Die Wogen der Empörung schlagen hoch: Eine Regierungskommission, die Ideen zum Klimaschutz erarbeiten soll, hat ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen ins Spiel gebracht. Prompt wurde dieser Vorschlag von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zurückgewiesen. Wir wollen uns an dieser Stelle mit den Fakten beschäftigen und blicken zurück: Wie war das eigentlich früher mit Tempolimits?

Auf allen deutschen Autobahnen freie Fahrt für freie Bürger?

Mit rund 13.000 Kilometern hat Deutschland aktuell das viertlängste Autobahnnetz der Welt. (Ganz vorne liegt übrigens China.) Für etwas mehr als die Hälfte unserer Autobahnen gilt die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Man kann also im Prinzip so schnell fahren, wie man möchte, was besonders auf ausländische Besucher einen besonderen Reiz ausübt. Viele holen ihren neuen Porsche vor der Verschiffung in die USA oder China in Zuffenhausen ab, um ihn wenigstens einmal richtig ausfahren zu können.

Ungefähr für 30 Prozent des deutschen Autobahnnetzes gilt ein dauerhaftes Tempolimit, die restlichen 20 Prozent haben Schilderbrücken, auf denen je nach Verkehrs- oder Wettersituation eine Geschwindigkeitsbeschränkung angezeigt werden kann.

Ist Richtgeschwindigkeit 130 auf der Autobahn unfallträchtiger? Jein. Nur etwa zehn Prozent der Verkehrstoten eines Jahres sind der Autobahn zuzurechnen, allerdings kommen die meisten davon auf Abschnitten ohne Tempolimit ums Leben.

Die Geschichte des Tempolimits in Deutschland

Zu Beginn der Motorisierung ging es auf deutschen Straßen gemächlich zu: So galt 1910 innerorts ein Limit von 15 km/h für Pkw und 12 km/h für Lkw, ab 1927 waren es 30 km/h für Pkw und Lkw. Die Verkehrsgesetzgebung war zunächst Ländersache. Erst die Nazis übertrugen die Gesetzgebungskompetenz vollständig auf das Reich. Die erste „Reichs-Straßenverkehrsordnung“ hob am 8. Mai 1934 alle Bestimmungen über Geschwindigkeitsbegrenzungen auf. Neben der Abschaffung der Kfz-Steuer sollte so der Autoabsatz angekurbelt werden.

Allerdings merkte man dann doch, wohin das ungezügelte Rasen führt: Im Mai 1939 wurden wegen der Unfallzahlen wieder Begrenzungen eingeführt (Pkw innerorts 60 km/h, außerorts 100 km/h, Lkw 40 respektive 70 km/h). Nach Kriegsbeginn senkte man die Geschwindigkeiten im Oktober 1939 auf 40 km/h innerorts, außerorts 80 km/h für Pkw und 60 km/h für Lastwagen. Die Beschränkung von Tempo 80 galt auch auf den neuen Reichsautobahnen.

Vogelwild ging es Mitte der 1950er-Jahre auf westdeutschen Straßen zu: 1953 wurden sämtliche Höchstgeschwindigkeiten in der Bundesrepublik wieder aufgehoben, auch innerhalb geschlossener Ortschaften, dort ab 1. September 1957 jedoch wieder eingeführt. Diese 50 km/h gelten bis heute.

Bis Anfang der 1970er-Jahre konnte man allerdings außerhalb geschlossener Ortschaften mit beliebiger Geschwindigkeit fahren. Aufgrund der jedoch bis 1970 stetig steigenden Zahl an Verkehrstoten (Höchstzahl 1970: fast 20.000) wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 1972 und als Großversuch bis zum 31. Dezember 1975 befristet auf allen Straßen (ausgenommen Autobahnen, nicht richtungsgetrennte Straßen außerorts ohne in beide Fahrtrichtungen durchgehende Überholfahrstreifen und besonders gekennzeichnete Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften) die sogenannte "Sicherheitsgeschwindigkeit" Tempo 100 eingeführt. Die Einführung dieses noch heute gültigen Limits außerhalb geschlossener Ortschaften folgte im Jahr 1976.

Massiv diskutiert wurde ein Tempolimit auf der Autobahn erstmals in den 1970er-Jahren: Während der ersten Ölkrise galt zwischen November 1973 und März 1974 zum Zweck der Treibstoffeinsparung in der Bundesrepublik ein generelles Tempolimit von 100 km/h auch auf Autobahnen. Während die damalige Bundesregierung das Tempolimit verlängern wollte, widersetzte sich der Bundesrat diesem Vorhaben. Schließlich wurde es aufgehoben und 1974 stattdessen für Autobahnen und richtungsgetrennte Straßen außerorts sowie für nicht richtungsgetrennte Straßen außerorts mit durchgehenden Überholfahrstreifen in beiden Fahrtrichtungen eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h eingeführt.

In der DDR galt übrigens stets ein generelles Tempolimit von 100 km/h auf der Autobahn sowie 80 km/h außerorts und 50 km/h innerorts. Allerdings ließen die meist maroden Autobahnen der DDR kaum ein schnelleres Tempo zu. Hinzu kam eine deutliche geringere Anzahl von Fahrzeugen pro Einwohner im Vergleich zu Westdeutschland.

Was sind die Positionen der Parteien?

Sehen wir uns zum Schluss noch kurz die Positionen der im Bundestag vertretenen Parteien zum Tempolimit auf der Autobahn an.

CDU/CSU: Ablehnung eines generellen Tempolimits auf deutschen Autobahnen

SPD: Keine eindeutige Haltung. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner hat sich dafür ausgesprochen, die Einführung eines Tempolimits von 130 km/h auf deutschen Autobahnen „unvoreingenommen zu prüfen“. 

AfD: Forderung nach "Freier Fahrt für freie Bürger", Ablehnungen aller Beschränkungen aus anderen Gründen als der Verkehrssicherheit. Kein Tempolimit auf Autobahnen.

Bündnis 90/Grüne: Forderung eines Tempolimits von 120 km/h auf Autobahnen.

FDP: Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen sowie die weitere Absenkung allgemeiner Höchstgeschwindigkeiten (wie beispielsweise innerorts flächendeckend auf 30 km/h) wird abgelehnt.

Linke: Befürwortung eines allgemeinen Tempolimits von 120 km/h auf Autobahnen.