Wir schreiben das Jahr 1936: In Berlin finden die Olympischen Spiele statt und irgendwo in Stuttgart laufen die ersten Versuche eines kugeligen ,Volkswagen". Doch die Frage der Volksmotorisierung treibt alle deutschen Autofirmen um, seitdem die braunen Machthaber dieses Ziel unter anderem mit der Abschaffung der Kfz-Steuer forcieren. Opel kann mit dem günstigen P4 punkten. Dessen Nachfolger wird 1936 vorgestellt und führt einen Namen ein, der zur Legende wird. Kadett.

Der VW-König enthüllt den Kadett
Das Tuch vom Kadett zieht vor 80 Jahren Heinrich Nordhoff, damals technischer Berater der Opel-Verkaufsleitung. Ganz genau: Jener Nordhoff, der nach dem Krieg für den Aufstieg des VW-Konzerns verantwortlich ist. Das Know-how der Massenfertigung bringt er von der General-Motors-Tochter Opel mit. Beim 3,81 Meter langen Kadett kommen Dinge zum Einsatz, die uns heute sehr bekannt vorkommen. Etwa ein Baukastensystem: Das Fahrwerk mit blattgefederter Hinterachse stammt vom größeren Olympia, dem der Kadett optisch ähnelt. Den seitengesteuerten Grauguss-Vierzylinder mit 23 PS erbt der Kadett vom P4. Fast 100 km/h ist der kleinste Opel schnell, damals mehr als ausreichend.

Befehls-Empfänger
In anderen Bereichen ist der erste Kadett sehr modern: Er weist eine selbsttragende Karosserie auf, die in Rüsselsheim gefertigt wird, seinerzeit das größte Presswerk Europas. Zu haben ist der Opel als Limousine oder ,Cabrio-Limousine", die Preise beginnen ab 2.100 Reichsmark. Dafür bekommt der Kunde einiges serienmäßig, was uns heutzutage eher kurios vorkommt: Eine hydraulische Vierradbremse, Fahrtrichtungsanzeiger oder auch ein staubdichter, von innen zugänglicher Gepäckraum. Die Presse zeigt sich angetan: Der Kadett reagiere ,genauso flink, wendig und gehorsam auf alle Befehle des Fahrers wie man es von karierremachenden Kadetten erwartet", schreibt die ,Kölnische Zeitung" ziemlich zackig.

Von Hessen in die Sowjetunion
Der Erfolg des Kadett lässt nicht lange auf sich warten: Im Jahr 1938 hält er einen Marktanteil von 59 Prozent in seiner Klasse und wird geliftet. Parallel bringt Opel eine abgespeckte Version für nur 1.785 Reichsmark, um auf den KdF-Wagen, wie der VW Käfer anfangs heißt, zu reagieren. Dieser kostet subventioniert nur 990 Mark, realistisch läge der KdF-Wagen nur knapp unter dem Niveau des Spar-Kadett. Exakt 107.608 Exemplare baut Opel bis zum kriegsbedingten Ende im Jahr 1940 vom Kadett. Doch sowohl das Auto als auch der Name leben weiter. 1947 demontieren die Sowjets die Kadett-Fertigungsanlagen in Rüsselsheim, um den Wagen als Viertürer bis 1954 unter der Bezeichnung ,Moskwitsch 400" weiterzubauen. Erst 1962 baut Opel wieder einen Kadett: In einem neuen Werk entsteht das A-Modell, von dem in nur drei Jahren fast 650.000 Fahrzeuge vom Band rollen. Mit dem Ende des Kadett E im Jahr 1991 wird auch die berühmte Bezeichnung beerdigt. Die Zukunft heißt Astra, ein Name, den der Kadett als nahezu baugleiche Vauxhall-Version in England schon seit 1980 trägt. Bis heute liefen über 24 Millionen Opel Kadett und Opel Astra vom Band.

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