Als im Oktober 2018 der Mondial de l’Auto in Paris vor der Tür stand, war die Welt eine andere. Schon Wochen vorher wurde in allen Autoredaktionen Übersichten erstellt, Ankündigungen geschrieben und es wurden Pläne für die Messetage geschmiedet, wer wann was erledigt, damit man die Flut von Neuheiten irgendwie bewältigen kann. Die Veranstaltung war so unglaublich wichtig und jeder Hersteller wollte sich von seiner besten Seite zeigen.
An den Pressetagen drückten sich dann bereits Massen an Menschen durch die gut gefüllten Hallen am Porte de Versailles und sobald die Messe schließlich für das breite Publikum geöffnet wurde, pilgerten zahlreiche Besucher an insgesamt drei Wochenenden nach Paris, um sich die Nasen an den auf Hochglanz polierten Fahrzeugen platt zu drücken.
Doch die Zeiten haben sich geändert
Dann kam 2020 die Corona-bedingte Absage des Salons. Die entsprechenden Messen in Genf wurden ebenfalls nicht durchgeführt und mittlerweile komplett auf Eis beziehungsweise nach Katar gelegt. Die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt am Main zog 2021 nach München und wurde mit neuem Konzept zur IAA Mobility. Es änderte sich etwas. Rasend schnell. Und jetzt, im Jahr 2022, versuchte man es in Paris in Zeiten von unterbrochenen Lieferketten, Krieg, Rohstoffmangel, Energieknappheit und Inflation mit einem Neuanfang.

Der diesjährige Mondial de l'Auto findet vom 17. bis zum 23. Oktober statt. Also nicht einmal eine Woche. Genauso eingedampft wie der Zeitraum ist dazu die Anzahl der Hersteller und wenn 2022 irgendetwas so richtig glänzt, dann sind es nicht die Ausstellungsstücke im gleißenden Messelicht, sondern große Autobauer mit ihrer Abwesenheit.
Es sieht schon fast ein wenig nach interner Absprache aus, wenn die deutschen Hersteller wie Volkswagen, Audi, Mercedes-Benz und BMW einfach geschlossen fern bleiben. Und auch der Stellantis-Konzern lässt Opel in Rüsselsheim sowie seine italienischen Marken im Stiefelstaat zurück. Japanische oder koreanische Autobauer wie Toyota, Hyundai oder Kia sucht man ebenfalls vergebens. Sportwagen-Hersteller wie Ferrari, Lamborghini oder Porsche auch.
Fernost und Frankreich noch standhaft
So können lediglich drei Hallen recht luftig gefüllt werden. Gefühlt zu 90 Prozent mit irgendwelchen Start-ups, Kleinstherstellern, Mobilitätsanbietern oder Merchandise-Vertreibenden. Und wenn man dann doch mal über einen Stand eines richtigen Autobauers stolpert, handelt es sich um Marken wie Wey, Ora, BYD oder VinFast, die ihre fernöstlichen Neuheiten großzügig auf dem wahrscheinlich mittlerweile recht günstig zu bekommenden Messeparkett abgestellt haben und wo teilweise sogar Weltpremieren stattfinden, die von einer traurig kleinen Traube an Claqueuren bejubelt werden.

Bei den französischen Herstellern sieht die Welt noch etwas anders aus. Dacia zeigt seine gesamte Produktpalette mit dem ersten Hybrid-Modell auf einer Art Abenteuer-Outdoor-Stand, die Konzernmutter Renault hat gleich vier Studien im Gepäck und gibt mit dem 4Ever Trophy einen ersten Ausblick auf den neuen R4, der als elektrisches SUV zurückkehren wird.
Peugeot hat den 4008 am Stand, DS Automobiles zeigt erstmals den überarbeiteten DS 3 und DS 7. Und Jeep scheint auch Geld von Carlos Tavares erhalten zu haben, denn die Stellantis-Marke mit dem uramerikanischen Namen zieht die Tücher vom Avenger – einem kleinen Elektro-SUV.
Relevant? Revolutionär? Naja ...
So hatte Staatspräsident Emmanuel Macron doch noch etwas aus heimischer Entwicklung zu begutachten, als er am frühen Montagmorgen zum medienwirksamen Messerundgang aufbrach und dabei gekonnt einen Bogen um all die Hersteller machte, die nicht unbedingt etwas mit der Drapeau Tricolore am Hut haben.
Kann so ein Neuanfang gelingen? Eher nicht. Schade, aber was sich im vergangen Jahr schon in München angekündigt hat, manifestiert sich jetzt in Paris. Die Relevanz der klassischen Automesse schwindet. Und auch wenn man sich nach wie vor nach einem Veranstaltungstag mit dem einen oder anderen Amuse-Gueule und Schaumwein auf dem Stand selbst feiert, merkt man doch den bitteren Beigeschmack. Die Revolution mag begonnen haben, aber sicher nicht auf dem Pariser Autosalon 2022.