Die Ikone: A110 Berlinette
Der bekannteste Alpine ist die legendäre A110 Berlinette. Warum das Auto im Volksmund ,die Flunder" genannt wurde, macht unser Bild deutlich. Doch der viele Jahre im Renn- und Rallyesport eingesetzte A110 stand nicht am Anfang der Geschichte.
Er gründete Alpine: Jean Rédélé
Dem Alpine-Gründer Jean Rédélé wurde der Automobilismus in die Wiege gelegt. Geboren am 17. Mai 1922, war er der älteste Sohn von Émile Rédélé, einem Renault-Händler aus Dieppe und offiziellen Mechaniker des ersten Renault-Werksfahrers (Ferenc Szisz). Nachdem Jean eine Wirtschaftsschule in Paris abgeschlossen hatte, wurde das Renault-Management auf seine Geschäftsideen aufmerksam und er wurde im Alter von 24 Jahren der jüngste Autohändler Frankreichs.
Erste Rennsiege am Steuer eines Renn-4CV
Im Alter von 28 Jahren nahm Rédélé an seinen ersten Rennen teil. Nach Versuchen bei der Rallye Monte-Carlo triumphierte er 1950 bei der ersten Rallye de Dieppe. Am Steuer seines Renault 4CV besiegte er zahlreiche stärkere Wettbewerber. Dieser Sieg überzeugte Renault, ihm in der folgenden Saison einen 4CV 1063 anzuvertrauen, eine spezielle Rennversion.
Der Urvater der Alpine-Modelle: Renault 4CV
Sein Rennwagen inspirierte Rédélé zu den späteren Alpine-Modellen. Aus dem Renault 4CV entwickelten sich später die Alpine-Modelle. Mit nur 560 Kilo war das Großserienmodell (Bild) extrem leicht, hatte Platz für vier Personen und einen Heckmotor, der die Hinterräder antrieb.
Die ersten A106-Modelle in den Nationalfarben
Schon das erste Serienfahrzeug von Alpine, der A106, verwendete viele Teile vom 4CV. Sogar der Name leitete sich vom Serienmodell ab: 106 war der Renault-interne Codenamen für den 4CV, das A kam vom Firmennamen Alpine hinzu. Drei Prototypen in den französischen Nationalfarben – bei unserem Bild sind die Farben wohl etwas verfälscht – wurden im Februar 1955 dem Renault-Management gezeigt.
Renault-Chef Dreyfus bei der Vorführung des A106
Der frischgebackene Renault-Präsident Pierre Dreyfus persönlich begutachtete den A106 (Bild). Das Alpine-Modell hatte dasselbe Chassis und dasselbe Fahrwerk wie der 4CV. Darauf wurde aber eine leichte Kunststoffkarosserie gesetzt. Der 747-ccm-Vierzylinder aus dem 4CV wurde in zwei Leistungsstufen angeboten: 21 und 38 PS.
A106: Erster Rennerfolg im Jahr 1956
Vom A106 wurden zwischen 1955 und 1960 genau 251 Stück gebaut. 1956 holte Maurice Michy damit einen Klassensieg bei der Mille Miglia (Bild).
A106 bei Pressefahrten
Pressefahrten im Jahr 1956 im französischen Monthléry: Schon damals durften Motorjournalisten also Autos testen.
Verräterische Luftzufuhr vor den Hinterrädern
Der A106 auf der Straße: Der fehlende Grill vorne und die Lufteinlässe vor den Hinterrädern verraten es: Hier sitzt der Motor hinten.
Das zweite Alpine-Modell: A108 auf Dauphine-Basis
1958 kam der A108 auf den Markt. Zwischen 1958 und 1965 wurden 236 Stück von dem neuen Modell hergestellt. Der A106 wurde zunächst weitergebaut – bis 1963. Statt des 4CV-Motors erhielt der A108 einen 845-ccm-Motor aus dem Renault Dauphine (Bild). Später konnte man auch andere Motoren bestellen.
Made in Brazil: Der Willys-Interlagos
Die Alpine-Modelle waren recht einfach zusammenzubauen, sogar für ungelernte Arbeiter. Und sie genossen den Ruf großer Verlässlichkeit. So beschloss Rédélé, die Firma nach Brasilien expandieren zu lassen. Willys-Overland stellte dort bereits den Renault Dauphine her, nun kamen die Alpine-Modelle hinzu. Ab 1960 kamen die Modelle mit dem Namen Interlagos – benannt nach der berühmten Rennstrecke – auf den Markt. Sie ähnelten dem A108 stark.
