Man kennt sie. Und irgendwie auch wieder nicht. Die Rede ist nicht von den eigenen Nachbarn, sondern von Autos, die so unauffällig blieben, dass sie heute nur eingefleischte Fans noch kennen. Solche Modelle müssen nicht zwangsläufig Flops gewesen sein, aber sie liefen unter dem Radar des gewöhnlichen Autokäufers. In unregelmäßiger Folge holen wir hier unter dem Titel "Kennen Sie den noch?" solche Old- und Youngtimer aus dem Nebel des Vergessens.

Sein Schöpfer liebte ihn, manch Kunde empfand die Optik eher gewöhnungsbedürftig. Die Rede ist vom Citroën Ami 6, der am 24. April 1961, also vor genau 60 Jahren, der Presse vorgestellt wurde. Nachdem er mit dem Citroën-Designteam den Traction Avant, den 2CV und die DS entworfen hatte, wurde Flaminio Bertoni mit der Entwicklung eines Mittelklassewagens betraut. Das Ergebnis war der Ami 6 − sein Meisterwerk, wie er es selbst bezeichnete.

Die Karosserie des Ami 6 mit den stark akzentuierten Linien und der nach hinten geneigten Heckscheibe, die auch bei Regen eine klare Sicht nach hinten ermöglichte, sorgte für großes Aufsehen. Besagte Form der Heckscheibe war kein Design-Gag: Die Firmenleitung bestimmte, dass der Wagen nicht länger als vier Meter sein durfte.

Citroën Ami 6 (1963)

Durch diesen Kniff sorgte Bertoni für ausreichend Kopffreiheit im Fond. Zudem bot der Ami 6 einen großen Kofferraum, eine optimale Raumnutzung bei kompakten Abmessungen und viel Komfort für alle Passagiere.

Die Technik war vom 2CV abgeleitet – so basierte unter anderem der luftgekühlte Zweizylinder-Boxermotor auf der Motorisierung der legendären "Ente". Der Ami 6 wurde anfänglich mit 21 PS (16 kW) angeboten, stärkere Motorisierungen mit bis zu 32 PS folgten für den nur 620 Kilogramm schweren Wagen.

Neben der markanten Front sorgten auch die mittig nach innen gewölbte Motorhaube, das Dach im Pagoden-Stil und die auffälligen Linien an den Seiten für einen besonderen Auftritt. Bereits im September 1961 wurde der Ami 6 um hintere Schiebefenster und einen von außen zu öffnenden Kofferraumdeckel ergänzt. Die neu konstruierten rechteckigen Scheinwerfer führten zu einer um 26 Prozent höheren Lichtausbeute als konventionelle runde Scheinwerfer.

Citroën Ami 6

Innovativ war nicht nur das Design, sondern auch das Marketing. In damaligen Werbeanzeigen wurde der Ami 6 als „Zweitfahrzeug, ideal für die Dame des Hauses“ präsentiert. Im Juni 1963 wurde der Ami 6 mit vier runden Scheinwerfern und verstärkten Stoßfängern in den Vereinigten Staaten vorgestellt.

Der Innenraum des Ami 6 erinnerte an die DS. Vom Einspeichenlenkrad über die Türgriffe bis hin zu den Bedienelementen und Sitzen. Die Fahrwerksaufhängung des 2CV sorgte für ein hervorragendes Fahrverhalten. Insbesondere die Club-Versionen mit vier Scheinwerfern und weißer Seitenverkleidung, die ab September 1967 auf den Markt kamen, erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit bei den Fans des Modells.

Ende 1964 feierte die Kombi-Version Break mit 320 kg Nutzlast ihre Premiere. Entworfen wurde sie von Henri Dargent, Assistent von Flaminio Bertoni, und Robert Opron, Nachfolger des 1964 verstorbenen Bertoni.

Citroën Ami 6 Break
Citroën Ami 6 Break

Der Break schaffte es nicht nur, den Absatz deutlich anzukurbeln, sondern überholte die Limousine sogar − ein sehr seltenes Ereignis in der Automobilgeschichte. Mehr als die Hälfte der über eine Million produzierten Ami 6 entfallen auf den Break.

Das Design war konsensorientierter und bot zudem ein beträchtliches Volumen für ein Freizeitfahrzeug dieser Kategorie. Zudem war der Ami 6 Break vielseitig einsetzbar und sehr komfortabel – ideale Voraussetzungen für Familien, ebenso wie für professionelle Einsätze, beispielsweise im handwerklichen Bereich. So avancierte der Ami 6 im Jahr 1966 zum meistverkauften Fahrzeug in Frankreich.

Die Produktion der Limousine endete im März 1969, sechs Monate vor Produktionsende des Ami 6 Break. Nachfolger wurde der konventionellere Ami 8, dessen Heckscheibe in die „richtige“ Richtung zeigte. Dieser wurde 1978 vom Visa abgelöst.

Citroën Ami 8 (1969)
Citroën Ami 8 (1969)

Der Modellname Ami 6 setzt sich übrigens zusammen aus der internen Bezeichnung "AM" und "amici" (italienisch für Freunde) – inspiriert von seinem Designer, der selbst Italiener war. Zudem wurde das französische "Ami six" bewusst als Wortspiel zum englischen "a Missis" gewählt, da mit diesem Modell mehr Frauen als Kundinnen gewonnen werden sollten.

Am 19. Dezember 1966 veranstaltete Citroën „Le Tour de Gaule d’Amisix“. An den Start in Rennes-La-Janais gingen drei Ami 6 Break, um ihre Ausdauer und Straßenqualitäten unter Beweis zu stellen. Das Ziel erreichten sie – begleitet von einer Eskorte – nach 23 Stunden und 11 Minuten; insgesamt hatte das Team 2.077 Kilometer mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 89,6 km/h zurückgelegt.

Produktionsstandorte waren Paris von 1961 bis 1963 und Rennes-La-Janais von 1961 bis 1969. Mit dem Ami 6 eröffnete Citroën das neugebaute Werk in der Bretagne; es handelte sich um die erste große Dezentralisierungsmaßnahme der Marke aus Paris. Hinzu kamen Forest (Belgien) von 1961 bis 1969, Mangualde (Spanien) ab 1963 und Vigo (Spanien) für den Break ab 1967.

1.039.384 Fahrzeuge wurden insgesamt produziert: 483.986 Limousinen (April 1961 bis März 1969), 551.880 Break (Oktober 1964 bis September 1969) sowie 3.518 Entreprise (Break Service, zwei Sitzplätze, verglaste und verkleidete Versionen).

Bildergalerie: 60 Jahre Citroën Ami 6 (1961-1969)