Die Zeit steht kurz still, wenn die Reifen des neuen Ford F-150 Raptor den Untergrund verlassen. Ob beabsichtigt oder aus Versehen - in Dingen zu fliegen, das nicht wirklich fürs Fliegen kreiert wurden, das fühlt sich irgendwie unnatürlich an.

Du gibst komplett die Kontrolle ab, hoffst auf die Gnade der Physik und setzt all deine Hoffnung in namenlose Ingenieure, die du noch nie in deinem Leben gesehen hast. Hoffentlich haben sie ihre Hausaufgaben gemacht. Und hoffentlich machst du dich hier gerade nicht selbst zum absoluten Vollidioten. 

Diese Gedanken und Sensationen, und allen voran die ohrenbetäubende Stille, die so ein Flug mit sich bringt, nehmen alles in Beschlag, bis du endlich aufkommst. Die riesigen Federn, die gewaltigen Reifen und die fetten Dämpfer haben die Misshandlung weitestgehend aufgesaugt und bevor du überhaupt darüber nachdenken kannst, was zur Hölle du da eigentlich gerade getan hast, überlegst du, wie sich das Schauspiel schnellstmöglich wiederholen lässt. Nur schneller. Das ist, in Kurzform, der neue F-150 Raptor

 

Schnellcheck Ford F-150 Raptor 2021
Motor: 3,5-Liter-Biturbo-V6
Leistung: 450 PS / 691 Nm
0-96 km/h: 5,3 Sekunden
Vmax: 190 km/h
Basispreis: $65,840 + $1,695 Auslieferung
Testwagenpreis: $82,980
2021 Ford F-150 Raptor
2021 Ford F-150 Raptor
2021 Ford F-150 Raptor

Cleveres großes Ding

Dumont Dunes, ein sandiges Fleckchen Nichts an der Grenze zwischen Kalifornien und Nevada, liegt etwa auf halbem Weg zwischen dem Death Valley National Park und dem Mojave National Preserve. Es handelt sich hier um einen natürlichen Spielplatz, sprich, um perfektes Raptor-Terrain. Doch davor muss ich das Auto erstmal erleben, wie es die meisten seiner Besitzer die meiste Zeit tun - auf einer vierspurigen Autobahn.

Die langweilige, 60-minütige Fahrt auf der Nevada State Road 160 zwischen Sin City und unserer Basis in Pahrump (ja, wirklich!), Nevada, gibt immerhin Gelegenheit, sich ein wenig mit den Neuerungen des Raptor vertraut zu machen. Das hier ist ein wesentlich smarterer Truck als bisher. Serienmäßig gibt es unter anderem die Ford Co-Pilot 360-Technologie, einen 12,0-Zoll-Touchscreen mit Sync 4 und ein volldigitales Kombiinstrument. ProPower Onboard, Fords Bordstromgenerator, ist auch hier mit einer Leistung von 2,0 kW erhältlich. Ganz besonders aber zeigte diese Fahrt die gesamte Raffinesse der neuen Hinterradaufhängung.

2021 Ford F-150 Raptor
2021 Ford F-150 Raptor
2021 Ford F-150 Raptor
2021 Ford F-150 Raptor

Bequem und fähig

Seit seinem Debüt im Jahr 2009 hat Fords straßenzugelassener Baja-Truck vor allem mit seinen absurden Flugeinlagen von sich Reden gemacht. Der 2021er Raptor macht das Bepflügen von Dünen und das bekannte Gespringe dank einer komplett überarbeiteten Hinterradaufhängung noch einfacher. Neue Fox Racing-Stoßdämpfer sitzen an allen vier Ecken. Dazu soll eine neue, schraubengefederte Fünflenker-Konstruktion mit superlangen Längslenkern und einem werkseitigen Panhard-Stab für mehr Federweg und Beweglichkeit sorgen.

