Es ist seit Jahren ein heikles Thema: Schwere Unfälle von Rentnern im Stadtverkehr sorgen für Schlagzeilen. Und heizen die Diskussionen um Tauglichkeitsprüfungen im Alter an. Jetzt wird über eine Neufassung der EU-Führerscheinrichtlinie diskutiert: Viele Vorschläge, die derzeit öffentlich werden, resultieren laut dem ADAC aus Stellungnahmen und Rückmeldungen zum Entwurf der EU-Kommission zur Führerscheinrichtlinie, die seit März 2023 vorliegt.

Sie vermitteln ein Bild von der Breite der Diskussion, beschreiben aber noch nicht eine konkrete Entscheidung. Das gilt beispielsweise für die Einführung eines Stufenführerscheins in der Klasse B mit den Klassen B für leichtere und B+ für schwerere Fahrzeuge sowie für ein mögliches Nachtfahrverbot für Fahranfänger. Die finale Neufassung ist vor 2024 nicht zu erwarten. Grundsätzlich verfolgt die vierte EU-Führerscheinrichtlinie das Ziel, die Verkehrssicherheit in den europäischen Mitgliedstaaten weiter zu verbessern.

Tauglichkeitsprüfung: Mehrheit dafür, ADAC sagt jein

Eine weitere Idee sind Fahreignungsprüfungen für Senioren: Eine Verpflichtung zur Überprüfung der Fahreignung für bestimmte Altersgruppen lehnt der ADAC ab. Zwar kann es mit zunehmendem Alter zu Leistungseinbußen kommen, dennoch ist das Unfallrisiko älterer Autofahrer nicht außergewöhnlich hoch. Der ADAC befürwortet freiwillige unterstützende Elemente, wie ein Fahr-Fitness-Check. Dieser könnten einen positiven Beitrag zum Erhalt der eigenen Fahrfähigkeiten und zur Verbesserung der Verkehrssicherheit leisten.

Das scheinen die Deutschen anders zu sehen: Die Mehrheit ist dabei für die Einführung einer entsprechenden Überprüfung im Alter. Das geht aus einer Befragung unter 1.002 Personen hervor, die bereits im Herbst 2021 im Auftrag von AutoScout24 durchgeführt wurde.

89 Prozent der befragten Fahrzeughalter befürworten eine Einführung von Fahrtauglichkeitsüberprüfungen im Alter. Sogar in der Gruppe 50 bis 65 Jahre gibt es 78 Prozent Zustimmung. Die Mehrheit davon spricht sich für eine Einführung der Tests zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr aus. Die Altersgrenze von 70 Jahren findet dabei die höchste Zustimmung, da knapp ein Viertel der befragten Autofahrer (23 Prozent) ab diesem Zeitpunkt regelmäßige Fahrtauglichkeitstests durchführen möchte.

Unfallgefahr durch Senioren?

Experten betonen zwar immer wieder, dass erfahrene Fahrer zu sicheren Verkehrsteilnehmern gehören. Gleichzeitig belegen Statistiken, dass ältere Menschen, die in Verkehrsunfälle verwickelt sind, oft die Verursacher des Unfalls sind. Laut Statistischem Bundesamt tragen sie in mehr als zwei Drittel der Fälle (68 %) die Hauptschuld.

Im Alter nimmt die Fähigkeit zur sicheren Teilnahme am Straßenverkehr oft ab, was mit einer Verringerung der kognitiven Fähigkeiten einhergeht, die für sicheres Autofahren notwendig sind. Diese kognitiven Fähigkeiten werden von Psychologen oft unter dem Begriff "fluide Intelligenz" zusammengefasst.

Hierbei geht es um die Fähigkeit des Gehirns, komplexe Probleme zu lösen und Muster zu erkennen, ohne dabei auf bereits erworbenes Wissen angewiesen zu sein. Diese Fähigkeiten sind entscheidend, um sich schnell an neue Verkehrssituationen anzupassen und mit komplexen Herausforderungen im Straßenverkehr umzugehen. Sie bilden somit eine grundlegende Voraussetzung für die Fahrtüchtigkeit.

Jakob Futorjanski, Mitgründer der Gehirngesundheitsplattform NeuroNation, kennt sich mit der Entwicklung der fluiden Intelligenz über die Lebenszeit aus. NeuroNation bietet Interventionen zur Verbesserung der Gehirnleistung: "Mit dem Alter nehmen kognitive Fähigkeiten ab, die für sicheres Autofahren erforderlich sind. Das zeigen Studien, wie zum Beispiel die Dortmunder Altersstudie.

Demnach entstehen die meisten Autounfälle älterer Autofahrer unter anderem durch eine Abnahme der Fähigkeit, sich gleichzeitig auf mehrere Aspekte des Straßenverkehrs konzentrieren zu können. Eine regelmäßige Überprüfung der Fahrtauglichkeit ab 70 Jahren kann dazu beitragen, die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu erhöhen - auch die der Autofahrer."

So sind die Vorschriften in anderen Ländern

Interessant ist der Blick zu unseren Nachbarn in Europa: In einigen Ländern gibt es die Fahrtauglichkeitsprüfung nämlich bereits.

  • Dänemark: Autofahrer ab dem 80. Lebensjahr müssen jedes Jahr einen Test ablegen.
  • Italien: Personen unter 50 Jahren müssen alle zehn Jahre eine Untersuchung durchführen lassen. Ab dem 50. Lebensjahr werden die Intervalle kürzer, und der Führerschein muss alle fünf Jahre verlängert werden. Ab dem 70. Lebensjahr ist dies alle drei Jahre erforderlich, und ab dem 80. Lebensjahr alle zwei Jahre.
  • Niederlande: Hier besteht eine ärztliche Bescheinigungspflicht, die ab dem 75. Lebensjahr eine Überprüfung der Fahrtüchtigkeit alle fünf Jahre vorsieht.
  • Portugal: Bereits ab dem 50. Lebensjahr ist hier eine Untersuchung verpflichtend, zunächst alle fünf Jahre. Ab dem 70. Lebensjahr beträgt das Intervall zwei Jahre.
  • Schweiz: Fahrer im Alter von 75 Jahren und älter sind alle zwei Jahre verpflichtet, sich einer medizinischen Überprüfung (Fahrtüchtigkeitsprüfung) zu unterziehen.
  • Spanien: Hier ist ein obligatorischer Gesundheitstest alle fünf Jahre ab dem 65. Lebensjahr vorgeschrieben.
  • Tschechien: Personen ab dem 60. Lebensjahr sind verpflichtet, sich alle fünf Jahre überprüfen zu lassen, und mit zunehmendem Alter werden die Intervalle kürzer.