Volvo ist mächtig im Aufwind. Und dabei wollte daran vor ein paar Jahren niemand so recht glauben. Als das Unternehmen im Jahr 2010 von Ford an den chinesischen Auto- und Motorradhersteller Geely verkauft wurde, liefen den Fans bittere Tränen über die Wangen. ,Ausgerechnet die Chinesen! Das ist der Untergang von Volvo!", stöhnten sie. Doch weit gefehlt: Seit längerem ist das Firmenkonto fett im Plus. Ein viel schickeres Design und neue, sparsamere Downsizing-Motoren bringen den Hersteller auf einen stabilen Kurs. Das Rezept heißt: Weg mit den Fünf- und Sechszylindern, her mit dem Motoren-Baukasten. In dem gibt es einen Vierzylinder-Block mit zwei Liter Hubraum und Standard-Komponenten wie Lichtmaschine, Ölwanne und Kurbelwelle. Aus diesen Teilen werden Dieselmotoren, Ottoantriebe und Hybrid-Systeme gebaut, die Leistung wird je nach angestrebter PS-Zahl von einem oder zwei Turboladern erpresst. Als Getriebe sind eine Sechsgang-Handbox und ein Achtgang-Automat zu haben.

181-PS-Diesel und Achtgang-Automat
Das klingt nach viel Vernunft, wenig Spaß und überhaupt nicht mehr nach dem Fünfzylinder-Grummeln, dass Fans an Volvo so lieben. Wir wollten wissen, wie sich der neue Vierzylinder im Alltag schlägt und diese Frage mit dem 181 PS starken Diesel, gekoppelt an die Achtgang-Automatik, im S60 D4 klären. Damit der Testwagen ein bisschen rassiger wird, haben wir das R-Design-Paket mit Sportfahrwerk und noch mehr feinen Besonderheiten (zu denen wir im Einzelnen noch kommen werden) sowie der mittleren Ausstattungslinie Momentum bestellt. Obendrauf kommen noch ein Multimediasystem mit Navigation und Bluetooth-Anbindung fürs Handy, ein Assistenzpaket mit Abstandstempomat und anderen nützlichen Helfern, sowie elektrisch einstellbare Vordersitze. Um es kurz zu machen: Das Auto ist bestens ausgestattet, allerdings in der Summe auch 55.000 Euro teuer. Ob sich das lohnt?

Bequeme Sportsitze
Unser blauer Begleiter – die Farbe heißt übrigens ,Rebel blue" und ist auf jeder Straße DER Blickfang – kommt dank R-Paket vorn standesgemäß mit Sportsitzen, die mit Leder und Alcantara bezogen sind. Das Gestühl ist bequem gepolstert, gibt aber dennoch straffen Halt. Bei den Redaktionskollegen ist der Schwede deswegen sehr gefragt – die Sitze spielen ihre rückenschonenden Trümpfe auf langen Strecken aus.

Anzeigen-Farbe einstellbar
Das Lenkrad ist ebenfalls eine R-Sportausführung mit schicken Alu-Speichen und griffigen Mulden auf drei und neun Uhr. Dahinter sitzt ein mittiges Rundinstrument mit weiteren seitlichen Anzeigen. Es stellt, je nach Einstellung (Eco, Elegance oder Performance), den Tacho oder den Drehzahlmesser dar. Beim Umschalten ändern sich die Farben der Beleuchtung – im Performance-Modus strahlt es aufregend rot, im Elegance-Modus gibt's ein leuchtendes Blau und der Eco-Modus wird grün schimmernd symbolisiert. Das ist eine nette Spielerei – und ausschließlich was fürs Auge. Beim Bedienkonzept sammelt der sonst ergonomisch eingeräumte Schwede ein paar Minuspunkte. So sind die Tasten in der Mittelkonsole recht klein geraten und einige auch ziemlich weit unten. Dadurch muss man den Blick kurz von der Straße nehmen, um die Klimaanlage zu regulieren oder die Lenkradheizung einzuschalten.

Straffes Sportfahrwerk
Das R-Sportfahrwerk bringt die Karosserie 15 Millimeter näher an den Asphalt. Und spaltet die Gemüter. Wer gerne durch Kurven jagt, lobt die stabile, wankarme Straßenlage. Aber wer oft über Land cruist, kritisiert die straffe Dämpfung, da Querrillen spürbar nach innen gemeldet werden. Die Lenkkraft kann in drei Stufen eingestellt werden. Für Spaß auf der Serpentinenstrecke empfehlen wir die härteste Variante, dann reagiert das Auto recht direkt auf Lenkradbewegungen. In den anderen beiden Einstellungen könnte mehr Feedback von der Straße kommen.