Die 35-Zoll-Gummis des letzten Jahrgangs haben zweifelsfrei gute Arbeit geleistet. Aber Ford hatte Bock auf ein bisschen mehr Crazyness und schraubt ihnen optional jetzt auch 37-Zoll BFGoodrich All-Terrain KO2-Reifen unters Fahrzeug. Keine Sorge übrigens - selbst mit den großen Walzen ist dies unbestreitbar das komfortabelste Mitglied der F-150-Familie.

Das macht durchaus Sinn. Wenn eine Aufhängung so konstruiert ist, dass sie den Aufprall eines 5.800 Pfund schweren Fahrzeugs bei gewaltsamer Rückkehr zur Erde abfedern kann, kann sie wahrscheinlich auch mit Temposchwellen oder dem gelegentlichen Schlagloch auf der Autobahn umgehen. 

Auch im Innenraum ist es ruhig. Die doppelt verglasten Scheiben halten Windgeräusche weitgehend draußen und selbst die fetten Stollenreifen gehen einem nicht zu sehr auf den Keks. Die Lenkung reagiert gutmütig auf Unebenheiten, obwohl die 37-Zoll-Monster auf meinem Testwagen bei Autobahngeschwindigkeiten eine ruhigere Hand erforderten als die serienmäßigen 35er.

2021 Ford F-150 Raptor
2021 Ford F-150 Raptor
2021 Ford F-150 Raptor

Die 37er-Reifen kosten den Raptor auch ein wenig Agilität auf der Geraden. Das Mehrgewicht ist überschaubar - 2,7 Kilo an jeder Ecke - aber die 4,10er-Hinterachse bleibt bestehen, obwohl die größeren Reifen den Truck hier ja beeinflussen. Auf der Geraden oder beim Beschleunigen fühlt sich ein Raptor mit 35-Zoll-Reifen im Vergleich zu einem mit 37er-Reifen deutlich energischer an.

Mopar-Fans dürften genau jetzt anfangen, ihre Monitore anzuschreien, weil sich im Vergleich zu ihrem geliebten Ram TRX natürlich kein Raptor auch nur annähernd "energisch" anfühlt. Und das ist ein berechtigtes Argument. Wie zuletzt leistet der 3,5-Liter-Biturbo-V6 450 PS und 691 Nm. Im Vergleich zu den absurden 700+ PS und fast 900 Nm des TRX, klingt das wie ein schlechter Scherz (das blaue Oval hat bereits einen deutlich stärkeren Konkurrenten mit V8 versprochen).

Aber es ist nun mal so: Ganz unabhängig von der Reifenwahl wird der Ford dich nicht monströs in den Sitz drücken - die Beschleunigung fühlt sich sehr passabel an, ist aber weit weg von beängstigend.

In Sachen Leistung ist beim EcoBoost also nichts passiert, dafür hat man dem enttäuschenden Klang des Sechszylinders endlich etwas Aufmerksamkeit geschenkt. Es gibt nun gleich lange Auspuffrohre ab den Turbos. Bitte nicht verwirren lassen - das rechte Rohr nutzt ein sogenanntes "Trombone"("Posaunen")-Design und schlingt sich um das linke. Anschließend haben die Ingenieure die X-Pipe am Katalysator vorbeigeschoben und so haben wir endlich einen EcoBoost-V6 der vernünftig tönt.

Bildergalerie: Ford F-150 Raptor 2021

Enter Sandman

Eine Mischung aus weichem Sand, steilen Hügeln und permanentem Gehoppel pflastert den etwa einstündigen Weg zu den Dumont Dunes. Ein dezentes Malheur (böse Zungen würden behaupten, es handelte sich um eigenes Verschulden) ließ den Raptor kurz auf einer Sandkuppe stranden, die fetten BFGoodrichs wild wühlend und gefühlt schon auf halbem Weg nach China. Ich war dem führenden Truck zu dicht auf den Fersen, musste mitten auf dem Hügel bremsen und sank ein. 

