Bei Tempo denkt man an Taschentuch und bei Tesa an Klebeband. Es gibt viele Fälle, in denen ein Name zum Synonym für eine ganze Gattung wird. Beinahe ähnlich verhält es sich bei Dienstwagen mit Kombiheck und Diesel: Der VW Passat Variant wird bereits seit Jahren als das Vertreterauto schlechthin angesehen. Die nackten Zahlen belegen es: Von insgesamt 66.496 im Jahr 2010 neu zugelassenen Passat gingen 88,3 Prozent an gewerbliche Halter, eine Rekordquote in der Mittelklasse. Seit kurzem schickt VW den Passat geliftet an den Start. In unserem Vergleichstest muss sich der Wolfsburger Kombi mit dem brandneuen Peugeot 508 SW und dem gereiften BMW 3er Touring messen. Können beide ein Stück vom Passat-Kuchen abknapsen? Wir haben den VW Passat Variant 1.6 TDI BlueMotion Technology mit dem BMW 316d Touring und dem Peugeot 508 SW e-HDi FAP 110 EGS6 verglichen.

KAROSSERIE/INNENRAUM
Beim Erstkontakt mit dem deutsch-französischen Trio fällt sofort auf, dass der BMW der kürzeste Wettbewerber ist. Mit einer Länge von 4,53 Meter unterbietet er seine Konkurrenten deutlich. Der VW ist mit 4,77 Meter 25 Zentimeter länger, beim Peugeot (4,81 Meter) beträgt die Differenz sogar 28 Zentimeter. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Raumangebot im 316d: Für Personen über einer Körperlänge von 1,85 Meter wird es auf der Rückbank bereits eng. Speziell die Beinfreiheit ist allenfalls ausreichend, obwohl der Radstand mit 2,76 Meter sogar über dem des Passat liegt. Auch beim Kofferraum müssen sich 3er-Piloten einschränken: Ins Gepäckabteil des Touring passen zwischen 460 und 1.385 Liter. Immerhin punktet der BMW serienmäßig mit einer separat zu öffnenden Heckscheibe. Deutlich mehr hat das Hinterteil des 508 SW zu bieten, hier können zwischen 560 und 1.598 Liter verstaut werden. Zudem verwöhnt der Franzose durch den mit 2,82 Meter längsten Radstand die Insassen mit großzügigen Platzverhältnissen. Das modisch-elegante Äußere bringt indes auch Nachteile mit sich: Die nach hinten abfallende Dachlinie sorgt gemeinsam mit breiten D-Säulen und einem schmalen Heckfenster für eine schlechte Sicht nach hinten. Umso unverständlicher ist es, dass Peugeot hintere Parkpiepser nicht serienmäßig einbaut. Auf ein eher unterkühltes Design setzt der Passat auch nach der Überarbeitung im Herbst 2010. Seitdem ist das Chromlätzchen an der Frontpartie Geschichte, der VW blickt kantiger in die Welt hinaus. Hinzu kommen modifizierte Rückleuchten, doch die inneren Qualitäten sind gleich geblieben. Mit einem Kofferraumvolumen von 603 bis 1.731 Liter setzt sich der Passat in dieser Disziplin an die Spitze der drei Testkandidaten. Pluspunkte sammeln 508 SW und Passat Variant außerdem durch eine gut nutzbare Rechteck-Form des Gepäckabteils, zudem können die Rücklehnen mit einem Hebel in Höhe der Ladeöffnung entriegelt werden.

