Man kennt sie. Und irgendwie auch wieder nicht. Die Rede ist nicht von den eigenen Nachbarn, sondern von Autos, die so unauffällig blieben, dass sie heute nur eingefleischte Fans noch kennen. Solche Modelle müssen nicht zwangsläufig zu Lebzeiten Flops gewesen sein. Aber sie liefen unter dem Radar des gewöhnlichen Autokäufers. In unregelmäßiger Folge wollen wir ab sofort unter dem Titel "Kennen Sie den noch?" Old- und Youngtimer aus dem Nebel des Vergessens holen.

Man kennt das Prinzip von Autos wie dem Mercedes Sprinter: Wo viel reinpasst, ist die Optik zweitrangig. Aber es sind eben Nutzfahrzeuge in vielerlei Hinsicht, pure Werkzeuge wie ein Schraubenzieher. Im PKW-Bereich gelten anderen Maßstäbe, wie Mercedes Anfang dieses Jahrhunderts schmerzlich feststellen musste. So schmerzlich, dass man zu unserem heutigen Kandidaten, dem Vaneo, nichts mehr auf der Daimler-Presseseite findet. Zum Glück gibt es das M@RS genannte digitale Archiv der Mercedes-Klassikabteilung. 

Aber der Reihe nach: Der multifunktionale Kompakt-Van Vaneo, den Mercedes im September 2001 auf der IAA in Frankfurt/Main dem Publikum präsentierte, sollte Familien-Limousine, Freizeitfahrzeug und Großraum-Kombi in einem sein. Mit seinem Monospace-Design, seiner tiefen Gürtellinie samt großzügiger Fensterflächen und den beiden großen Schiebetüren pflegte der intern W 414 genannte Mercedes trotz enger technischer Verwandtschaft mit der ersten A-Klasse einen eigenständigen Auftritt. Dafür sorgten schon die ungewöhlichen Abmessungen: 2,90 Meter Radstand, 4,19 Meter Länge, 1,74 Meter Breite und eine Höhe von 1,83 Meter.

O-Ton Mercedes: "Das hohe Dach und das schnörkellose Design strahlten funktionales Selbstbewusstsein aus." Viele Betrachter hingegen eher: Um Gottes Willen. Dabei sprachen die inneren Werte klar für den Vaneo. Er bot Platz für bis zu fünf Erwachsene und zwei Kinder oder beförderte selbst die umfangreichste Hobby-Ausrüstung bis zu einem Ladevolumen von 3.000 Liter und bis zu 600 Kilogramm Gewicht. 

Mercedes-Benz Vaneo

Stattliche 92,5 Zentimeter maßen die senkrecht angeordneten, bichromatischen Rückleuchten in der Länge. Einerseits waren sie ein auffälliges Design-Merkmal, standen in bewusstem Kontrast zu den großen Blech- und Glasflächen des Vaneo und unterstrichen im Profil dessen konsequente Monospace-Form. Andererseits brachten sie funktionale Vorteile: Sie saßen außerhalb des unfallgefährdeten Bereichs und die Lichtsignale waren weithin zu erkennen. Über Kiemen im oberen Bereich der Leuchten wurde zugleich der Innenraum entlüftet.

Der Mercedes Vaneo startete Anfang 2002 und war mit einem Fünfgang-Schaltgetriebe - wahlweise auch mit automatischer Kupplung oder Automatikgetriebe - lieferbar. Als Basis-Benziner fungierte ein 1,6 Liter großes Aggregat mit 82 PS. Naturgemäß bessere Fahrleistungen bot die stärkere, hubraumgleiche Variante mit 102 PS. Die Topmotorisierung mit 125 PS bildete der Vaneo 1.9. Das Spitzenmodell erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 181 km/h, der Gesamtverbrauch lag bei 8,1 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer. Die beiden Turbodieselmodelle des Typs Vaneo CDI 1.7 hatten 1,7 Liter Hubraum und waren mit 75 PS und 90 PS Leistung erhältlich. Ihr NEFZ-Gesamtverbrauch lag bei 5,7 beziehungsweise 5,9 Liter.

