Das Zeichnen eines Bugatti kann als die schönste Arbeit der Welt angesehen werden. Achim Anscheidt weiß das und tut nichts, um es zu verbergen, denn "noch heute kneife ich mich, um zu sehen, ob das alles echt ist", aber der Job als Designchef einer so prestigeträchtigen und anspruchsvollen Marke hat seine Kehrseiten: zum Beispiel die Beschäftigung mit technischen Aspekten, die bei der Arbeit an einem über 400 km/h schnellen Fahrzeug mit vier Turboladern und 1.500 PS von großer Bedeutung sind.
Anscheidt sprach mit unserem Kollegen Alessandro Lago von Motor1.com Italien über diese und andere Themen während eines Interviews auf dem Genfer Automobilsalon 2019, wo die französische Marke (im Besitz des Volkswagen-Konzerns) ein ganz besonderes Einzelstück auf der Grundlage des Chiron präsentierte: Es heißt La Voiture Noire und ist ein Hypercar, das sich an dem legendären Bugatti Typ 57 SC Atlantic von 1936 orientiert. Auftraggeber des Gerüchten zufolge gut elf Millionen teuren Wagens war kein Geringerer als der frühere Volkswagen-Konzernchef Ferdinand Piëch.
Was sind die Herausforderungen eines so ambitionierten Projekts?
"Die größte Schwierigkeit für einen Designer besteht nicht darin, sich das Auto vorzustellen oder Inspiration zu finden. Alles dreht sich um die Balance mit anderen Ingenieuren, denn der Antrieb und Motor des Chiron sind so komplex, dass wir Designer nicht einfach zeichnen können, wie wir wollen: Wenn wir das tun, sagen die Techniker nein, nein und immer noch nein, oder dass die Temperaturen zu stark ansteigen würden oder dass der Motor an Effizienz verliert. Auf dieser Basis muss ein Designer arbeiten."
"Der Antrieb und Motor des Chiron sind so komplex, dass wir Designer nicht einfach zeichnen können, wie wir wollen"
Ist das gezeigte Auto endgültig oder muss es noch fertiggestellt werden?
"Das Ergebnis ist sehr nah am finalen Ergebnis, aber das in Genf ausgestellte "La Voiture Noire" ist noch eine Designstudie. Das bedeutet, dass es zu leichten Änderungen kommen kann."
Gibt es aus technischen Gründen einzigartige Details?
"Der Teil, der uns am meisten beschäftigt hat, war die Kühlung des Motors. Um den Anforderungen der Ingenieure zu entsprechen, haben wir hinten eine perforierte Struktur hinzugefügt, aber auch das reichte nicht aus. Dann haben wir die Rücklichter angehoben.
"Mehr Luft strömt aus dem Heck, so dass der W16 auch bei einer Geschwindigkeit des La Voiture Noire von über 300 km/h nicht überhitzt."
Was ist der Grund für den Namen La Voiture Noire?
"Bugatti baute von 1936 bis 1938 vier Typ 57 SC Atlantic, aber nur drei haben überlebt. Eigentlich haben nur zwei wirklich überlebt - einer wurde bei einem Unfall komplett zerstört und mehr oder weniger wie eine Nachbildung wieder aufgebaut, muss ich sagen. Aber selbst dieses Auto ist heute mehr als 10 Millionen Euro wert, nur weil das Thema Atlantic in der Bugatti-Historie und in der Automobilgeschichte solch einen Stellenwert hat. Das vierte Auto, "La Voiture Noire", war Jean Bugattis Privatwagen. Nur er und seine Freunde, die Grand-Prix-Piloten, durften dieses Auto fahren. Leider starb Jean tragisch bei einem Testunfall sechs Wochen vor Beginn des Zweiten Weltkriegs. Als dann das Molsheimer Werk besetzt war, entkam alles aus dem Molsheimer Werk in Zügen in Richtung Bordeaux auf die andere Seite des Landes. In diesem Transport ging das Auto verloren. Niemand weiß bis heute, wo es steht. Deshalb sprechen wir von "La Voiture Noire" als dem automobilen Bernsteinzimmer, das, wie Sie wissen, dem russischen Zaren von den Deutschen geschenkt wurde. Sehr wertvoll, aber seit Kriegsende verschwunden."
Wann entstand die Idee für dieses einzigartige Auto?
"Wir hofften schon seit mehr als zehn Jahren auf dieses Projekt. Das Design war vor zehn Jahren noch nicht fertig, aber die Idee, eine Geschichte über den fehlenden Atlantic zu schreiben, geisterte uns schon lange im Kopf herum und ich hatte bis heute keine Chance, dies wirklich umzusetzen. Nun kam die Gelegenheit mit einer Strategie, den Chiron, der bereits stückzahlmäßig begrenzt ist, zu nutzen, dann den Divo bis hin zu einem Auto nur für einen Kunden. Also fünfhundert Autos, vierzig Autos, ein Auto. Es ist eine Haute-Couture-Strategie, die wir hier verfolgen."
Was unterscheidet La Voiture Noire vom Divo?
"Sie könnten nicht unterschiedlicher sein, denn aus unserer Sicht sind sie das Gegenteil voneinander. Mit dem Divo wollten wir uns auf Geschwindigkeit in Kurven und auf der Strecke konzentrieren, während La Voiture Noire ein Gran Turismo ist, um von den Alpen in die Toskana oder nach Rom zu fahren. Sie reisen stilvoll und elegant mit dem exklusivsten Auto der Welt und haben die Möglichkeit, ein wenig Gepäck mitzunehmen."
"Es ist ein touristischeres Auto als der Divo, aber mit der für unsere Marke typischen Leistung, der Faszination und der Eleganz."