisierungen der Limousinen sowie die Coupés und Cabriolets dieser Generation der oberen Mittelklasse von Mercedes-Benz zu den attraktiven Sammlerfahrzeugen. Das bilden auch aktuelle Bewertungen ab wie der „Emerging Classics“-Index im Rahmen des Mercedes-Benz Classic Index (MBC-Index) der Historic Automobile Group International (HAGI). Hier gehören beispielsweise die V8-Variante 500 E, die AMG-Topmodelle sowie die Cabriolets und Coupés zu den besonders vielversprechenden Youngtimern der Marke mit dem Stern.

Doch zurück zu den Anfängen des 124: Die 1984 vorgestellte Baureihe ist die erste Fahrzeugfamilie von Mercedes, die vom Jahr 1993 an den Namen E-Klasse trug. Konsequenter Leichtbau und optimierte Aerodynamik reduzierten den Verbrauch und ermöglichten bessere Fahrleistungen. Für ein Plus an Fahrsicherheit sorgte die innovative Raumlenkerhinterachse. Eine Pionierrolle übernahm Mercedes auch bei der Schadstoffreduktion: Alle mit Benzinmotor ausgerüsteten Modelle waren ab Herbst 1986 serienmäßig mit der Abgasreinigung per geregeltem Dreiwegekatalysator ausgestattet.

Mercedes-Benz präsentiert vor 35 Jahren die Baureihe 124

Als die Geschichte der Baureihe 124 bei Mercedes beginnt, werden noch die „Strich-Acht“-Limousinen der Baureihen W 114/115 gebaut: Es ist Ende 1975, als im Unternehmen die Entscheidung für den Nachfolger der im Januar 1976 auf den Markt gebrachten oberen Mittelklasse der Baureihe 123 fällt. Begleitet wird der Entwicklungsprozess auch von einem Generationenwechsel in leitenden Positionen der damaligen Daimler-Benz AG. Dazu kommen deutlich schärfere Vorschriften für Verbrauch und Emissionen, beispielsweise in Nordamerika. So entwickelt Mercedes für die Baureihe 124 neue Sechszylindermotoren und eine ganze Palette von Dieselmotoren mit vier, fünf und sechs Zylindern ohne und mit Aufladung.

Parallel dazu wird an der Gestaltung der neuen Limousinen gearbeitet. Das Ziel ist ein im Vergleich zu den Vorgängern leichteres und deutlich aerodynamisch optimiertes Fahrzeug bei weiter stark verbesserter Sicherheit. Parallelen bei Technik und Design gibt es zwischen der künftigen Baureihe 124 und der neuen Kompaktklasse W 201 alias 190, die parallel entwickelt und bereits zwei Jahre vor der oberen Mittelklasse auf den Markt kommen wird. 1977 entstehen erste Projektbeschreibungen und zehn Plastilin-Modelle des W 124 im Maßstab 1:5, im Lastenheft wird ein Luftwiderstandsbeiwert von cW = 0,32 angestrebt. Der Vorstand entscheidet 1981 anhand von sieben Tonmodellen in Originalgröße das endgültige Design. Ähnlich wie beim 190 setzt auch sein großer Bruder auf maximale Sachlichkeit, die Zeiten fetten Chroms wie noch beim Vorgänger sind vorbei.

Mercedes-Benz präsentiert vor 35 Jahren die Baureihe 124

Um die neue Fahrzeuggeneration umfassend zu erproben, startet Mercedes 1982 eine Serie von Unfallversuchen und unternimmt ausgiebige Fahrerprobungen mit rund 60 Fahrzeugen in ganz unterschiedlichen Klimazonen. Unter anderem wird der W 124 in der Hitze Afrikas, auf dem Hochgeschwindigkeitskurs Nardò in Italien, auf der spanischen Höhenstraße Sol y Nieve 3.392 Meter über dem Meer, in Kanada und Skandinavien (Arjeplog) sowie in den Alpen getestet.

