Verdammt! Er ist ja noch winziger, als ich gedacht habe. Leicht fassungslos stehe ich vor dem Mini Cooper 1275 S und blicke auf den kleinen, unschuldig lackierten Kraftzwerg. Aber was habe ich denn bei einem Auto erwartet, das sein Konzept bereits im Namen trägt? 3,05 Meter Länge, 2,03 Meter Radstand, 1,41 Meter breit und 1,35 Meter hoch. Die Überraschung folgt auf dem Fuße, nachdem ich eingestiegen bin. Man sitzt sehr kommod, ja beinahe geräumig. Vier Personen würden Platz fiden. Mein linker Arm findet seinen Platz in der "hohlen" Tür ohne Verkleidung. Nur einen Seilzug zum Öffnen der Tür gibt es dort, sonst nichts, denn die Fenster schiebt man auf. Über dem Kopf bleibt genug Luft, nur die Pedale sind nicht gerade für Schuhgröße 45 konzipiert, zumal die Radkästen den Fußraum schmälern. Trotz dieser Einschränkungen bleibt das Konzept von Alec Issigonis genial. Jetzt wird der Mini 60 Jahre alt. Für uns eine ideale Gelegenheit, hinter dem Steuer gleich zweier alter Mini-Modelle zurückzublicken.

Die Sueskrise des Jahres 1956, die eine massive Verknappung der Öleinfuhren zur Folge hatte, war Anlass dafür gewesen, den Konstrukteur Alec Issigonis mit derart anspruchsvollen Vorgaben zu betrauen. Kleiner als alle bislang bei der British Motor Corporation (BMC, ein Sammelsurium diverser Automarken) produzierten Modelle sollte das neue Fahrzeug ausfallen und dennoch Platz für vier Insassen und ihr Gepäck bieten. Ein unspektakulärer Vierzylinder aus dem Motorenbestand des Unternehmens war als Antriebsquelle auserkoren, die Fahreigenschaften und die Wirtschaftlichkeit des neuen Kleinwagens sollten jedoch neue Maßstäbe setzen.

Mit der Entscheidung für den Frontantrieb und einen vorn quer eingebauten Motor samt des darunter angeordneten Getriebes hatte Issigonis schon früh ideale Voraussetzungen für eine hervorragende Raumökonomie geschaffen. 80 Prozent des Platzes, den der Mini beanspruchte, stand den Passagieren und ihrem Gepäck zur Verfügung. 3,05 Meter maß der Wagen in der Länge, und er hätte womöglich noch kürzer ausfallen können. Doch Issigonis hatte exakte Vorstellungen, die er seinen Mitarbeitern auf ungewöhnliche Weise vermittelte. Er ließ ein Modell des Mini in der Mitte durchschneiden und anschließend die beiden Hälften Zentimeter für Zentimeter auseinanderrücken. Als Issigonis schließlich „Stopp!“ rief, hatte der Mini seine Ideallänge erreicht.

Nur sieben Monate nach dem offiziellen Startschuss waren zwei Prototypen des neuen Kleinwagens fahrbereit. Issigonis lud seinen Boss Leonard Lord zu einer Testfahrt ein, von der er noch Jahre später amüsiert berichtete: „Wir fuhren um das Werk, und ich raste mit ihm in einem Höllentempo. Ich bin sicher, dass er Angst hatte, aber dann war er sehr beeindruckt von der Straßenlage. Wir hielten vor seinem Büro. Er stieg aus und sagte: „Los, bauen Sie dieses Auto.“

Bildergalerie: Morris Mini-Minor 850

Der erste Mini war ein Austin Seven. Am 4. April 1959 lief er im Austin-Werk Longbridge im britischen Birmingham vom Band. Fünf Wochen später war das Zwillingspaar komplett. Der erste Morris Mini-Minor verließ am 8. Mai das Werk der Marke in Oxford. Gemeinsam wurden beide Modelle am 26. August 1959 der Öffentlichkeit präsentiert. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft beschränkten sich die äußeren Besonderheiten von Austin Seven und Morris Mini-Minor auf ihre Kühlergrills, die Radkappen und die Karosseriefarben. Der Austin Seven war in den Farben Tartan Red, Speedwell Blue und Farina Grey erhältlich, für den Morris Mini-Minor standen Lackierungen in Cherry Red, Clipper Blue und Old English White zur Auswahl.

Dem Sportwagenkonstrukteur und Issigonis-Kumpel John Cooper fiel beim Blick auf die ersten Skizzen seines Geschäftspartners und Freundes Issigonis jedoch noch etwas anderes auf: Er sah in dem genialen Konzept für einen wirtschaftlichen Kleinwagen auch die Basis für ein viel versprechendes Sportgerät und machte sich noch vor dem Marktstart des Mini mit großem Eifer ans Tuning. Mit großen Erfolg: Dreimal sollte der nach John benannte Mini Cooper die Rallye Monte-Carlo gewinnen. Wie Niki Lauda sammelten auch die Formel-1-Champions Graham Hill, Jackie Stewart, John Surtees, Jochen Rindt und James Hunt erste Wettkampferfahrungen im Mini.

