Was ist das?
Hätten Sie gewusst, dass BMW seit 1936 Cabrios baut? In den letzten 85 Jahren haben sie über eine Million davon verkauft. Aber ich bin mir sicher, sehr sicher, dass bisher kein Modell in der biblischen Offen-Fahr-Tradition der Münchner so ... ähm ... interessant gezeichnet war wie das brandneue 4er Cabriolet.
Okay, es tut mir leid, ich höre ja schon auf - lassen wir den 4er 4er sein. Sie werden inzwischen vermutlich entschieden haben, ob sie ihn mögen oder nicht. Freuen wir uns doch lieber darüber, dass es im Neuen endlich wieder ein Stoffverdeck gibt.
Selbiges ist 40 Prozent leichter als der olle Stahldeckel des Vorgängers. Und es verleiht dem Auto eine Silhouette, die nicht aussieht wie der verunglückte Lego-Technik-Versuch eines Fünfjährigen. Auch sonst hat der neue Hightech-Stofffetzen nur Vorteile. Das sogenannte "Flächenspriegelverdeck" (ein Wort, so deutsch wie ein schwarz-rot-güldener Schlapphut auf einer Strandliege in Rimini) spannt sich besonders elegant und aerodynamisch, was auch Verbrauch und Akustik zugutekommt.
Außerdem verschwindet das Teil natürlich deutlich effizienter im Heck. Im geschlossenen Zustand wächst der Kofferraum gegenüber dem Vorgänger um 15 auf 385 Liter. Ist das Verdeck offen passen sogar 80 Liter mehr rein, 300 sind es insgesamt. Öffnen und schließen lässt es sich innerhalb von 18 Sekunden und das bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h.
Ansonsten ist beim 4er Cabrio ziemlich viel wie es auch beim 4er Coupé ist. Das betrifft die (im Vergleich zum 3er) um 23 mm gewachsene hintere Spurweite genauso wie zusätzliche Versteifungen an Front und Heck, mehr Negativsturz an der Vorderachse sowie sportlichere Abstimmungen für Federn, Dämpfer, Lenkung, Bremsen und Regelsysteme.
Cabriotypisch gibt es Versteifungen durch zusätzliche Streben und Bodenbleche am Heck, steifere Seitenschweller, einen verstärkten Mitteltunnel und ein Alu-Schubfeld im Vorderbau-Bereich. Dadurch sinkt der Schwerpunkt gegenüber dem Coupé um 2 mm, gegenüber dem 3er sind es 23 mm. Was traditionell nicht sinkt, ist das Gewicht. Im Falle des getesteten M440i xDrive steigt das Gewicht um 150 auf 1.965 Kilo.
Abgesehen von der vorläufigen Topmotorisierung mit 374 PS-Sechszylinder (ein M4 Cabrio mit 510 PS folgt im Sommer) gibt es das 4er Cabrio zum Marktstart als 420i, 430i und 420d. Ergänzt wird das Portfolio ab Juli mit dem 430d, ab November kommt dann noch der M440d xDrive dazu. Eine Achtgang-Automatik ist bei allen Modellen Serie. Hier die wichtigsten technischen Daten in der Übersicht:
Motor | 420i | 430i | M440i xDrive | 420d | 430d | M440d xDrive |
Hubraum | 1.998 ccm | 1.998 ccm | 2.998 ccm | 1.995 ccm | 2.993 ccm | 2.993 ccm |
Leistung | 184 PS/300 Nm | 258 PS/400 Nm | 374 PS/500 Nm | 190 PS/400 Nm | 286 PS/650 Nm | 340 PS/700 Nm |
0-100 km/h | 8,2 Sekunden | 6,2 Sekunden | 4,9 Sekunden | 7,6 Sekunden | 5,9 Sekunden | 5,1 Sekunden |
Vmax | 236 km/h | 250 km/h | 250 km/h | 236 km/h | 250 km/h | 250 km/h |
Verbrauch | 6,7-7,4 Liter | 6,9-7,7 Liter | 7,8-8,4 Liter | 4,9-5,5 Liter | 5,9 Liter | 6,3 Liter |
Das 4er Cabrio startet noch im März zu Preisen ab gut 52.000 Euro. Der M440i kostet mindestens 75.900 Euro. Damit ist er mehr als 10.000 Euro teurer als das Coupé. Hauptkonkurrenten sind das Mercedes C-Klasse Cabriolet, welches möglicherweise in der neuen Generation nicht mehr angeboten wird, sowie das Audi A5 Cabriolet.
Wie fährt er?
