Je länger ein Auto am Markt ist, desto länger werden in der Regel die Testzeiträume. Im Falle des Kia EV6 waren es erst nur wenige Stunden, dann eine ganze Woche und jetzt gönnt uns der koreanische Fahrzeugbauer das Modell für ganze zwei Monate. Zeit genug, um vielleicht doch noch ein paar Schwächen an dem gelungenen E-GMP-Produkt mit 800-Volt-Technik zu finden? Geben wir uns mal ein bisschen Mühe ...

Verrückte Fahrleistungen und der Frunk

Aber zuerst zur Einordnung: Kia hat uns für unseren Dauertest das Modell mit 168 kW, 350 Nm Drehmoment und Hinterradantrieb auf den Hof gestellt. Also quasi die Long Range-Variante, die aus dem 77,4 kWh großen Akkupack nach WLTP-Zyklus bis zu 528 km an Reichweite zaubern könnte. Nachgeladen werden kann auf dem Papier theoretisch in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent. An einer 350-kW-Säule. Theoretisch. Ganz praktisch wäre das also das perfekte Setup für den Alltag, der ja nicht unbedingt aberwitzige 430 kW in einem GT erfordert, sondern der eher vom flotten Kilometermachen geprägt sein sollte.

Kia EV6 GT-Line mit 168-kW-RWD im Dauertest (1)
Kia EV6 GT-Line mit 168-kW-RWD im Dauertest (1)

Daran teilhaben könnten laut Sitzplan bis zu fünf Personen. Und zwar ziemlich bequem. Auf allen Plätzen mit verstellbaren Rückenlehnen. Und mit Gepäck. Ausreichend Gepäck. In einem 490 bis 1300 Liter großen Kofferraum, der sich magisch öffnet, wenn man nur lange genug mit dem Schlüssel in der Tasche vor der Klappe steht und einfach nur auf das akustische Signal wartet. 52 zusätzliche Liter gibt’s dann noch im Frunk. Ein weiterer Vorteil der Modelle mit Hinterradantrieb.

Der Teilzeit-Magier

Aber zurück zu den magischen Fähigkeiten: Etwas schwerer tut sich diese Keyless-Funktion nämlich bei den Türen für die Passagiere. Der Ron-Weasley-Moment des EV6. Manchmal klappen so zwar die elektrischen Spiegel aus, aber entriegeln will das Fahrzeug dann trotzdem nicht. Und dann muss man doch kramen. Nach der komischen Funkfernbedienung mit diesen Schloss-Symbolen drauf.

Kia EV6 GT-Line mit 168-kW-RWD im Dauertest (1)

Wenn man dann aber erst einmal Platz genommen hat, lässt die Bedienung keinerlei Wünsche offen. Das Infotainment-System ist dermaßen einfach gestaltet, dass selbst Kia-Neulinge kein Problem mit der Orientierung haben sollten. Und wenn man doch Schwierigkeiten bekommt, bleiben ja immer noch Apple CarPlay oder Android Auto. Allerdings brauchen Sie dafür ein Kabel. Also … wieder in den Taschen nach dem Verbindungsstecker und dem Smartphone suchen. Interessant: Eine Wireless-Charging-Station ist hingegen auf der frei schwebenden Mittelkonsole verbaut.

Jetzt aber ab auf die Straße

1.500 Kilometer haben wir im ersten Monat geschafft. Ohne nennenswerte Vorkommnisse. Lediglich der Temperaturumschwung sorgte dafür, dass die Drucksensoren in allen vier Reifen mehr Luft forderten. Easy. Aufgefallen ist uns ebenfalls, dass der EV6 gerade bei niedrigeren Celsius-Zahlen ein Lademuffel sein kann. Bis mit maximaler Leistung Strom in die Akkus gepresst werden kann, braucht es ab und zu mal 15 Minuten der Vorwärmung.

Ein anderer vielleicht nicht gerade unwichtiger Punkt ist das Fahrwerk. Was sich schön straff anfühlt und bei sportlicher Fahrweise für Präzisionspartys zuständig ist, kann bei schlechten Autobahnen und Strecken mit dreistelligen Kilometerangaben eventuell zu Unannehmlichkeiten im Rücken führen. Kann, nicht muss.

Balsam für die Seele ist hingegen der Verbrauch. Im Alles-Mix der ersten Testperiode kommen wir auf ziemlich gute 18,7 kWh/100km. Ohne auch nur ein einziges Mal in irgendeiner Art und Weise auf unsere Fahrangewohnheiten zu achten. Mit etwas Disziplin sollten also locker Werte zwischen 17 und 18 kWh/100km möglich sein. Eine praktische Reichweite von deutlich über 400 km dürfte demnach drin sein. Und so sind die WLTP-Angaben zwar immer noch theoretisch, aber eben nicht unbedingt sehr praxisfern.

Und so geht es weiter

Die ersten Schwachstellen wären – trotz immer noch einem durchweg positiven Gesamtbild – also ausgemacht. Ob im zweiten Monat und der einen oder anderen Langstrecke vielleicht noch mehr negatives Feedback gesammelt werden kann? Wir sind da nicht so optimistisch, wenn wir uns das Preis-Leistungs-Verhältnis und den Fahrspaß ansehen, werfen als Teaser aber trotzdem schon einmal die allgemeine Abnutzung nach einer fünfstelligen Laufleistung und den Spurhalteassistent in den Raum.

Dies ist ein Artikel unseres Portals für Elektroautos, InsideEVs.de. Dort finden Elektroauto-Fans News, ausführliche Tests, Videos und Fotos zur Elektromobilität und den Antrieben von morgen.

Bildergalerie: Kia EV6 GT-Line mit 168-kW-RWD im Dauertest (1)

Kia EV6 RWD 168 kW GT-Line

Motor 1 Elektromotor hinten (Permanentmagnet-Synchronmaschine, PSM)
Leistung 168 kW (229 PS)
Max. Drehmoment 350 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h 7,3 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 185 km/h
Elektrische Reichweite 528 km (19 Zoll & WLTP)
Ladeanschluss Typ 2 // CCS
Aufladezeit Haushaltssteckdose (2,3 kW): 10–100% in 32h45 / 350-kW-Schnellader: 10–80% in 18 min
Verbrauch 17,2 kWh/100 km (20 Zoll & WLTP) / 16,5 kWh/100 km (19 Zoll & WLTP) / Testverbrauch: 18,7 kWh/100 km
Länge 4.695 mm
Breite 1.890 mm
Höhe 1.550 mm
Leergewicht 1.985–2.085 kg
Zuladung 440 kg
Anhängelast 1.600 kg (gebremst, bei 12% Steigung)
Kofferraumvolumen 490–1.300 Liter (+ 52 Liter Frunk)
Basispreis 46.990 Euro (125 kW, 58-kWh-Batterie, RWD)
Preis der Testversion 56.990 Euro (GT-Line, 168 kW, 77,4 kWh-Batterie, RWD)