Was ist das?

Wir schreiben das Jahr 2022. SUVs und Elektroautos aller Klassen haben sich vereinigt, um das traditionelle Performance-Auto zu vernichten. Aber es gibt sie noch, die tapferen Recken, die sich dem scheinbar übermächtigen Gegner entgegenstellen. Mit sportlichen Coupés, Limousinen und – besonders gewagt (aber uns klar am liebsten) – mit leistungshungrigen Kombinationskraftwagen.

Dass nun aber ausgerechnet Audi daherkommt und uns mit dem neuen Competition Plus-Paket für den RS 4 eine Performance-Version seines Performance-Kombis auf den Tisch knallt, das ist schon mehr als erstaunlich. Oder unterschätze ich die schnelle Truppe aus Ingolstadt da etwa?

Ich muss schon sagen, über die letzten Jahre hat sich Audi Sport mit Blut, Schweiß, Tränen und der richtigen Einstellung zu ungeahnter Topform trainiert. RS 6 und RS 7 sind wunderbare Autos und im Test präsentierte sich der neue RS 3 als messerscharfe, fahrspaßige Wucht, die sich gewaschen hat.

Audi RS 4 Competition Plus (2022) im Test
Audi RS 4 Competition Plus (2022) im Test

Bei RS 4 und den RS 5en war die Analyse der Gesamtsituation zuletzt weniger einfach. Sicher alles andere als verkehrte Sportgefährte. Sauschnelle obendrein. Aber manchem fehlte bisher ein wenig der Verve, der Biss, das Charisma, das kleine bisschen Dachschaden, das man sich doch irgendwie wünscht, wenn man gut und gerne 100+ Riesen für ein 450-PS-Mittelklasseauto ausgibt.

Audi hat erkannt und möchte dies nun – kurz vor der Demission der drei Modelle (neben RS 4 kommen auch RS 5 und RS 5 Sportback in den Genuss des Competition Plus-Pakets) – in freudvolles Wohlgefallen auflösen. Eine Art Abgang mit großen Knall quasi. Und ein finanziell unangenehmer obendrein, denn besagter Performance- und Ausstrahlungs-Booster kostet schlappe 11.875 Euro.

Huiuiui, da muss dann aber auch was kommen …

Naja, das tut es auch. So ist es ja nicht. Selten dauerte eine Pressekonferenz zu einem neuen Ausstattungspaket länger. Aber die lieben Audi Sport-Ingenieure hatten auch einiges zu erzählen. Und das, obwohl sich an der Leistung gar nichts ändert - es bleibt bei 450 PS und 600 Nm.

Der auf dem Papier größte Brummer ist sicher das neue non-adaptive Gewindefahrwerk, welches das adaptive DRC-Fahrwerk mit seinen hydraulisch verbundenen Dämpfern ersetzt. Das sei kein Eingeständnis mangelnder Sportlichkeit, man wolle eben noch ein bisschen anspitzen, für all jene, die das wollen, sagen die Offiziellen.

Wer das höhenverstellbare Fahrwerk liefert, da wollten sie bei Audi nicht so recht damit rausrücken, aber mit KW liegt man wahrscheinlich nicht ganz verkehrt. Die Tieferlegung kann man zwischen 10 und 20 Millimeter variieren. Dazu ist das gute Stück in Zug- und Druckstufe von außen einstellbar. Das passende Werkzeug kommt in einer hübschen Box.

Bildergalerie: Audi RS 5 Coupe Competition Plus (2022) und Audi RS 5 Sportback Competition Plus (2022) im Test

Was gibt’s noch? Sehr sehr schicke 20-Zöller, geschmiedet und gefräst mit Pirelli PZero Corsas bereift, die sich in ihrer Klebrigkeit irgendwo zwischen einem Michelin 4S und einem Michelin Cup2 verorten lassen. Dazu kommen Änderungen an der Software von Motor, Getriebe und Sport-Differenzial – allesamt im Sinne der Emotion und der Steigerung der GPM-Rate (Grinser pro Minute). Letzterer Begriff entstammt übrigens nicht der Audi-Marketingabteilung, den Blödsinn hab ich mir tatsächlich gerade selbst ausgedacht.

Endgültig zum Charmebolzen soll der Competition Plus schließlich durch ein überraschend kompromissloses Sound-Tuning mutieren. Eine spezielle Sport-Abgasanlage mit schwarzen Endrohren und vor allem die Vernichtung sämtlichen Dämmmaterials vor der Motor-Stirnwand (8 Kilo flogen raus) sollen dem soundtechnisch etwas schläfrigen 2,9-Liter-Biturbo-V6 richtig Beine machen. Es gelingt vortrefflich, aber dazu kommen wir gleich.

Wie fährt er?