Peugeot auf Augenhöhe mit VW
Da wir gerade beim Thema Bedienung sind, werfen wir ein Blick auf die Cockpits unserer Probanden. Im BMW genießt der Fahrer eine auf ihn zugeschnittene Armaturentafel. Alle Knöpfe sind griffgünstig positioniert, die Bedienung des Multimediabereichs über den iDrive-Controller auf der Mittelkonsole klappt nach kurzer Eingewöhnungszeit hervorragend. In Sachen Material und Verarbeitung gibt es nichts auszusetzen, schließlich steht BMW für einen Premium-Anspruch. Sehr empfehlenswert sind die optionalen Sportsitze, die mit mustergültigem Seitenhalt glänzen. Ebenfalls top verarbeitet ist die Kommandozentrale im Passat, allerdings fallen hier die verwendeten Materialien eine Spur schlichter aus. Die Tapezierung in diversen Schwarz-Tönen wird durch etwas deplatziert wirkende Chromelemente aufgewertet. Dennoch bleibt als Eindruck eine perfektionierte Langeweile, doch genau das ist es, was viele Kunden wollen: Einsteigen und losfahren. Dafür sorgt schon die eingängige Bedienung aller wichtigen Elemente, wenngleich der Navi-Bildschirm und die Klimaregelung etwas zu tief angebracht sind. Bei den Sitzmöbeln ist die Beinauflage ein wenig zu kurz geraten, ansonsten sind die Sessel straff gepolstert und geben guten Seitenhalt. Eine angenehme Überraschung erleben wir im Peugeot 508: Sowohl die Qualität der Kunststoffe als auch deren Verarbeitung befinden sich locker auf Passat-Niveau, zudem ist das Layout der Instrumente sehr nobel geworden. Auch im Peugeot befindet sich ein Controller in der Mittelkonsole, allerdings bedarf seine Bedienung einer längeren Eingewöhnungsphase. Gleiches gilt für das mit Tasten überfrachtete Multifunktionslenkrad, welches allein sechs Knöpfe für den Tempomat aufweist. Verbesserungswürdig sind zudem die arg kleinen Lämpchen auf den Tasten der Klimaregelung. Trotzdem: Gut gebrüllt, Löwe!

MOTOR/GETRIEBE
Alle drei Kombis im Test rollen mit dem jeweils kleinsten Diesel an den Start. Bei der Modellbezeichnung schummelt BMW ein wenig, denn im 316d Touring arbeitet ein auf 115 PS gedrosselter Zweiliter-Motor. Beim Passat Variant 1.6 TDI befindet sich ein 1,6-Liter-Diesel mit 105 PS unter der Haube. Damit ist der VW auf dem Papier der schwächste Kandidat des Trios, weil der 508 SW e-HDi FAP 110 aus seinen 1,6 Litern Hubraum 112 PS holt. Während das deutsche Doppel auf konventionelle Schaltgetriebe setzt, bekommt der Peugeot-Kunde ein automatisiertes Schaltgetriebe mit sechs Gängen, das auf den Namen EGS6 hört. Nur in dieser Kombination ist wie bei BMW und VW ein Start-Stopp-System mit an Bord. Wer unbedingt klassisch schalten möchte, muss zur Basisversion ,Access" greifen und erhält dann fünf Gänge. Hier wäre Peugeot gut beraten, den Kunden zumindest die Wahl zwischen beiden Getriebevarianten zu lassen, denn wer die bessere ,Active"-Ausstattung mit dem 112-PS-Diesel haben will, kommt an EGS6 nicht vorbei.

Kräftig sparen
Die überzeugendste Kraftentfaltung des Feldes bietet trotz seiner 105 PS der Passat. Er profitiert von der Tatsache, dass der laufruhige Selbstzünder bereits bei 1.500 Umdrehungen ein Drehmomentmaximum von 250 Newtonmeter bereitstellt. Hinzu kommt eine optimale Abstufung der einzelnen Gänge, die den VW spritziger wirken lässt, als es vom Papier her den Anschein hat: Hier stehen für den Sprint von null auf 100 km/h 12,5 Sekunden zu Buche. Mit 12,3 Sekunden geringfügig besser ist der Peugeot, während der BMW dank des PS-Plus mit 11,2 Sekunden forsch nach vorne prescht. Sein Selbstzünder verlangt nach etwas höheren Drehzahlen, wie beim Peugeot liegt der Tourengipfel erst bei 1.750 Umdrehungen an. Eingebremst wird der 316d Touring durch eine lange Getriebeübersetzung, so sind im vierten Gang maximal 50 km/h möglich. Auf der Autobahn muss bei zu starkem Tempoverlust zurückgeschaltet werden, was allerdings wegen kurzer Wege und präziser Führung durchaus Spaß macht.

