Campingurlaub mit dem eigenen (oder gemieteten) Auto boomt. Immer mehr Menschen schätzen das dadurch propagierte Freiheitsgefühl in der schönsten Zeit des Jahres. Und auf den entsprechenden Stellplätzen eint am Ende des Tages alle die gleiche Leidenschaft. Camping. Geil. Egal ob man jetzt mit dem klapprigen Sprinter-Selbstausbau von 1987 oder einem Luxus-Wohnmobil à la Morelo mit Backofen und Fußbodenheizung unterwegs ist.
Aber irgendwo dazwischen kann man dann die kompakten Camper halbwegs trennscharf von den anderen Klassen abgrenzen. Also Fahrzeuge, die auf leichten Nutzfahrzeugen aufbauen. Der VW California, der aktuell immer noch auf dem T6.1-Grundgerüst hergestellt wird, ist da in gewisser Weise eine Art Gründungsmitglied dieser Outdoor-Bande.
Mittlerweile ist das Angebot aber deutlich größer geworden und viele Hersteller versuchen, einen Teil vom Vanlife-Kuchen abzubekommen. Beispielsweise mit einem vermeintlich deutlich besseren Preis-Leistungs-Verhältnis. Denn so ein California lässt sich im Konfigurator relativ leicht auf über 100.000 Euro gestalten.
Was ist das?
Auftritt ... Crosscamp, die als Submarke von Dethleffs (wiederum Teil der Erwin Hymer-Gruppe) diese Fahrzeugart auch auf Opel Zafira- oder Toyota Proace Verso-Basis herstellt. Und zwar eigentlich mit den etwa gleichen Ausstattungsfeatures, die man so für einen gelungenen Urlaub ohne viel Infrastruktur braucht.
Nur halt eben für einen Bruchteil des Preises. So startet unser Crosscamp Flex mit dem Toyota-Logo, 2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel, 177 PS und 8-Gang-Automatik bei gerade einmal 57.198 Euro. Kann das Konzept funktionieren? Um dies herauszufinden, unternehmen wir eine zweiwöchige 7.000-km-Testfahrt in den skandinavischen Frühsommer!
Bevor es losgehen kann, muss aber doch einiges an Gepäck verstaut werden. Klamotten für wechselhafte Witterungsverhältnisse, Angel-Equipment, ein Standup-Paddling-Board, Hygiene-Artikel, Wandersachen, Kochutensilien, ein Grundstock an Lebensmitteln, Schlafzeug und diverser Kleinkram für die beiden menschlichen Reiseteilnehmer.
Dazu noch eine große Kiste mit Futter, alten Handtüchern, Spielsachen und verschiedenen Leinen sowie Geschirre für den Hund. Uff. Wuff. Viel Zeug. Mit etwas Geduld und jahrelanger Tetris-Erfahrung bekommen wir aber alle Dinge unter, wie Sie hier bewundern können:
Und das ist schon ziemlich erstaunlich. Denn mit einer Außenlänge von gerade einmal 4,96 Metern ist der Crosscamp nicht gerade groß. Dazu kommt, dass wertvoller Stauraum unter dem zweiflammigen Gaskocher und dem Spülbecken von der 2,8-kg-Gasflasche sowie je einem 10-Liter-Abwasser- und einem 10-Liter-Frischwasser-Kanister okkupiert wird.
Kein Gasfach im Heck, keine Wassertanks unter dem Fahrzeug. Aber wie gesagt: Alles hat gepasst. Wenn auch das untere Bett jetzt als Ablage genutzt wird und so nicht mehr als flott entfaltbare Schlafstätte herhalten kann.
Entspannte Fahrt, geringer Verbrauch
Abfahrt. Bis an den Polarkreis soll es gehen. Ganz schön weit. Deshalb verbringen wir die ersten beiden Tage eigentlich nur hinterm Steuer auf Autobahnen und Schnellstraßen. Gar kein Problem, denn so ein Proace Verso fährt sich eigentlich fast wie ein Pkw.
Das 8-Gang-Getriebe hält die Drehzahl (und damit den Geräuschpegel) auch bei rund 130 km/h Reisegeschwindigkeit recht niedrig, der kraftvolle und sehr dezent im Hintergrund arbeitende Diesel hat stets Reserven für Zwischenspurts. Zusammen mit dem Abstandstempomat fährt man so relativ ermüdungsfrei. Und man kann Verbräuche unter 7 l/100km herausfahren. Starkes Langstrecken-Reisemobil.
So erreichen wir gut erholt im Nullkommanix die höher gelegenen Regionen von Schweden und schlagen unser erstes von vielen Nachtlagern unweit eines Sees auf. Ohne Infrastruktur. Jedermannsgesetz sei Dank. Dabei ist nach der finalen Ankunft an einem für gut befundenen Stellplatz eigentlich nicht viel zu tun.
Das manuelle Hochdach lässt sich mit wenigen Handgriffen öffnen und wir vermissen die elektrisch betriebenen Varianten der Konkurrenz eigentlich nicht. Und die Sitze in der ersten Reihe sind auch schnell entgegen der Fahrtrichtung gedreht. Fertig.
Vor dem Auto für Campingstimmung zu sorgen, dauert da schon etwas länger. Unsere Klappstühle sind nämlich umständlich im Heck verstaut, die Kurbel für die Markise befindet sich in einer Tasche an der mit Gepäck zugestellten Rücksitzlehne.
Und der Crosscamp-Tisch, der sowohl für den Einsatz im Innenbereich als auch für vor dem Fahrzeug konzipiert ist, muss zeitaufwändig von unter dem hinteren Teil der Matratze hervorgeholt werden. Alles hat seinen Platz, ja, wichtig, aber die Plätze sind teilweise nicht ganz optimal gewählt.