Der Raptor, brauchte letztlich aber nicht viel mehr als ein gesperrtes Hinterachsdiff und ein bisschen gefühlvolle Gaspedalbetätigung, um sich wieder zu befreien. Es war das einzige Mal, dass uns die Wüste einen Strich durch die Rechnung machte.

In den Dünen das Momentum zu behalten, ist leicht – schau einfach, dass dein rechter Fuß auf dem Boden bleibt, den Rest erledigt der Raptor.

Der nächste Test-Parcour beinhaltet Highspeed-Geheize auf und um eine Sanddüne, sowie einen Rallye-Kurs mit Dünen und nassem Wüstenboden. Der neue Raptor behält die meisten der Fahrmodi des Terrain Management Systems aus dem letzten Jahr bei. Manche heißen einfach anders. Neben Normal, Sport, Slippery, Rock Crawl und Baja gibt es jetzt auch den Fahrmodus Tow/Haul. Mud and Sand heißt jetzt Off-Road.

Baja bleibt der aggressivste Fahrmodus, ideal für Vollgas-Orgien in den Dünen. Mit schärferer Gasannahme, speziellen Offroad-Settings für Dämpfer und Lenkung sowie dem vollen Ornat in Sachen Auspuffsound. Auch die 10-Gang-Box hält die Gänge hier länger. Der Raptor machte so ziemlich kurzen Prozess mit besagtem Parcour.

2021 Ford F-150 Raptor
2021 Ford F-150 Raptor
2021 Ford F-150 Raptor
2021 Ford F-150 Raptor

In den Dünen das Momentum zu behalten, ist leicht – schau einfach, dass dein rechter Fuß auf dem Boden bleibt, den Rest erledigt das Auto. Die Lenkung lässt sich hier sehr easy handhaben und wie die Federung auf wechselnde Sandoberflächen reagiert, ist ebenfalls beeindruckend. 

Man gewinnt schnell Vertrauen, traut sich, härter zu pushen und schafft auch auf schwierigerem Geläuf (Schräglage etc.) ziemlich haarsträubende Kurvengeschwindigkeiten. Natürlich gab es auch einen Sprung.

2021 Ford F-150 Raptor

Jump, Jump

Die Ford-Ingenieure und High-Performance-Offroad-Guides empfahlen mir, den Sprung beim ersten Versuch mit 65 km/h anzugehen. Und wenn es darum geht, mit einem 2,6-Tonner zu fliegen, hörst du auf die Experten. Das Ergebnis: Ein ganz erbaulicher Hüpfer. Aber natürlich willst du mehr: Nächster Durchgang: 80 km/h und der Raptor setzt zur Landung an wie ein Kunstturner. Im dritten Versuch schließlich der Verlust jeglichen Selbsterhaltungstriebs und 100 km/h.

Die Zeit, in der der Raptor jetzt in der Luft ist, hätte gefühlt auch für einen Flug von Vegas nach Los Angeles gereicht. Die Landung aber, ist angenehmer als alles, was ich bei der Ankunft in LAX je erlebt habe. Der Raptor setzt selbst bei Landstraßentempo ohne Drama auf. Obwohl der Aufprall die riesigen 24-Zoll-Federn so weit zusammendrückt, dass es nach der Landung einen spürbaren Nach-Sprung gibt. Trotzdem wirkt der Truck völlig unbeeindruckt.

Sprünge sind toll, aber ein wenig festerer Untergrund tut hin und wieder auch ganz gut. Also Hahn auf und schauen, was so passiert, wenn man mit knapp 120 über Wüstenboden brettert. Das relativ weiche Fahrwerk des Raptor meistert Kurven auch hier sehr souverän. Der große Brocken hat auch durchaus Lust, den Hintern raushängen zu lassen, wenn man genug Lenkwinkel ins Spiel bringt. Bissig oder schwer zu kontrollieren ist er dabei nie. Die Kommunikation im Staub ist beinahe klinisch rein und klar.