Schalten und schalten lassen
Von ganz anderem Kaliber ist die Kraftübertragung im Peugeot: Wer erstmals die Bekanntschaft mit EGS6 macht, wird sich über die harten Schaltrucke des automatisierten Schaltgetriebes wundern. Bleibt man während des Gangwechsels auf dem Gas, nickt der Vorderwagen spürbar ein und man glaubt, abzubremsen. Auch bei behutsamen Umgang mit dem Gaspedal ist der Schaltvorgang deutlich wahrnehmbar, zumal die Drehzahl abrupt sinkt. Nach einiger Zeit mit EGS6 kommt es nicht nur zu einer Gewöhnung des Fahrers an das System, sondern auch zu einem Lerneffekt der Technik. Das besondere Getriebe passt sich dem persönlichen Fahrstil an, die Schaltpausen kommen weniger hart. Wer mag, kann auch im manuellen Modus per Paddels am Lenkrad schalten. Wird hier im während des Schaltvorgangs der Fuß vom Gas gelupft, vollzieht sich der Wechsel fast unmerklich. Eine weitere Option ist der Sportmodus, in dem der Motor länger ausdreht. Allerdings wird dann das ansonsten laufruhige Aggregat lärmig, zudem stehen die hohen Drehzahlen im Kontrast zum Spargedanken des e-HDi-Konzepts. Als unpraktisch erweisen sich die zu kleinen Lämpchen neben den Fahrstufen, hier müsste deutlicher gekennzeichnet sein, welcher Modus gerade eingelegt ist. Pluspunkte sammelt der Peugeot mit seinem sehr agilen Start-Stopp-System, während das des BMW schon bei Temperaturen knapp oberhalb des Gefrierpunkts die Arbeit quittiert. Unter dem Strich lässt sich für das Diesel-Trio festhalten: Brachiale Reißer sind die Aggregate nicht, das verhindern schon die Leergewichte der Fahrzeuge im Bereich von 1,6 Tonnen. Dennoch reichen die kleinen Selbstzünder für den normalen Betrieb allemal aus.

FAHRWERK/LENKUNG
Besitzer von Mittelklasse-Kombis werden ihre Wagen nur höchstselten über den Nürburgring jagen. Trotzdem ist die Rolle des Fahrwerks nicht zu unterschätzen, denn unsere Testkandidaten sind häufig auf der Langstrecke unterwegs. Der BMW 316d spielt die sportliche Karte aus und präsentiert sich im Stil der Marke mit einer straffen Abstimmung. Grobe Unebenheiten vermag die Hinterachse nicht wegzufiltern, trotzdem werden Schläge nur selten zu den Passagieren durchgereicht. Referenzcharakter hat die Lenkung. In Verbindung mit dem Heckantrieb lässt sich der 3er äußerst präzise dirigieren. Mitsamt dem dicken, griffigen Lenkradkranz vermittelt der BMW viel Fahrfreude und wirkt wie ein übergestreifter Handschuh. Der Pilot übernimmt eine aktive Rolle im Geschehen. Sowohl der VW als der Peugeot setzen auf Frontantrieb in Verbindung mit einer geschwindigkeitsabhängigen Lenkung. Das Resultat ist ein leichtgängiges Ansprechen in der Stadt, während auf der Autobahn für Korrekturen kleinste Bewegungen reichen. Im 508 funktioniert das differenzierte Ansprechverhalten besser als im Passat, dessen Lenkung im Stadtverkehr um die Mittellage etwas zu indifferent ist. Dafür punktet der VW mit einem ausgewogenen Fahrwerk ohne spürbare Schwächen beim Komfort. Diese sind überraschenderweise beim Radstand-König Peugeot zu finden. Rollt man über Gullideckel, übertragen sich die Stöße deutlich in die Karosserie und den Innenraum. Waren französische Limousinen früher betont weich gefedert, so schlägt Peugeot heute beim 508 ins Gegenteil um.

AUSSTATTUNG/PREIS
Im Interesse unseres Vergleichs stehen natürlich die Verbräuche der Probanden, schließlich sind sie allesamt in Richtung Sparsamkeit optimiert. Die knauserigen Versprechen der Hersteller von 4,4 (VW) und 4,5 Liter (BMW und Peugeot) erweisen sich in der Praxis aber als Schall und Rauch. Mit durchschnittlich 6,4 Liter konsumiert der 508 am wenigsten, knapp darüber liegen der 316d mit 6,6 Litern und der Passat mit 6,8 Liter. Für Fahrzeuge dieser Größe sind das zwar auch noch respektable Werte, sie zeigen aber den Optimismus hinter den Werksangaben.