Vom 26. November bis 8. Dezember 1984 präsentiert die Stuttgarter Marke schließlich die neuen Limousinen in der Nähe von Sevilla internationalen Journalisten. Für Testfahrten stehen Fahrzeuge vom 200 D (dem legendären Taxi-Diesel mit 72 PS) bis zum 300 E mit 190 PS zur Verfügung. Das Fahrzeugkonzept mit der stabilsten Fahrgastzelle seiner Klasse, höherer Effizienz und beeindruckenden cW-Werten von 0,29 bis 0,30 je nach Motorisierung und Ausstattung, kommt bei den Fachleuten sehr gut an. Bei den Typen mit Ottomotor stoßen insbesondere 260 E und 300 E mit den neuen Sechszylindermotoren M 103 auf großes Interesse.

Die Limousinen der Baureihe 124 starten im Jahr 1985 mit drei Dieselvarianten (200 D, 250 D und 300 D), dem Mercedes 200 mit 2,0-Liter-Vergasermotor sowie vier Ottomotor-Typen mit Benzineinspritzung (200 E (bis 1988 nur für Italien), 230 E, 260 E und 300 E) in den Markt. Doch der 124er hat mit Startproblemen zu kämpfen: Einigen Kunden ist die Optik zu nüchtern geraten, Taxifahrer monieren den "Bonanza-Effekt", ein Aufschaukeln des Motorblocks bei Dieselfahrzeugen mit Schaltgetriebe.

Mercedes-Benz präsentiert vor 35 Jahren die Baureihe 124

In den folgenden Jahren wird die Baureihe 124 jedoch verbessert, weiterentwickelt und das Typenprogramm erweitert. So bietet die Stuttgarter Marke ab 1985 den automatisch zuschaltenden Vierradantrieb 4MATIC für die Sechszylinder-Typen an. Er ist Bestandteil des damaligen "Mercedes-Benz Fahrdynamikkonzepts", zu dem auch das Automatische Sperrdifferential (ASD) und die Antriebsschlupfregelung (ASR) gehören. Eine Abgasturboaufladung ergänzt 1987 im Typ 300 D Turbo die bisherigen Typen mit Vorkammer-Dieselmotor. Auf der IAA 1989 wurde die erste umfassende Modellpflege gezeigt: Neu waren breite umlaufende Schutzleisten in Kontrastfarbe, innen wertete mehr Holz das Cockpit und die Türverkleidungen auf.

Die Baureihe 124 ist eine ausgesprochen vielseitige Generation der oberen Mittelklasse von Mercedes: Einerseits bewähren sich Limousinen und T-Modelle als Taxis, Fahrgestelle werden unter anderem zu Krankentransportwagen und zu Bestattungsfahrzeugen aufgebaut. Andererseits setzen Coupé und Cabriolet Maßstäbe für sportlichen Luxus in diesem Fahrzeugsegment. Die V8-Versionen 400 E (279 PS) und der bei Porsche montierte 500 E (326 PS) sowie der E 60 AMG (381 PS) schließlich positionieren die W 124 im Bereich der absoluten Hochleistungslimousinen ihrer Zeit.

Im Juni 1993 bekommt die Baureihe 124 nicht nur ein weiterers Facelift mit leichten Änderungen an Front- und Heckpartie, sondern im Zuge der Nomenklatur-Umstellung auch den Namen E-Klasse. Gleichzeitig verändert sich das System der Typbezeichnung. Aus dem 500 E beispielsweise wird der E 500, aus dem 200 D der E 200 Diesel. 1995 endet die Produktion der Limousinen im Werk Sindelfingen, 1996 läuft auch die Herstellung von Teilesätzen aus (ckd = completely knocked down). In elf Jahren werden 2.213.167 Limousinen gebaut, insgesamt sind es 2.737.860 Fahrzeuge der Baureihe 124 – das macht sie zur bislang erfolgreichsten E-Klasse von Mercedes.

Bildergalerie: Mercedes-Benz präsentiert vor 35 Jahren die Baureihe 124