Der A110: Die Geburt der Flunder
,Der" Alpine, die legendäre A110 Berlinette, startete 1962. Der erste A110 wurde zwar schon im Herbst 1961 gebaut, doch vorgestellt wurde das neue Modell erst 1962 auf dem Pariser Salon. Die ,Flunder" wie das Auto im Jargon der Fans hieß, wurde von 1962 bis 1977 hergestellt. Drei Karosserieversionen gab es: ein zweisitziges Cabrio, ein 2+2-sitziges Sportcoupé namens A110 GT4 und die ,Berlinette", eine Fließheckvariante.
Renault 8 als technische Basis
Renault-Serienmodelle waren die Teilelieferanten für die meisten Alpines: Beim A106 war es der 4CV, beim A108 war es die Dauphine und beim A110 Berlinette der Renault 8 (Bild), der 1962 die Dauphine abgelöst hatte. Die Verbindungen zu Renault wurden immer fester. Ab 1967 trug jedes Fahrzeug den Markennamen Alpine-Renault.
Die A110-Produktion in Dieppe
Der A110 wurde in Rédélés nordfranzösischer Heimatstadt Dieppe gefertigt, zunächst in der Rue de Pasteur, ab 1970 zusätzlich in einem weiteren Werk im Industriegebiet von Dieppe (Bild: 1970, Werk in Dieppe).
Die A110 Berlinette, ein work in progress
Der A110 entwickelte sich ständig weiter. Der ursprünglich eingesetzte Motor mit 1.108 ccm aus dem R8 Gordini hatte 86 PS. Es folgten Motoren mit 1.255 ccm, 1.565 ccm und 1.605 ccm. Auch äußere Details änderten sich. So gab es bald vier Scheinwerfer (unser Bild) statt zwei, ausgestellte Radhäuser und mehr.
Kurz, niedrig und leicht
Die Berlinette war nur 3,85 Meter lang und nur 1,12 Meter hoch. Damit hatte sie Abmessungen wie die heutige Lotus Elise. Das Gewicht war mit rund 730 Kilo sehr niedrig – eine heutige Elise wiegt mindestens 857 Kilo.
Handshake der Sieger
Ab 1963 wurde der A110 von Werksteams im Motorsport eingesetzt – vor allem in Rallyes. Neben französischen Rennen wie der Rallye Monte Carlo nahm die Berlinette auch an internationalen Veranstaltungen wie der Akropolis-Rallye (Bild) teil.
Punkten gegen die stärkere Konkurrenz
Anfangs tat sich der A110 schwer gegen die besser motorisierte Konkurrenz. Ab 1966 wurde es besser, und 1971 fuhr der Schwede Ove Andersson zusammen mit dem Briten David Stone sogar einen Gesamtsieg ein (Bild).
Gesamtsieg bei der Rallye Portugal 1973
1973 erneut ein Gesamtsieg: Die Franzosen Jean-Luc Thérier und Jacques Jaubert triumphierten mit ihrem A110 1800 bei der Rallye Portugal (Bild). Auf den Plätzen folgten ein weiterer A110, ein Citroën DS, ein Fiat Abarth 124 und ein Porsche 911.
Dreifachsieg 1973 in Monte Carlo
Bei der 42. Rallye Monte Carlo gingen alle drei Stockerl-Plätze an den A110 1800. Sieger wurden Jean-Claude Andruet und Michèle Petit.
Triumph bei der Tour de Corse 1973
Bei der Tour de Corse 1973 gingen gleich 19 Stück vom A110 an den Start. In Gruppe 4 belegte wiederum der A110 1800 die ersten drei Plätze.
Aerodynamik zählt: Alpine M64
Ab 1963 strebte Alpine in Le Mans statt des Gesamtsieges den Sieg beim "Performance Index" und dem "Efficiency Index" an. Im Jahr 1964 konnten die aerodynamisch ausgefeilten Alpine M64 (Bild) mit ihren kleinen Motoren punkten.
Langes Heck und Seitenflossen: Der A210
Nach der Erfolgen mit dem M64 entwickelte Alpine einen neuen Wagen für die Saison 1966: den A210. Charakteristisch war die extrem aerodynamische Karosserie mit dem langen Heck und zwei Seitenflossen.