Ja gut, da er jetzt ein Gewindefahrwerk intus hat, muss der Bock ja federn wie eine Vitrine, die gerade vom Kran fällt. Tut er aber eigentlich gar nicht. Die Speedbumps im Flughafen-Parkhaus nimmt er etwas hölzern (wer tut das nicht?) und auf der Landstraße Richtung Ascari Race Resort rumpelt es hin und wieder etwas herzhafter unterm Gesäß. Aber alles im Rahmen. Und qualitativ hochwertig gedämpft. Da scheppert nix, da schlägt nix durch. Das Fahrwerk verwandelt den RS 4 definitiv nicht in ein Auto, für dass einen der Partner abgrundtief hassen wird. 

Was aber schon auf der Landstraße auffällt: Da ist irgendwie mehr Zug drin. Also im ganzen Auto. Es lenkt verbindlicher und mit mehr Willenskraft ein, hat auch im Antrieb eine kürzere Zündschnur. Letzteres wohlgemerkt im Dynamic-Modus, wo die meisten der aggressivierenden Änderungen des Pakets zum Tragen kommen. 

Das gilt natürlich auch für das forschere Klangbild. Selbiges birgt zweifelsfrei ordentlich Überraschungspotenzial. Einfach, weil es so anders und so viel besser ist als bisher. Selbst die Start-"Choreo" hat man frisiert. Nach dem Druck auf den Startknopf gibt es einen kurzen Hochdreher, gefolgt von zwei, drei Brrappapapps. Außerdem darf man den V6 jetzt auch im Stand bis gut 5.200 Touren jochjubeln. Perfekt fürs nächste Autotreffen/Instagram-Video.

Audi RS 4 Competition Plus (2022) im Test

Das fällt natürlich in die Kategorie "leicht pubertärer Schabernack", aber egal, denn was zählt, ist der Klang beim Fahren und der ist richtig schön. Kehlig-heiser, unzüchtiger, deutlich präsenter, hier und da versetzt mit ein paar Spratzern. Und wenn's doch mal nervt - zurück in "Comfort" schalten, dann ist Ruhe.

Der Zwoneuner-Biturbo war ja bisher schon ein reichlich mächtiges Aggregat. Mit einer Leistungsentfaltung wie an der Schnur gezogen. Aber der charismatischste Geselle war er jetzt nicht unbedingt. Es mangelte an Form und Ausdruck. Das Klang-Tuning wirkt da wie ein Intensiv-Kurs in der Schauspielschule.

Schneller ist er auch geworden. Geringfügig. Das dürfte an der fetzigeren Abstufung von Motorsteuerung und 8-Gang-Automatik liegen. Die 0-100 km/h gehen jetzt in 3,9 Sekunden, die Spitze beträgt maximal 290 km/h. 0,2 Sekunden beziehungsweise 10 km/h schneller als bisher möglich. Und erstmals geht ein (serienmäßiger) RS 4 in weniger als 4 Sekunden auf 100. Jubel und Ekstase in sämtlichen RS-Foren.

Beim Getriebe fällt auf, dass es selbst unter höherer Belastung auf dem Track eine ziemlich solide Figur abgab und nicht mit Verzögerungen nervte. Außerdem hat man dem ZF-Kasten im Dynamic-Modus deutlich mehr Kawumms und Rabiatheit in die Gangwechsel gecodet. Das knallt jetzt spürbar mehr als bisher und verhilft dem Antrieb natürlich ebenfalls zu mehr Charme.

Pah, und das Wichtigste hätte ich fast noch vergessen: Im manuellen Modus hält das Ding jetzt die Gänge. Nein, wirklich. Es ist passiert. Hat ja nur knapp 10 Jahre gedauert. 

Bewegt sich das Auto denn noch so steril?

Wenn ich mich recht erinnere, dann bewegte sich der RS 4 Avant bei den letzten Tests überhaupt nicht steril. Er war halt kein reifengrillender AMG C 63 oder BMW M3, sondern eher neutral unterwegs. Neutral heißt nicht automatisch langweilig. Aber "nicht langweilig" heißt ja nicht automatisch, dass es nicht auch amüsanter geht. 

Amüsanter heißt in diesem Fall mehr Schneid beim Einlenken, noch weniger Untersteuertendenz (danke PZero Corsa) und mehr Unterstützung aus dem Heckabteil in allen Bereichen der Kurve. Es klingt ja immer so fürchterlich abgedroschen, wenn die 500ste Pressemitteilung innerhalb eines Monats von einer "heckbetonteren Auslegung" schwafelt, aber in diesem Fall ist wirklich was dran. Und die Arbeit am Hinterachs-Differenzial macht den RS 4 (und natürlich auch die RS 5en) ein sehr willkommenes Stück lebendiger und spielfreudiger. 

