Was ist das?

Jaguars x-ter Versuch in der extrem kompetitiven Mittelklasse Fuß zu fassen. Dieses Mal mit einem Facelift seiner Limousine XE. Als der XE 2015 auf den Markt kam, waren die Briten so guten Mutes, dass es nun endlich klappen müsse mit einem ernsthaften Angriff auf die deutsche Premium-Konkurrenz. Das von Grund auf neu entwickelte Auto bestand zu großen Teilen aus Aluminium, hatte eine Fahrdynamik und ein Lenkgefühl, bei denen sich die gesammelte Gegnerschaft (mit Ausnahme der Alfa Romeo Giulia vielleicht) verschämt in die Ecke verkriechen sollte und auch die Presse war voll des Lobes. Aber offenbar ist ein starker Fokus auf sportliches Handling nicht unbedingt das, was die Käufer von Mittelklasse-Limousinen besonders beeindruckt. Außer, wenn BMW auf dem Heckdeckel steht, komischerweise. Mit einem Blick auf die Verkaufszahlen tut man dem XE also keinen allzu großen Gefallen. Das ist alles in allem gar nicht mal so verwunderlich, denn gegenüber einem BMW 3er, einem Audi A4 oder einer Mercedes C-Klasse hat der kleine Jag in einigen wichtigen Punkten klar das Nachsehen. Die Modellpflege soll nun helfen, verlorenen Boden gutzumachen.

 

Für die meisten wird die Optik sicher nicht das große Problem des XE gewesen sein. Ein wenig nachgeschminkt hat man trotzdem. Mit schmaleren LED-Scheinwerfern und neuen Schürzen. Ordern Sie noch die 20-Zöller dazu (keine Sorge, hier kann man das bedenkenlos tun, der XE ist bei aller Sportlichkeit fantastisch gefedert), und Sie haben eine echte Schönheit in der Einfahrt stehen. 

Deutlich dramatischer fallen die Änderungen im Interieur ins Gewicht. Aus gutem Grund. Zuletzt wirkte das Auto technisch etwas altbacken. Zu billig für die eigenen Ansprüche wirkte es von Anfang an. Nun also deutlich schickere Materialien und eine ganze Armada von coolen neuen Tech-Gimmicks. Bis zu vier Bildschirme kann sich der Display-Freak ab sofort in seinen XE hinein ordern. Neben dem tollen 12,3-Zoll-Instrumentendisplay kriegen Sie nun auch die Zwillings-Screens für Infotainment und Klima aus dem Elektro-Jag I-Pace sowie einen extrem coolen Monitor im Rückspiegel, der Ihnen dank ordentlich Weitwinkel einen wesentlich besseren Blick nach hinten gewährt, als Sie das bisher wohl gewohnt waren. 

Test Jaguar XE Facelift 2019

Zu Guter letzt haben die Kollegen aus Marketing und Controlling noch einen mittelschweren Kahlschlag bei Ausstattungslinien und Motoren durchgeführt. Je drei sind übrig geblieben. Ein wenig ernüchternd für die Enthusiasten: Die Kombi aus XE und Sechszylinder ist Geschichte. Sie können dieses Auto jetzt also nur noch mit Vierzylindern ordern. Im Angebot hätten wir da den 180-PS-Diesel sowie zwei Benziner mit 250 und 300 PS. Letzterer verfügt serienmäßig über Allradantrieb, beim Diesel hat man die Wahl. Einzige Getriebe-Option ist die bekannte ZF-Achtgang-Automatik, nun mit größeren Lenkrad-Paddles und einem richtigen Schaltstock in der Mittelkonsole (ja, das Gangwahl-Drehrädchen ist tot).

Wie fährt er?

Die große Stärke des XE war und ist sein fahrerisches Talent. Der Mix aus Dynamik und Komfort dürfte in dieser Klasse nach wie vor unerreicht sein. Sogar im Dynamik-Modus rollt dieses Auto so geschmeidig ab, dass selbst eine C-Klasse ernsthafte Probleme haben dürfte, mitzuhalten. Auf der anderen Seite wirkt der XE fideler und feiner ausbalanciert als ein 3er. Beim Lenkgefühl schließlich haut er das komplette Segment in die Pfanne. So natürlich, voller Information von der Asphaltfront - richtig alte Schule. Die Engländer zählen zu den absoluten Königen der elektromechanischen Lenkung. Der XE ist wahrlich kein leichtes Gefährt (er scheint wirklich aus einem seltsam schwerem Aluminium zu bestehen ...), aber er tänzelt geradezu, ist agil und lebendig.