Mini Cooper S 1275

Irgendetwas gewinnen will ich hier und heute nicht. Wobei mein Auto gute Voraussetzungen mitbrächte. Es handelt sich um einen Mini Cooper S mit 1.275 Kubikzentimeter Hubraum, zwei SU-Einfachvergasern und 77 PS, wie es ihn ab 1964 gab. Und schnell wird mir klar, warum Enzo Ferrari den Mini schätzte: Hält man die Maschine mit Drehzahl bei Laune, hat der Mini Cooper S keine Kurvenlage. Er IST die Kurvenlage und verschmilzt förmlich mit der Kurve. Gut, das große dünne Originallenkrad hilft auf dem Weg zum Großglockner nicht viel, auch das Viergang-Getriebe verlangt nach einer kundigen Hand.

Trotzdem ist es hier in seiner reinsten Essenz zu spüren: Jenes "Go-Kart-Feeling", das inzwischen zur Marketingfloskel verkommen ist. Am Steuer des 1275er-Cooper bin ich Michael Caine oder einer seiner Jungs, die in ihren Minis durch das Verkehrschaos von Turin türmen, Goldbarren in den 195 Liter fassenden Kofferräumen. Das hier ist "The Italian Job" mitten in Österreich. Und wenn ich mich nicht mäßige, verfolgen mich auch bald Mafia und Polizei.

Nur gut, dass der Cooper und ich uns irgendwann auf über 2.000 Meter Höhe abkühlen können. Ich steige um in einen der ersten Morris Mini-Minor 850 in "Cherry Red" von 1959. Hier manifestieren sich die Ideen von Issigonis in absoluter Reinform: Ein zentrales Instrument mit Meilenzähler und Benzinuhr, darunter zwei Kippschalter für Scheibenwischer und Licht, ansonsten nur Ablage. Kleine, weiche Sessel ohne Kopfstützen und als witziges Detail die Blinkerkontrollleuchte im Lenkstockhebel. Auf dem Fußboden ein langer, dürrer Schalthebel mit unsynchronisiertem ersten Gang. 

Mini Cooper 850

Glücklicherweise wird er nicht oft benötigt, denn der 850-Kubik-Vierzylinder (genau gesagt: 848 ccm) mit 34 PS Leistung erweist sich als elastisches Motörchen. Man kann entspannt im dritten Gang durch die Stadt bummeln, aber es bei Bedarf sogar ein wenig fliegen lassen. Schließlich hat auch dieser Mini eine brilliante Kurvenlage. Dank der wie Schubkarren-Räder anmutenden 10-Zöller gibt es nicht nur mehr Platz im Innenraum, der Wagen neigt sich auch kaum in Kurven. Nur an so etwas wie Geräuschdämmung hat Mister Issigonis seinerzeit nicht gedacht, bei Tempo 105 fliegen einem die Ohren weg. Und uns wenig später die Scheibenwischer. Egal, schließlich hat der klassische Mini noch eine echte Regenrinne und Schiebefenster zur Entlüftung. 

Trotz der widrigen Bedingungen fährt der 850er ohne Umwege in mein Herz. Schließlich wiegt er nur 620 Kilogramm, gibt sich aber weit weniger zickig als der 1275er. Der Cooper verlangt Kenner und Könner, obwohl auch er keine giftige Diva ist. Aber der normale Mini gefällt mit seiner Vielseitigkeit. Anders formuliert: Mit viel Hubraum und PS kann jeder schnell sein. Doch aus wenig Leistung etwas zu machen, formt den Charakter.

Mini Cooper 850

Alec Issigonis jedenfalls legte Wert auf die Feststellung: „Ich habe den Mini nicht erfunden, ich habe ihn konstruiert.“ Eine langlebige Konstruktion, wenngleich eher bedingt durch die Irrungen und Wirrungen der britischen Automobilindustrie. Issigonis jedenfalls kreierte diverse Nachfolger, scheiterte aber an Geld, Ressourcen und Managern. So wurde der klassische Mini zum Oldtimer seiner selbst. Nach 41 Jahren und mehr als 5,3 Millionen produzierten Einheiten verließ am 4. Oktober 2000 der letzte Wagen das Werk Longbridge.

Die Legenden und Anekdoten, die sich um den Mini und seine Rolle als Transportmittel der Stars ranken, faszinieren noch heute. John Lennon orderte 1964 einen Mini, obwohl er keinen Führerschein besaß. Sein Bandkollege George Harrison verlieh seinen Mini 1967 an Eric Clapton und erhielt ihn erst drei Jahre später zurück. Und über Spencer Davis wird berichtet, dass er den Titel zum größten Hit seiner Band während einer nächtlichen Fahrt mit fast leerem Tank durch die verregneten schottischen Highlands ersann. Die Kraftstoffanzeige seines Mini im Blick, habe er nur einen Gedanken gehabt: „Keep on running!“ In diesem Sinne: Auf die nächsten 60 Jahre!

Bildergalerie: Mini Cooper S 1275