Schreibmaschinen sind längst out, Fotoapparate lassen sich ohne Computerkenntnisse auch nicht mehr richtig bedienen und für die Bedienung eines Oberklassefahrzeugs ist ein Informatikstudium sicher kein Nachteil. Nun, mag sein, dass das ein wenig übertrieben ist, aber Elektronik bestimmt immer größere Bereiche unseres Lebens. Das betrifft auch das Auto. Nicht weniger als 90 Prozent der Innovationen im Fahrzeugbereich sind Elektronik- oder Software-Neuerungen. Deshalb stellte uns BMW nun im Rahmen eines Innovationstags die Neuentwicklungen auf diesem Gebiet vor.

Fahrererkennung per Infrarotkamera
Zu den interessantesten Ideen gehört eine Verbesserung in puncto Individualisierung. Viele Oberklasseautos verfügen heute schon über eine Memoryfunktion für die Einstellung von Außenspiegeln und Sitzen. Doch für mehr als zwei Fahrer lassen sich die Einstellungen selten speichern. Anders ist das bei einem von BMW entwickelten System, das den Fahrer automatisch mithilfe einer Infrarotkamera erkennt. Die nur wenige Zentimeter große Kamera wird irgendwo im Bereich des Armaturenbretts installiert. Sie registriert Strahlung aus dem nahen Infrarotbereich, das heißt aus dem Wellenlängenbereich zwischen dem sichtbaren Licht und der Wärmestrahlung. Damit die Kamera etwas ,sieht", werden zwei Infrarotscheinwerfer benötigt, die das Gesicht des Fahrers anstrahlen. Die Insassen bemerken davon jedoch nichts.

Sicherer als Fingerabdruck-Erkennung
Eine Software wandelt die aufgenommenen Bilder in Matrizen um und vergleicht diese mathematischen Objekte mit den Daten von bereits gespeicherten Fahrern. Bei einer Übereinstimmung werden die Sitze und die Spiegel passend eingestellt. Auch kann das Radio schon mal die Lieblingssender des Fahrers heraussuchen. Andernfalls wird das Gesicht weiter beobachtet, denn möglicherweise sieht der Fahrer ja gerade die hübsche Beifahrerin an. Durch die Aufnahme einer Bildserie werden Personen besonders sicher erkannt. Hier liegt auch der Vorteil gegenüber einer Fingerabdruck-Erkennung. Denn Scanner erkennen einen Daumen selten schon beim ersten Auflegen, wie Kunden einer Automaten-Videothek aus eigener Erfahrung wissen. Da ist die IR-Kamera die bessere Lösung, glauben die BMW-Ingenieure.

Webbasierte Bedienungsanleitung
Eine weitere Innovation betrifft die Bedienungsanleitung. In den heute üblichen Papierwälzern steht eine Menge drin, was das eigene Fahrzeug gar nicht betrifft. Da wird die Bedienung des Schiebedachs erklärt, obwohl man gar keines hat, oder es werden Schalter erläutert, die in der georderten Ausstattung nicht verfügbar sind. Eine besser auf das einzelne Fahrzeug und seine Ausstattung abgestimmte Anleitung wäre wünschenswert. Als ersten Schritt hat BMW eine webbasierte Bedienungsanleitung programmiert. Der Händler konfiguriert diese so, dass sie genau zur bestellten Version passt. Ein weiterer Vorteil gegenüber der Papierform ist die Möglichkeit, Animationsfilme zu verwenden. Außerdem kann man die elektronische Bedienungsanleitung erweitern, wenn beispielsweise nachträglich noch ein Navigationssystem eingebaut wird.

Demnächst auf dem Display des 7ers?
Die Nachteile sind aber ebenso offensichtlich, denn eine Bedienungsanleitung, die man nur am heimischen PC lesen kann, nützt gerade im Pannenfall nicht viel. Aus unserer Sicht ergibt die elektronische Bedienungsanleitung nur dann Sinn, wenn sie ins Auto integriert wird. Wenn das Fahrzeug schon ein großes Display besitzt, liegt es ja nahe, die Anleitung dort als Offline-Applikation verfügbar zu machen. Obwohl uns die BMW-Ingenieure dazu partout nichts sagen wollten, könnte es sein, dass der Ende 2008 erscheinende neue BMW 7er schon ein solches System besitzt.

