Selbst unter Exoten kann sich der Lancia Thesis noch mit Seltenheitswert rühmen. Wohl weil der charakterstarke Italiener ein so rarer Typ ist, sorgt er im Straßenverkehr – obwohl bereits seit 2002 auf dem Markt – noch immer für Aufsehen. Denn insbesondere sein bisweilen skurril anmutendes Design weckt das Interesse vieler Verkehrsteilnehmer. Was der italienische Individualist neben Halsumdrehen sonst noch drauf hat, haben wir mit dem 185 PS starken 2.4 Multijet 20v gestestet.

Setzt sich optisch ab
Trotz der eigentlich konservativen Stufenheck-Optik hebt sich der Thesis dank eigenwilliger Details vom Oberklasse-Einerlei wohltuend ab. Reizvoll und repräsentativ sind zum Beispiel seine schmalen Heckleuchtenstreifen hinter vornehmem Milchglas. Auch die edelsteinartig geformten Frontscheinwerfer, der mächtige Chromkühlergrill sowie seine insgesamt sehr ruhigen Linien verleihen ihm Noblesse als auch kühle Fremdartigkeit.

Wohlfühlen in der Lancia-Lounge
Ein Ausnahme-Flair bietet auch der Innenraum. Zwar ist eigentlich alles auf dem zeitgemäßen Niveau anderer Mittel- und Oberklasse-Konkurrenten. Doch hinterlässt das Ensemble aus raffiniert-wertvollen Materialien seinen ganz besonderen Eindruck. Holz, Leder, hochwertig wirkende Kunststoffe und Metall schaffen diese für Lancia so charakteristische Atmosphäre, die auch im Thesis irgendwo zwischen sehr geschmackvoll und leicht schwülstig rangiert. Zu den sehenswerten Besonderheiten gehören der schicke Armaturenträger oder die über die Cockpitbreite verlaufende Holzleiste aus naturbelassenem Mahagoni.

Viel Platz, viel Luxus
Unser Test-Thesis verwöhnte darüber hinaus mit einem Highend-Navisystem sowie mit vollelektrischen Vordersitzen, die zudem über Massage-Funktion und Klima-Belüftung verfügten. Wem solche und andere Nobel-Standards aus dem Oberklasse-Segment bekannt sind, der wird im Thesis weder Neues entdecken, noch wirklich Wichtiges vermissen. Lediglich die Verarbeitungsqualität wirkte stellenweise etwas nachlässig. Und so sehenswert die Lederbezüge der Vordersitze von Poltrona Frau auch sind: Eine vollauf befriedigende Sitzposition lässt sich auf ihnen nur schwerlich finden. Zudem sind die Kopfstützen nicht weit genug herausfahrbar. Dafür ist das Platzangebot für die Insassen insgesamt gut, der Kofferraum mit 480 Liter angemessen groß.

Nur als Selbstschalter
Für standesgemäßen Fahrkomfort sorgt auch das serienmäßige Automatikgetriebe, bei Lancia Comfortronic genannt. Fünf Vorwärtsstufen übertragen die aus fünf Zylindern mobilisierten 185 PS an die Vorderräder. Mit dieser stattlichen Dieselkraft geht es annähernd flott voran: Der 100-km/h-Sprint dauert 9,7 Sekunden, der Vortrieb endet bei 220 km/h. Nach dem Start gibt sich der Motor noch recht zivil. Doch legt man den Automatikhebel von N auf D, nagelt der Antrieb ungebührlich stark und nervt zudem mit Vibrationen. Dafür gibt sich der Fünfzylinder bemerkenswert drehfreudig und spritzig. Selbst noch im hohen Drehzahlbereich setzt er Gasbefehle relativ spontan in Vorwärtsdrang um.

