Auch dreieinhalb Jahre nach Bekanntwerden der VW-Dieselaffäre im Herbst 2015 sind noch längst nicht alle Fakten bekannt. Das zeigen nun tausende interne Dokumente zum Thema, die dem Bayerischem Rundfunk und dem Handelsblatt vorliegen. Danach baute VW-Tochter Audi in viele Modelle nicht nur eine, sondern vier Abschalteinrichtungen ein.
Bei den neuen Erkenntnissen geht es um größere Euro-6-Dieselmotoren. Betroffen sind Modelle von Audi, aber auch von Porsche und VW, insgesamt über 200.000 Fahrzeuge in Deutschland. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat die Modelle Anfang 2018 zurückgerufen. Damals hieß es, in den Fahrzeugen sei eine Abschalteinrichtung verbaut, nämlich die sogenannte "Motoraufwärmfunktion". Doch die Bescheide des KBA zeigen: Audi setzte nicht nur eine, sondern meist vier Abschalteinrichtungen ein, von denen das KBA aber nur die Aufwärmfunktion als unzulässige Abschalteinrichtung einstufte. Die anderen drei Schummelmethoden sollte Audi "freiwillig" aus der Software entfernen. Dabei geht aus den Bescheiden hervor, dass die Behörde die meisten Modelle nicht selbst geprüft hat, sondern sich auf Angaben des Unternehmens stützte.
Offenbar war die Behörde davon ausgegangen, dass alle vier Methoden Abschalteinrichtungen seien, die nicht für den Motorschutz nötig seien. Der Motorschutz ist der einzige legale Grund für ein Abschalten der Abgasnachbehandlung. Danach müssten eigentlich alle vier Methoden illegal sein.
Die Staatsanwaltschaft München II, die in Sachen Dieselaffäre bei Audi ermittelt, sieht die Arbeit des KBA kritisch. Nach den nun von BR und Handelsblatt vorliegenden internen Papieren forderte ein Staatsanwalt das KBA 2016 auf, bei Erkenntnissen über illegale Abschalteinrichtungen nicht zuerst Audi, sondern vorher die Staatsanwaltschaft zu kontaktieren.
2017 schrieb der Staatsanwalt einen Brief, in dem er das KBA zu besserer Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden aufruft. Er spricht davon, dass sonst der Straftatbestand einer (zumindest versuchten) Strafvereitelung erfüllt sein kann.
Dem Rechercheverbund von BR und Handelsblatt liegen auch zahlreiche Dokumente zu Audi-Interna vor. Danach gab es sogar einen Ingenieur, der aus der Dieselaffäre ein Gedicht machte. Darin macht er sich über die Unfähigkeit der deutschen und amerikanische Behörden lustig, die Schummelei zu durchschauen. Darin heißt es unter anderem: "Defeat device, komm her zu mir! Gar schöne Spiele spiel ich mit dir; Manch‘ Schweinerei liegt auf der Hand, die ich will verdecken mit nem Hystereseband." Das Gedicht stammt aus dem Jahr 2003. Das zeigt, wie weit die Schummelei zurückgeht. Damals wurden mit der so genannten Akustikfunktion bei den Abgasuntersuchungen geschummelt, und zwar bei Euro-4-Modellen.