Schnittstellen-Probleme
Wie vielfältig die Möglichkeiten der Informationstechnologie (IT) im Auto sind, zeigen schon die beiden genannten Innovationen. Mit der Fahrzeug-IT gelangen jedoch auch ihre Probleme ins Auto. Da ist zunächst einmal das Schnittstellen-Problem. Externe Geräte wie Mobilnavis oder Handys sollen sich schließlich möglichst reibungslos an die Audioanlage im Fahrzeug anschließen lassen, und zwar möglichst drahtlos. Aber wie? Techniken gibt es genug: Bluetooth, WLAN (Wireless Local Area Network), FM-Transmittertechnik und noch ein paar mehr. BMW baut hier auf zwei Techniken. Da ist zunächst das Bluetooth-Audio-Streaming. Die Bluetooth-Technik hat den Vorteil, dass viele Handys sie schon unterstützten. Wer seine MP3-Musiksammlung sowieso immer auf der Speicherkarte in seinem Handy dabeihat, würde sich gern auch im Auto damit beschallen lassen.

Neuheiten vom Bluetooth-Streaming
Die Musikdateien werden beim Bluetooth-Streaming kontinuierlich an die Audioanlage im Auto übertragen. Es gibt bereits Audioanlagen, die diesen Trick beherrschen. Einen Sprung vorwärts macht die Technik mit einem neuen Übertragungsprotokoll namens AVRCP 1.4. Das Kürzel steht für die neueste Version des Audio/Video Remote Control Profile. Diese ermöglicht im Gegensatz zum reinen Audio-Streaming vom Gerät zur Audioanlage einen richtigen Dialog der beiden Seiten. So kann im Display des Autos zum Beispiel nach allen MP3-Musikstücken eines bestimmten Künstlers gesucht werden. Diese Anfrage wird dann via Bluetooth an das externe Gerät weitergegeben, also das Handy oder das MP3-fähige Mobilnavi. Dieses liefert dann eine Liste aller Stücke dieses Künstlers zurück. Im Endeffekt ermöglicht AVRCP 1.4 also die Steuerung eines per Bluetooth verbundenen Gerätes mithilfe von Playlisten, wie es etwa von der Bedienung des Apple iPod bekannt ist.

Wireless USB für Video-Streaming
Bluetooth ist wegen des engen Frequenzbands und der dadurch beschränkten Datenübertragungsrate zwar gut für Audio-Streaming geeignet, aber nicht für Video-Streaming. Für diesen Bereich setzt BMW auf Wireless USB. Da hier ein breites Frequenzband eingesetzt werden kann – maximal ist der Bereich von drei bis zehn Gigahertz nutzbar – sind bis zu 480 MBit pro Sekunde machbar. Zum Vergleich: Die drahtlose Internetübertragungstechnik WLAN schafft gerade mal 100 MBit pro Sekunde. Wireless USB und das dazugehörige Protokoll namens UWB (Ultra Wide Band) werden allerdings erst in einigen Jahren von Geräten unterstützt. Dann jedoch könnte man seinen per Digitalkamera aufgezeichneten Party-Film-Schnipsel auch auf dem Fahrzeugdisplay ansehen. Natürlich ist auch das Audio-Streaming vom Mobilnavi oder dem Handy möglich. Oder man steckt seinen USB-Stick mit seinen Urlaubsbildern in einen USB-Hub, von wo aus die Daten drahtlos an die Auto-Elektronik übertragen werden.

Plattform für Multimedia-Anwendungen
Die Probleme der Elektronik im Auto beschränken sich nicht auf die Vielzahl der Schnittstellen, sie reichen viel tiefer. So sind die Innovationszyklen in der Unterhaltungselektronik viel kürzer als die Lebensdauer eines Autos. So kam BMW auf den Gedanken, autospezifische Hard- und Software wie Motorsteuerung oder ESP-Programmierung einerseits von der Unterhaltungs-Hard- und Software andererseits zu trennen. Während die autospezifische Elektronik bereits seit einiger Zeit durch die vom AUTomotive Open System ARchitecture (AUTOSAR) genormt ist, trifft das auf die Multimediaelektronik nicht zu. Für das Infotainment würden sich Hardwarelösungen eignen, die nahe an Konsumentengeräten liegen.