Thermische Effizienz siegt
Die Mühe lohnte sich: 1966 fuhren Jacques Cheinisse und Roger Delageneste auf A210 in Le Mans einen Sieg beim ,Index of Thermal Efficiency" und einen Platz 11 im Gesamtklassement heraus (Bild).
A310 mit Vierzylinder: Von 1971 bis 1976
1968 machte sich Rédélé an die Entwicklung eines Nachfolgers für den A110. Er sollte mehr Komfort als dieser bieten und gegen den Porsche 911 antreten. Das 1971 vorgestellte Auto übernahm den Rohrrahmen vom A110 und hatte wie der Renault 8 und der R10 Heckantrieb. Die Karosserie bestand aus GFK und wurde von Hand gefertigt. Das Auto erhielt zunächst den 1,6-Liter-Motor des Renault 16 TS mit vier Zylindern.
Der erfolgreichste Alpine: A310 V6
Der A310 versprach ein Erfolg zu werden, doch die Ölkrise 1973 dämpfte die Verkäufe. 1976 wurde eine V6-Version eingeführt (Bild), und damit gelang der Durchbruch: Mit fast 10.000 Stück bis zum Produktionsende 1985 wurde der A310 V6 zum verkaufsstärksten Alpine-Modell – noch vor der berühmteren A110 Berlinette.
Der A310 als Rennwagen
Auch im Motorsport wurde der A310 V6 natürlich wieder eingesetzt. Guy Frequelin und Jacques Delaval gewannen mit diesem bespoilerten Auto 1977 die Ronde de la Giraglia, eine Rallye in Korsika.
Große Sprünge im Rallyecross-Sport
Ebenfalls 1977 gewann Jean Ragnotti die französische Rallyecross-Meisterschaft auf A310 V6 (Bild: Ragnottis Auto beim Rallyecross-Rennen in Reims).
Alpine A442 triumphiert in Le Mans
Auch in Le Mans spielte Alpine eine Rolle. Der A442, auch Renault-Alpine 442 genannt, wurde von 1975 bis 1978 in Sportwagenrennen eingesetzt. 1978 gewannen Pironi und Jaussaud damit die 24 Stunden von Le Mans (Bild).
Renault Alpine V6 Turbo von 1985
Als Nachfolger des A310 wurde 1985 auf dem Genfer Autosalon der V6 GT (auch V6 Turbo oder GTA genannt) vorgestellt. Der V6 Turbo war das erste Modell, das nicht mehr von Rédélé entwickelt wurde – der ging 1978 in den Ruhestand. Schon zuvor, im Jahr 1973, hatte Renault die Aktienmehrheit übernommen.
V6 Turbo als Rennwagen
Von Anfang an wurde der V6 Turbo auch als Rennwagen eingesetzt (Bild: Jean Ragnottis Auto beim Castellet Europa Cup 1988).
Zurück zu den alten Zahlen: Alpine A610
Nachfolger des V6 Turbo wurde 1991 der A610. Damit kehrte Alpine zu den alten Modellbezeichnungen à la A110 zurück. Als Motor diente ein 2,0-Liter-V6, der mit Turbo auf 250 PS kam.
Mit Klappscheinwerfern
Klappscheinwerfer gehörten zu den markantesten Merkmalen des A610. Rund 800 Stück wurden bis 1995 gebaut.
Happy Birthday, Alpine: Der A110-50
Zum 50. Geburtstag der A110 Berlinette, präsentierte Renault 2012 die Studie A110-50. Im gleichen Jahr übernahm der britische Sportwagenhersteller Caterham 50 Prozent der Aktienanteile.
Alpine A450 alias Oreca-Nissan
Mit dem Alpine A450 sind wir im Jahr 2014 angekommen. In Wirklichkeit war der Wagen allerdings ein umbenannter Oreca-Nissan. Der Rennwagen wurde in Le Mans eingesetzt und belegte den achten Platz in der LMP2-Klasse.
Alpine Vision Gran Turismo von 2015
Auf dem Festival Automobile International in Paris (28. Januar bis 1. Februar 2015) präsentierte Alpine mit dem Vision Gran Turismo die Studie eines neuen Rennsportwagens. Sie soll einen Ausblick auf das für 2016 geplante Alpine-Serienfahrzeug geben. Die Markengeschichte von Alpine ist also auch nach 60 Jahren noch nicht zu Ende. Wir sind gespannt, was noch kommt.
Die neuesten Fotostrecken
39 / 39