Laufruhiger, starker Diesel
Der laufruhige Diesel ist eine feine Sache: Die Maschine tritt druckvoll an, zieht kräftig aus dem Tourenkeller hoch und hat für Zwischenspurts jede Menge Drehmoment in petto. 7,4 Sekunden auf Hundert und 230 km/h Spitze sind respektable Werte. Der Vierzylinder ist leise und klingt nur wenig nach einem Selbstzünder. Und das nicht nur außen, sondern auch innen. Klar, der alte Fünfzylinder hatte einen schönen sonoren Klang. Vermissen kann man den schon, aber letztendlich setzt sich bei Volvo der Fortschritt durch. Wir können den D4 empfehlen, auch wenn das Auto im Alltag nicht ganz so sparsam ist, wie von Volvo angegeben – 4,2 Liter auf 100 Kilometer –, aber mit unseren 6,4 Liter im Durchschnitt sind wir zufrieden. Eine gute Wahl ist der 2.250 Euro teure Achtgang-Automat: Dass er arbeitet, ist bei normaler Fahrt nur am Zucken der Tourenzählernadel zu sehen. Und selbst bei Vollgas fühlen sich die Gangwechsel bloß wie nettes Rückenklopfen an. Gegen 190 Euro zusätzlich gibt's Wippen fürs Handschalten am Lenkrad, aber die braucht man gar nicht unbedingt.

Stauraum ist ausreichend vorhanden
Im Fond des Schweden ist genügend Raum, nur große Menschen beklagen etwas wenig Kopffreiheit. Der Kofferraum fasst 380 Liter und bietet für den Alltag ausreichend Platz. Dass die Laderaumöffnung auf den ersten Blick etwas eng geschnitten scheint, stört nicht weiter. Für die Familien-Wochenend-Einkäufe empfiehlt es sich, die Rücklehnen mit zwei Handgriffen zu entriegeln und somit den kompletten Fond zum Verstauen von Kisten und Kästen zu nutzen. Wir haben es öfter so praktiziert und waren jedes Mal erstaunt, wie viel wir doch in das Mittelklasseauto packen konnten.

Fast 55.000 Euro
Der Testwagen-Preis von den eingangs erwähnten 55.000 Euro ist schon ein stolzer Wert, schließlich kostet der billigste S60 D4 nur 33.750 Euro. Könnte man bei der Konfiguration etwas weglassen? Ja. Möglicherweise die elektrische Frontsitz-Verstellung für 1.600 Euro. Aber dann wird es schwierig. Das R-Design-Paket kostet 2.500 Euro, macht aber den Schweden optisch und technisch zum heißen Eisen. Sinnvoll ist auch das 2.150 Euro teure Fahrassistenzpaket mit Abstandstempomat, Notbrems- und Spurhalte-Assistent. Die Achtgang-Automatik? Bloß nicht streichen! Diese sanften Gangwechsel sind einfach Pflicht.

Wertung

  • ★★★★★★★★★☆
  • Der neue Vierzylinder-Diesel-Motor macht seine Sache wirklich gut, auch wenn viele dem schönen Fünfzylinderklang hinterher trauern. Das Baukasten-Aggregat ist laufruhig und bietet genug Durchzug von unten raus. Dazu passt die Achtgang-Automatik, die nahezu unmerklich schaltet. Auszusetzen gibt es an diesem Auto nicht viel, nur an die etwas kleinen Tasten und die teils etwas verschachtelten Menüs im Multimediasystems muss man sich erst gewöhnen. Das R-Design-Paket ist wegen seiner markanten Anbauteile, der großen Felgen und der guten Sportsitze eine Empfehlung wert – allerdings ist das straffe Sportfahrwerk nicht jedermanns Sache. Aber da hilft vor dem Kauf vielleicht eine ausführliche Probefahrt.

