So mögen wir Geburtstage: Die Firma feiert, die Kunden bekommen die Geschenke. Allerdings auch nicht umsonst. In Italien wird der Abarth 695 70° Anniversario in ein paar Wochen bei den Händlern ankommen. Der Preis soll bei 34.600 Euro liegen. Mit dem teuren Kraftzwerg feiert Abarth, der Name verrät es bereits, seinen 70. Geburtstag. Um die ganze Sache noch runder zu gestalten, ist das Sondermodell auf exakt 1.949 Exemplare limitiert. Wir bekamen jetzt die Gelegenheit zu einem kurzen Ausritt mit der italienischen Kanonenkugel.

Anni-was? Erzähl mir mehr!

Besonderes Merkmal des Abarth 695 70° Anniversario ist sein massiver Heckspoiler (fast muss man Dachspoiler sagen) im Kuchenblech-Format. Er ist, wie im Rennbetrieb, manuell einstellbar: In der Box können die Mechaniker den Winkel des Spoilers justieren. Der „Spoiler ad Assetto Variabile" lässt sich auf 12 unterschiedlichen Positionen arretieren, die Neigung kann von 0 bis 60 Grad eingestellt werden. In der maximalen Neigungsposition (60 Grad) erhöht der Spoiler bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h die aerodynamische Belastung um bis zu 42 Kilogramm. Dies sorgt laut Abarth für ein stabileres Verhalten bei hohen Geschwindigkeiten, insbesondere auf schnellen Strecken mit unterschiedlichem Belag. Als historisches Vorbild diente übrigens der wilde Abarth 1000 TCR auf Fiat-600-Basis, der um 1970 herum den Motorsport aufmischte.

Abarth 695 70° Anniversario

Doch zurück zum Jubiläums-Abarth von 2019: Das Erscheinungsbild des neuen Abarth 695 70° Anniversario zeichnet sich auch dadurch aus, dass er einige ikonische Stilelemente der Vergangenheit und Gegenwart aufgreift, wie zum Beispiel die aktive Record-Monza-Auspuffanlage. Aus vier (!) Endrohren entfleucht ein kerniger Klang, der netterweise aber erst beim Drücken der Sport-Taste ins Cockpit dringt. Außerdem ist die neue, grüne Lackierung Monza 1958 eine Hommage an die Farbe der ersten 500 Abarth, die damals in Monza sechs internationale Rekorde aufstellten. Die vielen Details in "Campovolo Grau", darunter der „Spoiler ad Assetto Variabile", das Body Kit und die Spiegelkappen runden die Optik ab. Meine Meinung: Kann man mögen, muss man aber nicht. Die 17-Zoll-Leichtmetallfelgen Supersport und eine leistungsstarke Brembo-Bremsanlage mit Vierkolben-Aluminium-Bremssätteln und 305-mm-Scheiben vorne, beziehungsweise mit 240-mm-Scheiben hinten, sind ab Werk mit dabei.

 

Innen darf ich mich in exklusive, aber auch ziemlich eng geschnittene „Tricolore"-Sitze von Sabelt fädeln, die speziell für diese Sonderedition entwickelt wurden. Ein Manko teilt sich der 695 mit allen Abarth, die Sabelt-Sitze haben: Es fehlt eine Höhenverstellung, man sitzt zu hoch im Auto.

Abarth 695 70° Anniversario

Alcantara und Applikationen in Kohlefaseroptik werten den Innenraum auf, doch viel Hartplastik weist auf die mittlerweile schon 12 Jahre alte Fiat-500-Basis hin. Ganz ehrlich: Wenn es bei den deutlich über 30.000 Euro bleiben sollte, ist ein solcher Materialmix zu wenig. Andererseits dürfte der Anniversario-Abarth von den meisten Kunden sowieso eher als Sammlerstück betrachtet werden. Im Cockpit befindet sich eine nummerierte Tafel für jede der 1949 hergestellten Einheiten.