Einfachere Programmierung
Die Ingenieure zeigten uns ein Versuchsgerät, bei dem ein X86-Rechner mit autotypischen Steckern an ein Fahrzeugdisplay angeschlossen wird. An diesem Prototypen lässt sich gut untersuchen, wie sich so ein normaler Computer unter autotypischen Bedingungen verhält. Dazu zählen extreme Hitze, Kälte, Feuchtigkeit, Vibrationen und mehr. Das Ganze soll keine BMW-spezifische Insellösung werden, sondern sich für die Standardisierung eignen. Dadurch, dass weit verbreitete Hardware eingesetzt wird, fällt die Programmierung leicht. Außerdem müssten bestimmte Software-Elemente nur noch für diese eine, herstellerübergreifende Plattform erstellt werden, statt für jeden Autohersteller separat. Das gilt zum Beispiel für Treiber zum Anschluss von neuen Mobiltelefonen ans Auto. Derzeit werden sie von Zulieferern für jeden Fahrzeughersteller getrennt erstellt – eine herstellerunabhängige Plattform würde hier große Einsparpotenziale bieten.

Schon serienreif: Internet im Auto
Eine dritte Schwierigkeit neben der Schnittstellenproblematik und der kurzen Produktzyklen von Infotainment-Anwendungen stellt die Anzeige von externen Inhalten auf dem Auto-Display dar. Ein Paradebeispiel sind Webseiten, die ja in aller Regel für große Computer-Bildschirme gestaltet sind, nicht für einen kleinen Fahrzeugmonitor. Außerdem braucht man fürs Surfen im Internet eigentlich eine Tastatur und eine Maus, die im Fahrzeug fehlen. Dennoch führt BMW nun das Internet im Auto ein. Webseiten kann man sich allerdings aus Sicherheitsgründen nur bis zu einem Tempo von fünf km/h ansehen. Zur Bedienung wird dabei der Controller des bekannten iDrive-Bediensystems genutzt, der die Funktion der Maus übernimmt. Webadressen können ebenfalls eingegeben werden, und zwar mit einer Buchstabenauswahl und dem iDrive-Controller, ähnlich wie bei der Zieleingabe von vielen Navigationsgeräten. Ganz einfach ist das nicht – besser, man legt gleich ein Lesezeichen an.

Mit EDGE-Technik
Die Übertragung der Daten basiert auf der EDGE-Technik, was für Enhanced Data Rates for GSM Evolution steht. Diese Technik, mit der auch das Apple iPhone ins Netz geht, ist mit etwa 200 Kilobit pro Sekunde zwar langsamer als UMTS (Universal Mobile Telecommunications System), das knapp 400 Kilobit pro Sekunde erreicht. Dafür ist EDGE aber flächendeckend verfügbar, so BMW. Diese Übertragungstechnik ist außerdem drei- bis viermal schneller als GPRS (General Packet Radio Service), das nur etwa 60 Kilobit pro Sekunde überträgt. Um auch mit der vergleichsweise niedrigen Datenübertragungsrate Internetseiten zügig darstellen zu können, lässt BMW die abgerufenen Seiten über einen eigenen Server laufen. Dieser komprimiert die enthaltenen Bilder und wandelt Videos in animierte Bildsequenzen um. Das Internet-Surfen im Auto soll noch im Laufe des Jahres 2008 in Serie gehen. Angeboten wird es in Verbindung mit einer Datenflatrate, die etwa 150 bis 200 Euro pro Jahr kosten soll.

Dynamische HMI-Erstellung
Auch wenn das Internet im Auto demnächst in Serie geht: Die Mensch-Maschine-Schnittstelle von solchen Infotainmentdiensten ist noch verbesserungswürdig. So ist diese Schnittstelle bei heutigen BMW-Fahrzeugen statisch, das heißt, Infotainmentdienste, die erst nach Auslieferung des Autos entwickelt werden, können nicht integriert werden. Eine Verbesserung der Darstellung ist durch die so genannte Dynamische HMI-Generierung möglich, wobei HMI für Human-Machine Interface steht. Die BMW-Ingenieure zeigten uns einen Prototypen, bei dem ein Ultra Mobile Personal Computer zum Surfen im Internet genutzt werden kann. Die Webseiten werden dabei per WLAN an die Autoelektronik übertragen. Das Problem ist nun jedoch, die Anzeige auf dem kleineren Fahrzeugdisplay zu ermöglichen.