Kein Überflieger
Angesichts der 1,9 Tonnen Gewicht und der Kraftübertragung mit einer klassischen Wandlerautomatik ist der Fünfzylinderdiesel eine noch genügsame Wärmekraftmaschine: Nach über 2.000 Testkilometer haben wir im Schnitt nur 8,4 Liter verfeuert und damit sogar weniger vertankt, als Lancia hierfür offiziell veranschlagt. Laut Hersteller liegt der durchschnittliche Spritkonsum bei 8,8 Liter. Mit dem 75-Liter-Tank sind also Reichweiten von bis zu 900 Kilometer möglich. Für sich betrachtet sind dies durchaus respektable Werte. Doch fährt der Thesis damit den deutschen Premium-Konkurrenten hinterher. So verbraucht ein BMW 525d mit Automatik bei besseren Fahrleistungen laut Hersteller nur 6,5 Liter pro 100 Kilometer. Ein Mercedes E 280 CDI mit 7G-Tronic ist noch flotter unterwegs, konsumiert mit 7,2 Liter aber ebenfalls weniger.

Variable Dämpfereinstellung mit Schwächen
Vor allem im Vergleich zu eben jenen deutschen Mitbewerbern mag außerdem das Thesis-Fahrwerk nicht vollauf überzeugen. Wie alle aktuellen Maserati-Modelle, so verfügt auch der große Lancia über die an sich geniale Skyhook-Aufhängung. Während ein Quattroporte mit dieser Fahrwerkstechnik den Spagat zwischen sportlicher Präzision und hohem Komfort mit Grandezza meistert, patzt der Thesis mit seiner variablen Dämpfereinstellung. Zwar werden die meisten Unebenheiten sauber weggefiltert. Doch manche Hubbel leitet der Unterbau unangemessen hart an die Insassen weiter. Trotz dieser gelegentlichen Härte: Auch sportliche Fahrfreuden wollen nicht so recht aufkommen. Die Lenkung wirkt bisweilen etwas synthetisch, der Wagen insgesamt zu schwerfällig und kopflastig. Richtig störend war jedoch die gelegentlich stark polternde Hinterachse, die bei mancher Unebenheit sogar das Heck seitlich leicht versetzten ließ. Von diesen deutlichen Mängeln abgesehen, konnte der Thesis sich als schneller Gleiter auf langen Strecken dennoch weitgehend bewähren. Zudem sorgen die Regelsysteme ABS, ESP und die Traktionskontrolle für ein State-of-the-Art-Sicherheitsniveau. Passiv tragen dazu unter anderem zwei Front-, vier Seiten- und zwei Kopfairbags bei.

Viel für viel Geld
Auch das restliche Ausstattungsniveau des Thesis ist hoch. Die von uns getestete Motorisierung ist allein in Kombination mit dem Automatikgetriebe erhältlich. Wählen kann der Kunde noch zwischen zwei Ausstattungsniveaus: Emblema und Centenario. Letztere setzt für 2.650 Euro Aufpreis im wesentlichen nur optische Akzente. Ohne diesen optischen Schnickschnack kostet die Basisversion Emblema üppige 48.900 Euro. Zur Serienausstattung gehören dann allerdings 16-Zoll-Alus, Bi-Xenon-Scheinwerfer, elektrische Ledersitze, eine Klimaautomatik, eine Premium-Audio-Anlage von Bose, eine elektronische Feststellbremse, ein Navi-System mit Sieben-Zoll-Farbdisplay, eine elektrohydraulische Schließung der Heckklappe und vieles mehr. Seltsam nur, dass bei diesem nahezu voll ausgestatteten Fahrzeug eines der wenigen bestellbaren Extras Nebelscheinwerfer für 200 Euro sind.

Ausstattungsbereinigt ein Schnäppchen
Im Vergleich zu den bereits erwähnten Dieselversionen der Mercedes E-Klasse und dem BMW 5er ist der Thesis zwar in der Basis teuerer. Doch vergleicht man die Ausstattung, kann sich der italienische Luxusschlitten klar von diesen deutschen Konkurrenten absetzen und ist angesichts des Gebotenen sogar ein kleines Schnäppchen. Apropos: Der Thesis ist kein sonderlich wertstabiles Auto und kann entsprechend günstig auf dem Gebrauchtmarkt erworben werden.