Mit der kniffligste Test für den Truck sind aber die - nennen wir sie einfach - "Whoops". Diese Ansammlung von mittelschweren, hochfrequenten,  fast senkrechten Unebenheiten ist ein Foltertest für die Aufhängung eines Pickups. Fahrzeuge, die damit nicht zurechtkommen, können im Prinzip nicht gerade gehalten werden. Das Fahrwerk wird in den meisten Fällen nicht in der Lage sein, die Lenkung von all dem Missbrauch zu isolieren.

Der Raptor war noch nie ein günstiger Truck, aber das 2021er Modell ist fast $12,000 teurer als letztes Jahr.

Aber Ford hat den Raptor halt auch für diese Art von Herausforderung konzipiert. Am Ende rast du mit 100 Sachen über die Hindernisse und merkst fast nichts davon.

2021 Ford F-150 Raptor
2021 Ford F-150 Raptor
2021 Ford F-150 Raptor

Ein nicht ganz billiger Flug

Der Raptor war noch nie ein wirklich günstiger Truck, aber das 2021er Modell kostet fast 12.000 Dollar mehr als letztes Jahr. Der Preis für ein vollausgestattetes Exemplar ist besonders schwer zu schlucken. Los geht`s bei 65.840 US-Dollar ohne Steuern (gut 55.700 Euro). Es gibt da aber noch zwei Pakete, die Sie vermutlich unbedingt haben wollen und die treiben den Preis auf fast 80.000 Dollar (67.700 Euro). Der Basispreis des Ram TRX mit all seinen 711 PS liegt fast 10.000 Dollar niedriger.

Das 801A High-Paket kostet 6.150 Dollar und bietet unter anderem ein Torsen-Sperrdifferenzial. Das 7.500 Dollar teure Raptor 37 Performance-Paket bringt die 37-Zoll-Gummis und 17-Zoll-Räder mit Beadlock-Funktion, ein schmuckes Grafikpaket, wunderschöne Recaro-Sitze und speziell abgestimmte Stoßdämpfer. Allerdings benötigen Sie das 801A High-Paket, um das Raptor 37-Paket zu erhalten, was die effektiven Kosten auf fast 14.000 Dollar erhöht.

Nimmt man weitere sinnvolle Optionen wie ProPower Onboard (995 Dollar) oder ein Panorama-Schiebedach (1.495 Dollar) dazu, kommt man auf einen Endpreis von 83.000 Dollar vor Steuern. Wir sind gespannt, wie viel der neue Raptor kosten wird, wenn er über Importeure in Deutschland aufschlägt. Günstig dürfte es eher nicht werden. 

Ob man so viel Geld für einen Raptor ausgeben sollte, ist eine Entscheidung, die wir zum Glück nicht treffen müssen. Der Raptor ist ein großartiger Hochleistungs-Truck, der auch die heißeste und sandigste Wüste bezwingen kann.

Das er schwächer und teurer ist als seine Hauptkonkurrenten ist halt schon ein erheblicher Minuspunkt. Der angekündigte Raptor R wird das erste Problem lösen. Was den zweiten Punkt angeht, empfehle ich Ihnen, den Raptor wie ein Flugticket für die erste Klasse zu betrachten - wenn Sie einmal mit ihm geflogen sind, wird Ihnen das Preisschild vermutlich egal sein.

Bildergalerie: 2021 Ford F-150 Raptor Test

2021 Ford F-150 Raptor

Motor Twin-Turbocharged 3.5-liter V6
Leistung 450 Horsepower / 510 Pound-Feet
Getriebeart 10-Speed Automatic
Antrieb Four-Wheel Drive
Beschleunigung 0-60 mph 5.3 Seconds (est)
Höchstgeschwindigkeit 118 MPH
Verbrauch 14 City / 16 Highway / 15 Combined
Leergewicht 5,851 Pounds
Anzahl der Sitze 5
Anhängelast 8,200 Pounds
Zuladung 1,400 Pounds
Basispreis $64,145 + $1,695 Destination
Preis der Testversion $65,840
Preis des Testwagens $82,980