Mercedes-Benz Vaneo

Über zwei Schiebetüren war der Innenraum leicht und bequem zugänglich. Die Schiebetüren waren mit einer lichten Weite von 756 und einer Höhe von 1.210 Millimetern groß dimensioniert, und entsprechend üppig fiel auch die Öffnung aus.

Komfortables Be- und Entladen erlaubte gleichfalls die große Heckklappe. Von Gasdruckfedern unterstützt, schwenkte sie so weit nach oben, dass auch Großgewachsene unter ihr bequem stehen konnten. Alternativ zur Klappe war eine asymmetrisch geteilte Hecktür erhältlich. Ihre Flügel waren im Verhältnis 2/3 zu 1/3 angeordnet, die größere Tür ließ sich auch separat öffnen - hilfreich beim Beladen vom rechten Fahrbahnrand. Die Flügel rasteten zunächst in einer 90-Grad-Stellung ein, konnten über diesen Punkt hinweg aber bis zu einem Winkel von 170 Grad zur Seite geschwenkt werden.

Mercedes-Benz Vaneo

Die Fondsitzbank ließ sich im Verhältnis 60 zu 40 teilen. Die Rückenlehnen konnten auf die Sitzkissen geklappt, mit diesen zusammen hinter den Vordersitzen verstaut oder ausgebaut werden. Dies war jeweils einzeln oder auch am Stück möglich. Die Kopfstützen ließen sich ins Sitzkissen stecken und waren bei Umbau-Aktionen dann nicht im Weg. Dank Schnellverschlüssen ließen sich die Sitze mit wenigen Handgriffen und ohne Werkzeug aus der Verankerung im Fahrzeugboden lösen und konnten durch die großen Schiebetüren einfach ins Freie getragen werden. War der größere Teil des Rückbank ausgebaut, konnte dort ein Innenraumträger für Fahrräder montiert werden. 

Auf Wunsch ließ sich der Beifahrersitz ebenfalls demontieren. Dann maß der Laderaum an dieser Stelle zwischen Heckklappe und Stirnwand stattliche 2.970 Millimeter. Als Picknick-Tisch taugte der multifunktionale Beifahrersitz ebenfalls: Wurde seine Lehne auf das Sitzkissen geklappt, standen dort Aussparungen für Getränkedosen bereit. Für die hinterste Reihe waren auf Wunsch zwei spezielle Kindersitze erhältlich. Auch sie ließen sich in Tisch-Stellung klappen oder senkrecht vor die nächste Sitzreihe falten.

Mercedes-Benz Vaneo

Der Vaneo wurde ab Ende 2001 im Werk Ludwigsfelde in Brandenburg gebaut, wo Mercedes rund 500 Millionen Euro in hochmoderne Produktionsanlagen investiert hatte. Doch trotz aller praktischen Qualitäten floppte der Vaneo bei den Kunden. 

Kritisiert wurden am Vaneo unter anderem der Sitzkomfort, Qualitätsmängel und der Preis. So kostete der 1.6 mit 102 PS zum Marktstart knapp 40.000 DM. Kein Wunder also, dass die Verkaufszahlen des Vaneo unter den Prognosen blieben; DaimlerChrysler drosselte die Produktion mangels Nachfrage nach wenigen Monaten. Hinzu kam, dass es mit dem Toyota Yaris Verso ein optisch nicht unähnliches, aber viel günstigeres Produkt auf dem Markt gab. Etabliert waren 2001 zudem schon längst der Citroën Berlingo und der Renault Kangoo. Außerdem versäumte es Mercedes, dem Vaneo eine verblechte Nutzfahrzeug-Variante zur Seite zu stellen. 

Letztlich war der Vaneo zu komplex geraten, ein Fehler, den man beim Quasi-Nachfolger, dem Citan auf Basis des Renault Kangoo, nicht machte. Drei Jahre nach der Markteinführung teilte man im Februar 2005 mit, die Produktion des Vaneo im selben Jahr einzustellen. Bis dahin waren rund 55.000 Exemplare hergestellt worden. Fast zeitgleich startete die erste Mercedes B-Klasse ihre erfolgreiche Karriere. Hier hatte Mercedes alles richtig gemacht. 

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