Wertung

  • ★★★★★★★☆☆☆
  • Mit dem Thesis beweist Lancia, dass die italienische Autobaukunst in Sachen Design eine echte Macht ist. Das sehenswerte Luxusauto sticht in wohltuender Weise aus dem Einheitsbrei der Business-Limousinen heraus, ist großzügig und geschmackvoll ausgestattet. Sein kraftvoller Diesel sorgt für angemessene Fahrleistungen, ohne dabei übertrieben durstig zu sein. Doch kann der schicke Italiener technisch nicht das Perfektionsniveau einer Mercedes E-Klasse bieten. Letztlich fährt der Thesis der deutschen Premium-Konkurrenz hinterher. Immerhin ist er preislich gut aufgestellt, relativiert dies jedoch durch einen schlechten Wiederverkaufswert.

  • Antrieb
    65%
    noch sparsam, drehfreudig, angemessen kraftvoll
    zu unkultiviert
  • Fahrwerk
    55%
    viel aktive Sicherheit, gute Reiselimousine
    unausgewogen, polternde Hinterachse
  • Karosserie
    80%
    viel Platz, tolles Ambiente, viel Luxus
    Kopffreiheit hinten, Ergonomie der Vordersitze
  • Kosten
    80%
    viel Ausstattung, günstiger als deutsche Mitbewerber
    hoher Wertverlust

Preisliste


Lancia Thesis 2.4 Multijet 20v Comfortronic Emblema

Grundpreis: 48.900 Euro
Modell Preis in Euro
Lancia Thesis 2.4 Multijet 20v Comfortronic Centenario Sportiva 51.550
Lancia Thesis 2.4 Multijet 20v Comfortronic Centenario Elegante 51.550
Ausstattungen Preis in Euro
ABS Serie
ESP Serie
ASR Serie
Airbag Fahrer Serie
Airbag Beifahrer Serie
Seitenairbags vorn Serie
Kopfairbags vorn Serie
Seitenairbags hinten Serie
Kopfairbags hinten Serie
elektr. Fensterheber vorn Serie
elektr. Fensterheber hinten Serie
elektr. verstellbare Außenspiegel Serie
Klimaautomatik Serie
Zentralverriegelung mit Fernbed. Serie
Automatikgetriebe Serie
Bildschirmnavigation Serie
CD-Radio Serie
elektr. Schiebedach 1.550
Metalliclackierung 850
Leichtmetallfelgen 16 Zoll Serie
Sitzhöheneinstellung Serie
Tempomat Serie
Lederausstattung Serie
Xenonlicht Serie
Nebelscheinwerfer 200

Datenblatt

Motor und Antrieb
Motorart Reihen-Turbodieselmotor 
Zylinder
Ventile
Hubraum in ccm 2.387 
Leistung in PS 185 
Leistung in kW 136 
bei U/min 1.750 
Drehmoment in Nm 330 
Antrieb Frontantrieb 
Gänge
Getriebe Automatik 
Fahrwerk
Bremsen vorn Scheiben, innenbelüftet 
Bremsen hinten Scheiben, innenbelüftet 
Räder, Reifen vorn 215/60 R16 95W 
Räder, Reifen hinten 215/60 R16 95W 
Maße und Gewichte
Länge in mm 4.888 
Breite in mm 1.830 
Höhe in mm 1.470 
Radstand in mm 2.803 
Leergewicht in kg 1.895 
Zuladung in kg 435 
Kofferraumvolumen in Liter 480 
Anhängelast, gebremst in kg 1.500 
Dachlast in kg 100 
Tankinhalt in Liter 75 
Kraftstoffart Diesel 
Fahrleistungen / Verbrauch
Höchstgeschwindigkeit in km/h 220 
Beschleunigung 0-100 km/h in Sekunden 9,7 
EG-Gesamtverbrauch in Liter/100 km 8,8 
EG-Verbrauch innerorts in Liter/100 km 12,1 
EG-Verbrauch außerorts in Liter/100 km 6,9 
Testverbrauch Minimum in Liter/100 km 7,9 
Testverbrauch Gesamt in Liter/100 km 8,4 
CO2-Emission in g/km 234 
Schadstoffklasse Euro 4 
Fixkosten
Steuer pro Jahr in Euro 370 
Haftpflicht-Klasse 20 
Teilkasko-Klasse 23 
Vollkasko-Klasse 21 

Bildergalerie: Von besonderer Herkunft