Stezzano bei Bergamo (Italien), 28. Oktober 2010 – ,I fahr jetz seid a baar Jahre scho an Lexus", sagt der Mann am Nebentisch in breitester Schwaben-Mundart, ,und i bin sehr zfrieden." Besser könnte der Auftakt unserer Alpenüberquerung im Lexus IS-F für den japanischen Nobelhersteller gar nicht sein: ein Schwabe, der die Japanmarke statt Mercedes fährt – Gold wert für die Werbung.

Auftritt Isolde, von rechts
Unsere Alpenüberfahrt beginnt im bayerischen Schongau, wir sehen hinüber auf Neuschwanstein, das geliebte Schloss des verschrobenen Bayernkönigs Ludwig II. Wir warten noch auf einen wichtigen Teilnehmer. Dann tritt Isolde auf – nicht die aus der Oper von Ludwigs Lieblingskomponisten Richard Wagner, sondern die Rallyefahrerin Isolde Holderieth, mehrfache Welt- und Europameisterin bei den Damen. Sie wird uns später zeigen, was der Lexus IS-F wirklich drauf hat. Jetzt aber erzählt sie vom Alpenkönig, ist sie doch selbst hier in der Gegend – bei Oberammergau – zu Hause. Isolde hat auch die Strecke unserer Alpenüberquerung ausgetüftelt. Dann machen wir uns auf den Weg, fahren von Schongau hinüber ins Lechtal und von dort hinauf zum Hahntennjoch, das das Tiroler Lechtal mit dem oberen Inntal verbindet.

Gut versteckte 423 PS
Der Achtzylinder ist hier plötzlich nicht mehr wiederzuerkennen. In München, wo wir die Sportversion der Mittelklasselimousine übernommen haben, gebärdete sich der IS-F noch lammfromm. Auch auf der Autobahn, wo bei Tempo 120 gerade mal 2.000 Umdrehungen anlagen, brummte das Aggregat friedlich vor sich hin. Um dem monotonen Tiefton zu entgehen, brachten wir die Achtgang-Automatik manchmal per Schaltwippeneinsatz dazu, in den sechsten Gang zurückzuschalten.

Plötzlich nicht mehr lammfromm
Aber jetzt, auf den Serpentinen des 1.894 Meter hohen Alpenpasses, brüllt und blüht der Motor richtig auf. Ab 3.800 U/min schaltet der Ansaugtrakt auf einen anderen Port um, und das hört man. Und dann ist auch deutlich zu merken, dass unser Wagen nicht 208 PS hat, wie der normale IS mit Benzinmotor, sondern 423 PS, und damit in die gleiche Klasse gehört wie ein BMW M3 oder ein Porsche 911 Turbo.

Endlose Serpentinen am Stilfser Joch
Vom Hahntennjoch geht es wieder hinunter ins Inntal, und von dort über die Piller Höhe nach Serfaus, wo wir übernachten. Am nächsten Morgen geht es weiter über den Reschenpass zu einem wirklichen Highlight, dem legendären Stilfser Joch. Endlose Serpentinen fahren wir hinauf. Hier lernen wir auch, die Sportsitze zu schätzen: Sie halten uns selbst in scharf genommenen Kurven am Platz. Vor uns sehen wir sehen ein Radler-Pärchen, die Frau voraus, mit hochrotem Kopf und augenscheinlich fast am Ende ihrer Kräfte. Wir fahren vorbei und denken, dass es ja nicht mehr weit sein kann bis zur Passhöhe. Doch dann, nach einer guten Viertelstunde Fahrt, weitet sich der Blick auf das Ende des Tales – und nun werden Dutzende weiterer Serpentinen sichtbar. Wir müssen an die armen Radler denken, die wir passiert haben. Bis hinauf auf 2.757 Meter, über die 48 nummerierten Kehren, werden sie es sicher nicht schaffen.

Problemlos auf die Passhöhe
Wir dagegen haben keine Mühe. In den engen Biegungen kann der Lexus allerdings nicht alles zeigen, was er kann, denn der Gegenverkehr kommt schon mal auf der falschen Straßenseite daher, um die Kurve zu kriegen. Schließlich ist es geschafft: Wir stehen an der Passhöhe und frösteln etwas beim Blick auf die weiß glänzenden Gletscherkappen der Bergriesen.