 

Und was kann der Jubi-Abarth so?

Der Abarth 695 70° Anniversario ist mit dem stärksten Triebwerk der Baureihe ausgestattet. Das 1,4-Liter-Turboaggregat leistet 132 kW (180 PS) und bringt bei 3.000 Umdrehungen pro Minute ein Drehmoment von 250 Newtonmeter auf die Straße. Die Spitze liegt bei 225 km/h - bei auf 0 Grad stehendem Spoiler. In nur 6,7 Sekunden beschleunigt das Auto aus dem Stand auf 100 km/h.

Abarth 695 70° Anniversario

Klingt ziemlich feist, doch wie sieht die Realität aus? Zunächst begebe ich mich mit dem Anniversario auf einen abgesteckten Rundkurs mit Schikanen. Also den "Sport"-Modus an und ab die Post! Der Wagen schiebt sehr ordentlich an, doch beim Herausbeschleunigen aus besagten Schikanen und auch engen Kurven kommt es mir so vor, als brauche der Turbo ein wenig, um aus den Puschen zu kommen. Keinen Tadel gibt es für die fest zupackenden Bremsen, wohl aber für Lenkung und Fahrwerk. Im Sport-Modus wirkt das Lenkgefühl deutlich exakter als im unpräzisen Normalzustand. Während des Alltagsverkehrs ist dieser Umstand weniger spürbar, hier stört mehr das nervöse Ansprechen des Wagens auf Kanaldeckel und ähnliche Fahrbahnunebenheiten. Auch aufgrund des kurzen Radstands werden solche Dinge für die Passagiere spürbar nach innen weitergereicht.

 

Noch ein paar Worte zur Schaltung: Lediglich fünf Gänge sorgen für relativ hohe Drehzahlen bei Autobahntempo, dennoch bleibt das Geräuschniveau innen noch einigermaßen im Rahmen. Exakte Schaltvorgänge behindert aber die glatte Aluminiumkugel, die als Schaltknauf dient. Hier wäre eine Lösung aus Leder oder Alcantara definitiv sinnvoller. Falls Sie mit einer Automatik liebäugeln: Es gibt ein automatisiertes Schaltgetriebe, aber man sollte diese Tatsache ob der spürbaren Schaltrucke besser verdrängen.

Bildergalerie: Abarth 595 esseesse (2019)

Meine größere Runde führt mich und den Abarth 695 70° Anniversario über rund 40 Kilometer italienische Autobahn und Landstraßen. Hier sorgt die Beschleunigung der 180 PS oftmals für gute Laune, während die Straffheit des Wagens je nach Fahrernatur positiv oder negativ bewertet wird. Mir persönlich gefiel im direkten Vergleich der Abarth 595 esseesse (siehe Bildergalerie oben) deutlich besser: Im Gegensatz zum spitzen Anniversario wirkt er bei gleicher Leistung harmonischer. Inklusive sind beim 595 esseesse eine Akrapovic-Auspuffanlage, Bi-Xenon-Scheinwerfer, eine Klimaautomatik, Sabelt-Sportsitze und 17-Zöller. Preis: ab 29.325 Euro. Pluspunkt des Abarth 595 esseesse: Es gibt ihn auch als Variante mit großen Faltdach, der 695 70° Anniversario muss bedingt durch seinen massiven Spoiler passen.

 

Fazit: 7/10

Preiswert sind die kleinen Abarth-Modelle nicht, besonders der 695 70° Anniversario sprengt hier den Rahmen. Doch das waren sie aich schon zu Lebzeiten von Carlo Abarth nicht. Und wie früher bei Carlo wird das technisch Machbare herausgeholt. Natürlich gibt es einen Ford Fiesta ST oder Suzuki Swift Sport, die moderner und besser sind. Aber einen Abarth kauft nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen. 

Bildergalerie: Abarth 695 70° anniversario