Test Jaguar XE Facelift 2019

Weniger verheißungsvoll ist das aktualisierte Motorenangebot. Gerade der 300-PS-Topbenziner im P300 erscheint auf dem Papier deutlich leistungsfähiger als er es letztlich auf der Straße abrufen kann. Die 5,7 Sekunden für den Sprint von 0-100 km/h will man ihm nicht so recht abnehmen. Er wirkt schwerfällig und zu angestrengt. Außerdem klingt er untenrum wie ein Diesel und oben raus wie ein Stimmbrüchiger auf einem Hardrock-Festival. Sparen Sie sich also ein paar Tausender (wenn Sie nicht dringend auf Allradantrieb angewiesen sind) und greifen Sie zum P250. Oder gleich zum etwas kernigen aber recht sparsamen Diesel. Immerhin muss man den Aggregaten und dem Auto zugestehen, dass das Geräuschniveau erfreulich niedrig ist, wenn man mal Landstraßen/Autobahntempo erreicht hat. Der XE ist also nicht nur ein überaus anständiger Kurvendribbler, er taugt auch hervorragend als Kilometerbolzer. Ersteres macht trotzdem mehr Spaß. Sie werden sehen, der Jag verführt häufiger dazu, die nun besser geformten Schaltpaddles in die Hand zu nehmen. Die schnelle Achtgang-Box ist daran nicht ganz unschuldig, sie macht aber auch einen hervorragenden Job, wenn man sie einfach in Ruhe lässt.

Wie ist er innen?

Nun, die größte Schwachstelle des XE kann leider kein Facelift dieser Welt beseitigen. Wir sprechen hier von seinem fast schon unverschämt miesen Platzangebot im Fond. Kein Auto in diesem Segment hat weniger Beinfreiheit. Der Kofferraum packt zwar 439 Liter weg, ist aber nur mittelmäßig gut zugänglich. Klar, wenn Sie die meiste Zeit alleine oder zu zweit fahren oder noch recht kleine Kinder haben, mag das nicht so wichtig sein. Aber wenn Sie ein praktisches Auto suchen, sind Sie hier sicher falsch. 

Ansonsten gilt: Meine Herren ist das hier drin besser als vorher. Sie merken es gleich an den gediegeneren Materialien und der aufwendigeren Verarbeitung. Das Infotainment sieht fantastisch aus, ist schnell und lässt sich verständlich bedienen. Das farbige Head-up-Display macht ebenfalls einen guten Eindruck. An den funky Kamera-Rückspiegel muss man sich kurz gewöhnen, weil er bei den ersten paar Mal Draufschauen ungewohnt hell und künstlich wirkt, aber die Sicht ist wirklich viel besser. Und wer sich total daran stört, kann ihn auch einfach abschalten.

Assistenzsysteme-mäßig ist der XE voll auf der Höhe. Außerdem bedient er den inneren Nerd mit Software-over-the-air-Updates, Apple CarPlay/Android Auto, WLan für bis zu 8 Geräte sowie zwei USB- und drei 12-Volt-Anschlüssen. Ein wenig störend: Die Sitzposition wirkt einen Ticken zu hoch.

Soll ich ihn kaufen?

Vermutlich lehne ich mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass der Jaguar XE ein Fall für Individualisten bleiben wird. Er ist zu eng geschnitten, es gibt keinen Kombi, die Motorenpalette ist eher Durchschnitt und die Konkurrenz ist einfach so unglaublich gut. 

Fahrerisch kann ihm aber, bis auf Alfas Giulia, keine Mittelklasse-Limousine das Wasser reichen. Gegenüber der Italienerin hat er jedoch die deutlich bessere technologische Ausstattung mit dem um Welten besseren Infotainment. 

Es ist nach dem Facelift sicher sehr viel einfacher geworden, den XE gut zu finden. Umso mehr, wenn man auch nur ein Fünkchen für Fahrspaß übrig hat. Leicht wird er es trotzdem nicht haben. Immerhin hat Jaguar recht interessante Angebote geschnürt. Der Grundpreis des XE mit 180-PS-Diesel und Hinterradantrieb liegt bei 43.690 Euro. Die Inspektionen für die ersten drei Jahre sind inklusive. Ab 409 Euro pro Monat kann geleast werden. Außerdem liefern die Briten eine Versicherungsflat (Haftpflicht, Teil- und Vollkasko) für 79 Euro im Monat, unabhängig von der Schadenfreiheitsklasse. 

Fazit: 7/10

+ großartige Fahrdynamik bei gleichzeitig hohem Komfort; sehr schönes, gut bedienbares Interieur mit viel Technik

- mieses Platzangebot; durchschnittliche Motoren

Bildergalerie: Test Jaguar XE Facelift 2019

Technische Daten und Preis Jaguar XE P300

Motor Vierzylinder-Turbo-Benziner; 1.997 ccm
Antrieb Allradantrieb
Getriebeart 8-Gang-Automatik
Leistung 221 kW (300 PS)
Max. Drehmoment 400 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h 5,7 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 250 km/h
Leergewicht 1.690 Kilo
Kofferraumvolumen 439 Liter
Verbrauch Normverbrauch: 7,3 Liter
Emission 167 g/km CO2
Basispreis 50.140 Euro