Auf ins Abendprogramm
Wie jeden Abend wird auch jetzt wieder eine warme Mahlzeit gekocht. Damit der eingebaute Kocher funktioniert, muss das Hochdach aufgeklappt sein und die Matratze muss ebenfalls in die obere Position gebracht werden. Dann hat man einerseits Stehhöhe und andererseits wird ein Sicherheitsschalter freigegeben, der vorher den Gasfluss unterbricht.
Damit aber überhaupt Gas fließen kann, heißt es: Einmal ums Auto rum, zweite Schiebetür öffnen, Serviceklappe entriegeln, Gashahn an zwei Stellen aufdrehen und anschließend noch einen zweiten Sicherungsschalter seitlich am Küchenelement drücken. Klingt umständlich. Ist es auch. Man gewöhnt sich aber dran.
Die Lebensmittel, die keine Kühlung benötigen, haben wir in zwei großen Kisten hinter der Rücksitzbank untergebracht. Alle anderen Dinge haben in dem kleinen 16-Liter-Kühlschrank ihren Platz gefunden, der sich von oben mittels Klappe öffnen lässt. Töpfe, Pfannen und andere Dinge stehen in einer weiteren Kiste neben dem Küchenblock, Geschirr ist in einem der oberen Staufächer untergebracht und Besteck sowie Gewürze lagern in den zwei Schubladen.
Was fehlt? Eine gute Arbeitsfläche. Hierfür müsste man jetzt den Tisch von draußen wieder rein räumen. Also nutzen wir lieber die Glasabdeckung des Spülbeckens für Schneidearbeiten. Guten Appetit.
Weil nach dem Essen aber vor dem Aufräumen ist, muss anschließend natürlich gespült werden. Und da reicht die Größe des Beckens locker aus. Und auch mit den Wassertanks kommen wir locker über 2 bis 3 Tage. Plus Zähneputzen, Katzenwäsche und der morgendlichen Wasserentnahme für den Kaffee. Passt. Der Doggo hat es da übrigens leichter. Der bekommt sein Trockenfutter. Jeden Tag. Aus dem gleichen Napf. Vor dem Auto und ohne Besteck oder Tisch. So ein einfaches Hundeleben.
Fast fertig für die Nacht
Jetzt ist es aber Zeit, sich bettfertig zu machen. Die dazu notwendigen Kulturbeutel befinden sich in der praktischen Fenstertasche. Easy. Etwas Übung erfordert dann wieder der Aufstieg über die Rückenlehnen der Vordersitze zum äußerst geräumigen und sehr bequemen Bett in der ersten Etage. Wir schlafen dort zu zweit. Ohne Probleme und Kabbeleien.
Ebenfalls nette Features da oben? Die Schwanenhals-Leseleuchten mit USB-Anschluss und die Belüftungsöffnungen mit Fliegengitter sowie das luftundurchlässige Fenster auf der Beifahrerseite. Gute Nacht. Obwohl ... Verdunklung vergessen. Etwas Übungssache mit den passenden Thermomatten für die Fenster.
Diese oben beschriebenen Routinen schleifen sich aber irgendwann perfekt ein und Dinge, die man zu Anfang der Reise vielleicht noch als lästig und unpraktisch empfunden hat, werden zum Alltag, den man mit links erledigt. So geht es Tag für Tag weiter nördlich, die Temperaturen fallen und die leise Diesel-Standheizung ist mittlerweile Gold wert.
Sie läuft ein paar Nächte sogar durch, damit der unten im Wohnraum schlafende Hund bei +/- 0 Grad Celsius nicht frieren muss. Wir haben ja gute Schlafsäcke. Der Wuff glaubt allerdings nicht an das Konzept einer Decke.
So schmelzen die Urlaubswochen kurzweilig dahin. Und selbst windreiche Regentage lassen sich gut zu dritt im Inneren des kompakten Crosscamp Flex aushalten. Und die geringen Ausmaße haben noch echte Vorteile. Ausflüge nach Trondheim oder Oslo sind kein Problem.
Einen Parkplatz findet man überall. Außerdem spart man bei Fährüberfahrten und den Mautgebühren, da man als Pkw abgerechnet wird. Ganz nett, oder? Aber eben auch kein Vorteil gegenüber der Segment-Konkurrenz.
Von Vorteilen und Erinnerungen
Aber was sind dann die Vorteile? Gibt es überhaupt welche? Oder dominieren gar die Nachteile? All diese Fragen lassen sich nach der erwähnten Reiseroute über deutsche Autobahnen, schlechte wie enge Landstraßen in Norwegen, Schotterpisten in Schweden und immer traumhaft schönen wie versteckten Schlafplätzen im Hinterland abseits der Touristenströme in einer kurzen Quintessenz beantworten.
Es ist der Preis, der hier die Musik macht, denn auch wenn der Crosscamp Flex vielleicht nicht ganz so durchdacht wie ein California ist und die Umbauten an manchen Stellen eher einen Hobby-Charakter haben, so bekommt man doch alle Funktionen und Annehmlichkeiten, die auch ein entsprechender VW zu bieten hat. Nur halt eben (wenn man es wirklich darauf ankommen lässt) für 20.000 bis 30.000 Euro weniger.
Ja ... für das Geld kann man ganz schön viele Reisen unternehmen und eigentlich unbezahlbare Erinnerungen schaffen. Und so erinnern wir uns in der Retrospektive auch eher an eine komfortables Reisegefühl, fantastische Angelgewässer, Hundespaziergänge an verlassenen Stränden, Wandertouren durch unberührte Nationalparks oder atemberaubende Fährfahrten durch Fjorde, als an die fummeligen Verdunklungen, den wackeligen Tisch oder einen etwas kleinen Kühlschrank. Punkt.