Investitions-Zulage
BMW verlangt für den 316d Touring einen kräftigen Premium-Zuschlag. Unter 31.350 Euro rollt der Bayern-Kombi nicht vom Hof. Die Serienausstattung ist ausreichend, ohne zu verwöhnen. Inklusive sind eine Klimaanlage, vier elektrische Fensterheber, ein CD-Radio und ein Lederlenkrad. Mit Hilfe der üppigen Aufpreisliste kann der Kaufpreis mühelos in Richtung der 40.000-Euro-Marke getrieben werden. Auf modernste Assistenzsysteme wie Müdigkeitswarner oder einen Parklenkassistenten müssen 3er-Freunde noch bis 2012 warten, wenn die nächste Generation auf den Markt kommt. Oder sie greifen zum Passat, der nach dem Facelift ebenjene Features bietet, allerdings nur gegen Aufpreis. Mit einem Grundpreis von 27.225 Euro ist er als ,Trendline" im Vergleich das günstigste Angebot, bietet aber eine ähnlich mäßige Serienausstattung wie der BMW. Anders als bei dem Bayern können viele Extras nicht einzeln geordert werden, sondern sind an andere Optionen gekoppelt. Eine Automatik beziehungsweise ein Doppelkupplungsgetriebe sind für 316d Touring und Passat 1.6 TDI übrigens nicht erhältlich.

Undurchsichtige Paketpolitik
In der ,Active"-Ausstattung ruft Peugeot für den automatisierten 508 SW e-HDi FAP 110 EGS6 auf den ersten Blick selbstbewusste 28.300 Euro auf. Doch der Preis relativiert sich angesichts der guten Ausstattung, die eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik, ein Panorama-Glasdach und 16-Zoll-Leichtmetallfelgen beinhaltet. Leider gibt es wichtige Extras wie Parkpiepser vorne und hinten nur im Paket, während Dinge wie ein Fernlicht-Assistent erst ab der höheren ,Allure"-Version zu haben sind. Doch als ,Allure" wird der kleine Diesel im 508 SW überhaupt nicht angeboten. Bei den Gesamtkosten holt der Passat einen letzten, wichtigen Punkt: Laut www.adac-autokosten.de kommt er bei einer Haltedauer von drei Jahren und einer Jahreslaufleistung von 30.000 Kilometer auf Kilometerkosten von 31,1 Cent. Klar dahinter liegen der 508 mit 35,2 Cent und der 316d mit 35,4 Cent.

Wertung

  • ☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆
  • Schon wieder gewinnt VW einen Vergleichstest, werden die Kritiker jetzt raunen. Doch der Passat Variant 1.6 TDI mit 105 PS präsentiert sich als das ausgewogenste Gesamtpaket. Punkte sammelt der Wolfsburger Kombi beim Platzangebot und Kofferraum, zudem überzeugen der elastische Motor und das gut abgestimmte Fahrwerk. Abzüge gibt es für die magere Serienausstattung und die fette Aufpreisliste, zudem ist die Lenkung noch optimierbar. Das gewöhnungsbedürftige EGS6-Getriebe und die zu straffe Federung werfen den Peugeot 508 SW e-HDi FAP 110 zurück. Wer viel Raum sucht, ist aber auch mit dem Franzosen gut bedient, zumal der Löwen-Kombi in Sachen Ambiente und Verarbeitung auf Augenhöhe mit dem Passat liegt. Ein weiteres Argument ist das gute Preis-Leistungsverhältnis, während die Paketpolitik der Marke für Verwirrung sorgt. Hier haben es Interessenten des BMW 316d einfacher, fast jedes Extra lässt sich einzeln ordern. Bloß gibt es davon sehr viele, denn für den höchsten Anschaffungspreis des Trios bietet der Bayer nur eine Standardausrüstung. Für reichlich Geld bekommt man ein sehr fahraktives Auto, aber verhältnismäßig wenig Platz.

  • VW Passat Variant 1.6 BMT Trendline
    90%
    elastischer Motor, großer Kofferraum
    ausgewogenes Fahrwerk
  • Peugeot 508 SW Active e-HDi FAP 110 EGS6
    80%
    gutes Platzangebot, umfangreiche Ausstattung
    zu straffes Fahrwerk, unharmonisches Getriebe
  • BMW 316d Touring
    80%
    tolle Lenkung, knackige Schaltung
    kleiner Kofferraum, hoher Grundpreis

Bildergalerie: Kombi-Trio im Duell