Wie bei Stylesheets
Dabei ist auch das BMW-typische Look-and-Feel zu bewahren. Dazu müssen Elemente wie Buttons oder Auswahllisten ihre Form, ihre Größe und Position verändern. Deshalb teilt der Dienst, hier also die spezielle Website, der Elektronik im Auto mit, welche Bedienelemente nötig sind. Bei der Karten-Website Google Maps sind das zum Beispiel die Karte, verschiedene Auswahllisten und Eingabezeilen. Die Elektronik entscheidet dann, wie und wo auf dem Display diese Bedienelemente am besten dargestellt werden. Das funktioniert so ähnlich, wie man das Aussehen einer HTML-Seite mithilfe von Stylesheets an verschiedene Ausgabegeräte anpasst. Dabei ist das Konzept nicht auf Internetseiten beschränkt. Auch ein Musik-Player lässt sich zum Beispiel durch die Zahl der nötigen Bedienknöpfe wie Play, Stop, Pause und so weiter beschreiben, sodass die Bedienung dann auch über das Autodisplay erfolgen kann.

Teleprogrammierung der Software
Ein weiteres Beispiel für moderne Fahrzeug-IT ist die Teleprogrammierung. Das Ganze hilft, das Fahrzeug softwaremäßig aktuell zu halten, ohne in die Werkstatt zu müssen. Zunächst loggt man sich zu Hause in einem BMW-Webportal ein. Dort kann man aus einer Liste Zusatzfunktionen wie zum Beispiel Personal Radio wählen. Dabei handelt es sich um eine Software, mit der man im Radio durch die eingebaute Podcast-Funktion immer das hören kann, worauf man gerade Lust hat. Man bezahlt das Feature per Kreditkarte und schiebt dann dieselbe Karte im Auto in ein Lesegerät. Wenn nötig, wird daraufhin das Programm heruntergeladen und das jeweilige Steuergerät umprogrammiert – der Fachmann bezeichnet dies als ,Flashen". Und noch eine andere Möglichkeit haben die Ingenieure vorgesehen: Man drückt im Fahrzeug die Taste für die Fahrzeugdiagnose, und wenn eine neue Softwareversion beispielsweise für die Klimaanlage verfügbar ist, dann wird man gefragt, ob man seine Version aktualisieren möchte. Wann das Ganze in Serie gehen könnte, sagt BMW noch nicht. Was aber bereits funktioniert, ist die Teleservice-Diagnose. Dabei werden auf Knopfdruck die Inhalte der Fahrzeug-Fehlerliste an die BMW-Pannenhilfe übertragen.

Fernbedienung fürs Auto
Ebenfalls eine Art Fernbedienung für das Auto stellen die neuen Fernfunktionen von BMW dar. Damit ist es möglich, sich das Auto aufsperren zu lassen, wenn man den Schlüssel im Fahrzeug eingeschlossen hat. Oder man kann die Türen absperren lassen, wenn man sich nach dem Check-in am Flughafen plötzlich nicht mehr sicher ist, ob man abgeschlossen hat. Eine dritte Möglichkeit ist die Aktivierung der Klimaanlage, sodass man im Sommer das Auto schon vom Büro aus kühlen kann. Außerdem kann man sich zu seinem Fahrzeug führen lassen, wenn man es im Straßengewirr einer fremden Stadt nicht mehr wiederfindet. Und schließlich kann man auch die Hupe per Callcenter ertönen lassen, sodass man seinen BMW im Parkhaus wiederfindet. Um diese Dinge zu veranlassen, ruft man einfach das BMW-Callcenter an, identifiziert sich mit der Beantwortung einiger Fragen und bittet den Mitarbeiter um die gewünschte Dienstleistung. Der sendet eine verschlüsselte SMS an das Fahrzeug.

Leider nicht direkt per Handy
Damit die SMS auch empfangen werden kann, muss der BMW mit der Sonderausstattung ,Handyvorbereitung Business mit Bluetooth-Schnittstelle" ausgestattet sein. Beim 7er ist dieses Extra nur mit Navigationssystem zu bekommen, sodass man fast 4.000 Euro extra bezahlt. Wenn man dieses Ausstattungselement geordert hat, ist das Auto mit einer SIM-Karte ausgestattet. Ist die Nachricht im Auto eingetroffen, entriegelt die so genannte Telematic Control Unit die Türen oder führt eine der anderen Maßnahmen durch. Die Fernfunktionen sind ab Herbst 2008 aktivierbar. Weitere Funktionen wie das Schließen der Fenster könnten später hinzukommen. Die direkte Veranlassung der Fernfunktionen, also ohne ein Callcenter einschalten zu müssen, ist nicht geplant – angeblich aus Sicherheitsgründen. Schade eigentlich: Cool wäre es schon, wenn man zum Beispiel das Verdeck seines Cabrios einfach per SMS vom eigenen Handy aus öffnen könnte.

Bildergalerie: IT-Innovationen im Auto