Audi RS 4 Competition Plus (2022) im Test

Wir wollen in diesem Zusammenhang nicht übermütig werden, auch das Competition Plus-Paket macht die Autos nicht über Nacht zu hemmungslosen Driftschleudern. Aber es ist eine deutlich gesteigerte Eindreh-Tendenz zu erkennen und das Auto reagiert wesentlich spontaner und beherzter auf Lastwechsel. Das ist einer der entscheidenden Punkte des Paketes und es hebt den RS 4 in puncto Fahrspaß auf das nächste Level.

Die Lenkung sollte man im Übrigen auch nicht unterschätzen. Sie wurde neu kalibriert, kommt jetzt mit einer festen Übersetzung von 1:13,1 und wirkt insgesamt sehr rund und vertrauensfördernd. Recht fest, etwas schwer, mit einem guten Gespür für die richtige Einbindung. Ich kann es nur immer wieder betonen: Keine Ahnung, wer bei Audi Sport vor einiger Zeit das Ruder in Sachen Lenkungen übernommen hat, aber er hat aus Scheiße Gold gemacht. Entschuldigen Sie mein Französisch, aber es ist die Wahrheit. 

In seiner finalen Evolutionsstufe vor der unvermeidlichen Plug-in-Hybridisierung hat Audi aus dem RS 4 ein ganz wunderbar austariertes und stimmiges Auto gemacht, das passt wie ein Handschuh. Das immer noch sehr unkompliziert und narrensicher, aber wesentlich performanter und gleichzeitig spaßiger fährt. 

Wie ist er innen?

Nur unwesentlich anders als jeder andere RS 4. Sie kriegen ein bisschen mehr Alcantara (am Lenkrad zum Beispiel), das übliche Carbon-Gedöns und bestimmt auch ultra spezielle Fußmatten. Sonst ändert sich nix. Das ist in vielerlei Hinsicht gut. Bei Verarbeitung, Materialien und Bedienung etwa. Wobei ich den Audianern das Begräbnis des Dreh-Drück-Stellers fürs Infotainment noch immer nicht verzeihen kann.

Audi RS 4 Competition Plus (2022) im Test

Außerdem wäre es allerspätestens bei einem Competition-Plus-Paket aber sowas von Zeit geworden für halbwegs vernünftige Schaltpaddles. Die winzigen Dinger sind so klein und schüchtern hinterm Lenkrad versteckt, dass man kaum hinkommt. Und besonders cool aussehen tun sie auch nicht. Bitte macht da mal was ...

Die mit Abstand beste Neuerung in einem RS-Innenraum der letzten Jahre debütiert hier allerdings auch. Also zumindest gegen Aufpreis. Die Rede ist vom ersten richtigen Schalensitz in einem Audi seit einer gefühlten Ewigkeit. Ich durfte das Standard-Gestühl im direkten Vergleich mit der neuen, obendrein überaus schicken Schale ausprobieren und ich plädiere klar für letztere. Bessere Sitzposition, mehr Halt und wesentlich bequemer als etwa der Carbon-Schraubstock von BMW.  

Fazit: 8,5/10 

Zuletzt fuhr ich ein paar Tage einen BMW M4 xDrive, auch auf der Rennstrecke. Kann man die Autos ernsthaft vergleichen? Naja, es handelt sich mehr oder weniger um die gleiche Klasse (RS 4 und RS 5 sind nahezu identisch) und beide haben Allrad. Ich bin mir sicher, der BMW ist schneller und er macht auch mehr Drama und Schabernack, wenn man das will. Aber er fühlt sich an wie Playstation und das tut dieser Audi nicht.

Die Herrschaften bei Audi Sport haben es geschafft, dem RS 4 ein spürbares Plus an Performance, Charakter, Gaudi und Gefühl einzutrichtern. Mehr kann man von einem Ausstattungspaket kaum verlangen.

Ob man dafür fast 12.000 Euro ausgeben sollte, ist eine berechtigte Frage. Wenn ich mir jetzt noch einen der späten RS 4 (oder RS 5) holen würde, bevor es bald in Richtung PHEV geht, würde ich es auf jeden Fall tun. Definitiv der beste RS 4 dieser Baureihe. 

Bildergalerie: Audi RS 4 Competition Plus (2022) im Test

Technische Daten und Preise Audi RS 4 Avant Competition Plus

Motor V6-Biturbo; 2.894 ccm
Getriebeart 8-Gang-Automatik
Antrieb Allradantrieb
Leistung 331 kW (450 PS) bei 5.700-6.700 U/min
Max. Drehmoment 600 Nm bei 2.000-5.000 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h 3,9 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 290 km/h
Leergewicht 1.820 kg
Zuladung 605 kg
Kofferraumvolumen 495-1.495 Liter
Verbrauch 9,7-10,1 Liter (WLTP)
Emission 218-229 g/km CO2 (WLTP)
Basispreis 86.500 Euro plus 11.875 Euro