    + starker Diesel mit kräftigen Muskeln bei Zwischenspurts, reisetaugliche Sportsessel, sanfte Automatik
    - teils verschachtelte Menüs und kleine Tasten, das straffe Sportfahrwerk mag nicht jeder

  • Antrieb
    95%
  • Fahrwerk
    85%
  • Karosserie
    95%
  • Kosten
    90%

Preisliste


Volvo S60 D4 Momentum

Grundpreis: 37.950 Euro
Modell Preis in Euro
Testwagenpreis mit Automatik und Extras (2014) 54.850 Euro
Ausstattungen Preis in Euro
ABS Serie
ESP Serie
ASR Serie
Airbag Fahrer Serie
Airbag Beifahrer Serie
Seitenairbags vorn Serie
Kopfairbags vorn Serie
Kopfairbags hinten Serie
elektr. Fensterheber vorn Serie
elektr. Fensterheber hinten Serie
elektr. verstellbare Außenspiegel Serie
Klimaautomatik Serie
Zentralverriegelung mit Fernbed. Serie
Automatikgetriebe 2.250
Bildschirmnavigation (im Business-Pro-Paket)
CD-Radio Serie
MP3 Serie
elektr. Schiebedach 1.050
Metalliclackierung 400 (Testwagen in Rebel Blue)
Leichtmetallfelgen Serie (18-Zoll bei R-Design)
Sitzhöheneinstellung Serie
Tempomat Serie
Lederausstattung (im R-Design-Paket)
Xenonlicht 1.370
Kurvenlicht bei Xenon dabei
Business-Paket-Pro inkl. Radio, CD, DVD, Bluetooth-Freispecheinrichtung, acht Lautsprecher, Sieben-Zoll-Farbdisplay, AUX/USB-Anschluss, kompatibel mit Apple-Geräten, Sprachsteuerung, Modem, Notruf, WiFi-Hotspot, 3D-Navi u.v.m. 1.800
Fahrerassistenzpaket Pro inkl. Abstandstempomat, Notbremssystem, Stau-Folgeassistent, Distanzwarner, Aufmerksamkeitswarner, Killissionswarner, Spurhalteassistent, Verkehrschilderkennung, Warnung vor Querverkehr beim Ausparken, Warnung vor schnell nahenden Autos beim Spurwechsel, Intelligenter Fernlichtassistent u.v.m. 2.150
R-Design-Paket mit Aluminiumapplikationen innen, Chromapplikationen außen, digitale Instrumente, R-Design-Frontgrill, -Außenspiegel, -Schürzen, -Pedale, -Sportsitze, Sportfahrwerk (- 15 mm), Sportlenkrad u.v.m. 2.500
Sitze vorn mit Memory 1.590
Premium-Sound 1.150
Schaltwippen am Lenkrad 190
Rückfahrkamera 480
Lenkradheizung 250
Park Assist Pilot 590

Datenblatt

Motor und Antrieb
Motorart Reihen-Turbo-Dieselmotor 
Zylinder
Ventile
Hubraum in ccm 1.969 
Leistung in PS 181 
Leistung in kW 133 
bei U/min 1.750-2.500 
Drehmoment in Nm 400 
Antrieb Frontantrieb 
Gänge
Getriebe Automatik 
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1.585 
Spurweite hinten in mm 1.575 
Radaufhängung vorn Einzelradaufhängung, McPherson-Federbeine, untere Dreieckslenker 
Radaufhängung hinten Multi-Link-Einzelradaufhängung 
Bremsen vorn Scheiben, innenbelüftet 
Bremsen hinten Scheiben 
Wendekreis in m 11,5 
Räder, Reifen vorn 235/40 R18 (R-Design; Testwagen) 
Räder, Reifen hinten 235/40 R18 (R-Design; Testwagen) 
Lenkung elektrische Zahnstangen-Servolenkung 
Maße und Gewichte
Länge in mm 4.635 
Breite in mm 1.484 
Höhe in mm 1.865 
Radstand in mm 2.776 
Leergewicht in kg 1.701 
Zuladung in kg 369 
Kofferraumvolumen in Liter 380 
Anhängelast, gebremst in kg 1.800 
Dachlast in kg 75 
Tankinhalt in Liter 67,5 
Kraftstoffart Diesel 
Fahrleistungen / Verbrauch
Höchstgeschwindigkeit in km/h 230 
Beschleunigung 0-100 km/h in Sekunden 7,4 
EG-Gesamtverbrauch in Liter/100 km 4,2 (4,1 mit RoWi-Reifen) 
EG-Verbrauch innerorts in Liter/100 km 5,0 (4,9 mit RoWi-Reifen) 
EG-Verbrauch außerorts in Liter/100 km 3,7 (4,1 mit RoWi-Reifen) 
Testverbrauch Gesamt in Liter/100 km 6,4 
CO2-Emission in g/km 109 
Schadstoffklasse Euro 6 


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