Kennen Sie auch das Gefühl? Bei so mancher vollmundig angepriesenen Neuheit denkt man sich: Alles schon mal dagewesen. Alter Wein in neuen Schläuchen. Genauso ging es uns, als wir für kleines Geld auf der Techno Classica in Essen den Prospekt des BMW E1 erwarben. 

Denn dass es einmal Studien mit dem Namen E1 bei BMW gab, kann man wissen und im Hersteller-Museum in München steht sogar eine. Aber jener Prospekt war kein schlichtes Faltblatt. Sondern 20 Seiten aus dem August 1993, die wie ein regulärer Verkaufsprospekt wirken. Titel: Mobilität und Zukunft. Ein Weg zur praktischen Vernunft: BMW E1. Und eine Seite weiter: "ein Automobil, das sich schon jetzt durch einen hohen Reifegrad auszeichnet". Was zur Hölle?!

Also der Reihe nach: 1991 zeigte BMW den ersten E1, den 3,46 Meter kurzen Prototypen eines Elektroautos mit vier Sitzen, der intern als Z11 bezeichnet wurde. So sah er aus ...

Bildergalerie: BMW E1 (Z11) 1991

Anfang 1993 folgte dann die Konzeptstudie Z13 mit Verbrennungsmotor. Beide Ideen wurden im gleichen Jahr zur zweiten Version des E1 zusammengelegt. Damit lag BMW im Trend, denn man musste sich etwas einfallen lassen, um den Flottenverbrauch zu senken. Erzrivale Mercedes dachte ähnlich und stellte zur gleichen Zeit die ersten Studien für die künftige A-Klasse und den Smart vor.

Sehen wir uns den BMW E1 aus dem Prospekt genauer an: Ein 3,67 Meter langer Dreitürer mit hoch angesetzten Heckleuchten, aber einer Frontpartie, die den 5er (E39) von 1995 vorwegnahm. Ausführliche technische Daten lieferte BMW auch: Breite: 1,64 Meter, Höhe: 1,49 Meter. Radstand: 2,45 Meter. Leergewicht: zwischen 800 und 960 Kilogramm und 290 bis 860 Liter Kofferraum. Und zwar bei allen drei Varianten. Rot lackiert der E1 mit Verbrennungsmotor in Form des Aggregats aus dem Motorrad K 1100. 82 PS, 110 Newtonmeter, fünf Gänge. Genug für 180 km/h Spitze, 11,5 Sekunden auf 100 km/h und fünf bis sechs Liter Verbrauch.

Bildergalerie: Vergessene Studien: BMW E1

Der Clou war aber nicht die Hybridversion als zweite Möglichkeit, sondern der grellgrüne E1 auf 80 Prozent der Prospektseiten. Bei ihm handelte es sich 20 Jahre vor dem i3 um ein reines E-Auto, bei dem Motor und Getriebe in die Hinterachse integriert wurden. Die Batterie? Nicht wie heute Lithium-Ionen-Technik, sondern Natrium-Nickel-Chlorid. 32 Kilowatt Dauerleistung lieferte der Elektromotor und 150 Newtonmeter Drehmoment wurden ebenfalls genannt. 19 kWh Energie passten in die Akkus des Europa-E1, die US-Version bekam 24 kWh verpasst und wog deshalb 60 Kilogramm mehr.

Beim Blick auf die detailliert angegebenen Reichweiten der US-Version kommt man ins Staunen: Mit 0,5 kW Nebenverbrauch notierte BMW zirka 190 Kilometer im Stadtverkehr (etwa 115 Kilometer mit eingeschalteter Klimaanlage), 215 Kilometer bei konstant 80 km/h und sogar bis zu 330 Kilometer bei konstant 50 km/h. Ach ja: Maximal 125 km/h konnte der Elektro-E1 schnell sein. Nur mal zum Vergleich: Bei der ersten Version des aufwändig konstruierten BMW i3 wurde als Normreichweite 190 Kilometer angegeben.

Natürlich bestand die Fahrgastzelle des E1 nicht wie beim i3 aus Kohlefaser, sondern aus Aluminium. Hinzu kam die Außenhaut aus Thermoplast-Kunststoff, sowie ein Dach und die Klappen aus Alu. Offenbar fehlte nicht viel zur Serienfertigung des E1.

Doch es sollte anders kommen. Im März 1994 brachte BMW den 4,21 Meter langen 3er Compact auf den Markt, im gleichen Jahr wurde Rover übernommen. Davon übrig blieb für München lediglich der Mini. Ihn brachte BMW im Jahr 2001 komplett neu auf dem Markt. Länge: 3,63 Meter, also fast exakt so lang wie der E1. Basismotor: 90 PS und 140 Newtonmeter, auch ähnlich wie beim Verbrenner-E1. Was wäre also gewesen, wenn BMW nicht Rover übernommen hätte?