Trotz des heftigen 150-Kilo-Rucksacks, den das Cabrio auf den Schultern trägt, fühlt es sich im Fahrverhalten nicht dramatisch anders an als das Coupé. Die Kaufinteressenten unter Ihnen sollten sich über diese Nachricht tatsächlich sehr freuen, denn wie wir bereits im letzten Oktober herausfinden konnten, ist der geschlossene 4er in dieser Hinsicht eine Wucht.
Die Lenkung ist auch hier ein wenig gummig-fest, aber superschnell und hibbelig direkt. Es ist dieser Tage einfach so ein BMW-M-Ding, dass die Autos in puncto Gefühl und Kommunikation nicht der Weisheit allerletzter Schluss sind. Sie wollen dem Fahrer ihre Sportlichkeit halt lieber über blitzschnelle Reaktionen und extrem zackige Bewegungen demonstrieren. Auch das M440i Cabrio fährt, als hätte es jederzeit 4 doppelte Espressi in der Pipeline. Das fühlt sich nicht immer komplett organisch an, aufregend und spaßig ist es aber allemal.
Vor allem, weil die Abstimmung von Fahrwerk und Allradantrieb einmal mehr hervorragend geglückt ist. Das Auto federt sehr hochwertig, satt und sportlich, aber niemals bockig. Und es hat immense Traktionsreserven. Dabei ist der xDrive-Allrad alles andere als fad abgestimmt. Das geht auch im Cabrio in eine sehr hecklastige Richtung.
Zur Weichei-Wellness-Behandlung im Testwagen gehörten unter anderem ein Windschott sowie der inzwischen obligatorische Nackenföhn im Sitz. So gewappnet befreit sich der Cabrio-Gourmet auch Anfang März im bayerischen Voralpenland problemlos von den Teint-versauenden Fesseln eines ordinären Dachs. Es ist wirklich kein großes Drama. Wärmehaushalt und Frisur werden nicht wirklich in Mitleidenschaft gezogen. Und ist das Dach zu, ist ebenfalls schön viel Ruhe im Karton. Selbst bei den kurzen 200 auf der Autobahn hielten sich die Windgeräusche sehr im Hintergrund.
Fehlt noch der Antrieb, dem einmal mehr ein Sonderlob gebührt. BMWs Dreiliter-Turbo-Reihensechser gehört vor allem in der aktuellsten Ausbaustufe zum Besten, was man derzeit so in einen Motorraum reinquetschen kann.
Vor ein paar Jahren hätten seine 374 PS und 500 Nm noch locker für einen Auftritt in einem vollwertigen M3 genügt. Vom Charakter hätte das ebenfalls ziemlich gut gepasst. Vor allem das aggressive Ansprechverhalten und die ungewöhnlich stark ausgeprägte Drehfreude charakterisieren diese Maschine. Sie erzeugt einfach ein sehr sehr starkes und spielerisches Gefühl von Beschleunigung. Und sie klingt wirklich schön. Selbst wenn man weiß, dass über die Lautsprecher nachgeholfen wird, erscheint der angreiferische, gerade oben heraus schön intensive Sound sehr natürlich.
Wie ist er innen?
Nicht wirklich anders als das 4er Coupé. Mit allen Vor- und Nachteilen. Dass BMW bei der Bedienung von Infotainment und Co. für uns derzeit das Nonplusultra ist, werden Sie eventuell schon mitbekommen haben. Dass wir das digitale Instrumentendisplay nicht ganz so super finden, wahrscheinlich auch.
Ansonsten fiel beim Test auf, dass der hellbeige Innenraum nicht so wertig rüberkommt, wie etwa Alternativen in dunkleren Brauntönen.
Die Sportsitze sind genau wie die Sitzposition richtig gut, hinter mir selbst (1,85 Meter) hätte ich aber tatsächlich keine große Lust, länger zu verweilen. Wenn der Beifahrer allerdings bereit ist, ein wenig nach vorne zu rutschen, kann man hinter ihm schon ganz passabel lümmeln. Die Kopffreiheit im Fond ist laut BMW zudem gegenüber dem Vorgänger um 5 mm gewachsen.
Fazit: 8/10
Abgesehen von der Optik, die bei den meisten Leuten auch nach etlichen Monaten noch nicht so recht ankommen will, hat BMW mit dem neuen 4er ein sehr sportliches und unterhaltsames Cabriolet auf die Räder gestellt. Bei Fahrverhalten und -dynamik kann ihm keiner der Konkurrenten das Wasser reichen. Typische Schwächen, die eine echte Einschränkung gegenüber dem Coupé darstellen würden, sucht man jenseits des deutlich höheren Gewichts vergeblich.
Ein sehr hochwertiges, rundes, performantes Angebot. Alles andere ist Geschmackssache.
Bildergalerie: BMW 4er Cabrio (2021) im Test
BMW 4er Cabriolet