Was Rallyefahrer auszeichnet
Die andere Seite des Passes ist nicht ganz so steil. Hier, wo man etwas freier fahren kann, setzen wir uns neben Isolde Holderieth und lassen uns zeigen, wie ein Profi fährt. Natürlich gibt Isolde bergauf auf der Geraden Vollgas, aber was uns besonders beeindruckt, ist, wie sie sich selbst im Griff hat. Während uns nach etlichen Powerslides in der Kurve das Adrenalin aus den Ohren wieder herauskommt, bleibt Isolde so kühl, als wäre sie im Stadtverkehr auf dem Weg zur Arbeit. Wo wir, von Serpentine zu Serpentine hetzend, manchmal den Gegenverkehr arg spät ins Kalkül ziehen, steigt Isolde beherzt auf die Bremse. Sie bleibt schlicht und einfach so lange stehen, bis der Gegenverkehr durch ist, ohne sich an engen Stellen durchzumogeln. Es ist diese Geistesgegenwart, die gute Rallyefahrer auszeichnet, lassen wir uns später von einem Kenner der Szene erklären.

Beim König der Bremsenmacher
Von Bormio, dem südlichen Ende des Passes, fahren wir einem letzten Höhepunkt unserer Alpenüberquerung zu: dem Passo di Gavia. Hier kann der Lexus sich nochmal austoben und wir genießen gleichzeitig die hochalpine Kulisse im warmen Licht des Nachmittags. Am Lago d'Iseo geht diese Etappe zu Ende. Die Zivilisation hat uns wieder, Bergeinsamkeit wird durch dichten Berufsverkehr mit Stau abgelöst. Am nächsten Morgen fahren wir ans Flüsschen Brembo bei Bergamo. An diesem unscheinbaren Gewässer residiert der König der Bremsenmacher, und von ihm hat die Firma Brembo ihren Namen. Von hier kommen nicht nur die Bremsen der meisten Formel-1-Boliden und Sportwagen von Ferrari, Lamborghini oder Porsche, sondern eben auch die Verzögerer für unseren Lexus IS-F. Nicht immer tragen sie den Brembo-Schriftzug: Porsche und Lexus schreiben den eigenen Namen darauf.

Der rote Kilometer
Am Kilometro Rosso besuchen wir das Entwicklungszentrum der weltweit agierenden Firma. Den Namen hat das Gebäude von seiner langen, roten Frontansicht. Vor der roten Mauer stehen die Wagen der Beschäftigten auf einem Parkplatz, der aussieht wie das Starterfeld eines Autorennens. Aber wir sind nicht hergekommen, um die Architektur zu bewundern, sondern um etwas zum oft vernachlässigten Thema Bremsen zu lernen. Endlich lernen wir, was der Unterschied zwischen der ordinären Schwimmsattelbremse und der edlen Festsattelbremse ist: Erstere, die bei weitaus den meisten Autos eingebaut wird, besitzt nur einen einzigen Bremskolben. Bei der für Sportwagen verwendeten Festsattelbremse ist die Einheit aus dem oft rot, gelb oder schwarz lackieren Sattel und den Kolben fest mit der Radaufhängung verbunden.

Vorne sechs, hinten zwei Kolben
Statt eines einzigen Kolbens werden außerdem bei der Sportbremse Kolbenpaare verwendet, die von beiden Seiten auf die Beläge auf die Bremsscheibe pressen – bis zu vier pro Seite werden eingesetzt. Unser IS-F hat Stahl-Festsattelbremsen: Vorne arbeitet eine Sechskolben-Bremse, also drücken drei Kolben von links und drei von rechts. Hinten wird ein Doppelkolben-Bremssattel eingesetzt, also links einer und rechts einer. Jedenfalls hat unser IS-F gut damit gebremst, sodass wir unsere Alpentour von den Schlössern des Alpenkönigs Ludwig zum Bremsenkönig Brembo nicht nur sicher, sondern auch genussvoll abgeschlossen haben.

Bildergalerie: Alpentour im Lexus IS-F