Was ist das?

Das ist die sportliche Topversion des Lifestyle-Crossovers BMW X2. Das vermehrte Auftreten dieser Spezies zeigt: Wir leben in verrückten Zeiten. Anders ist es kaum zu erklären, dass man aus einem relativ praktischen Kompakt-SUV (dem X1) einen wesentlich unpraktischeren, leicht höhergelegten Kompaktwagen mit Crossoptik baut, in den man anschließend sehr viel Arbeit und einen horrend starken Motor steckt, damit er fast so gut fährt wie ein richtiger Kompaktsportler. Aber genug des Zynismus. Der Markt lügt schließlich nicht und selbstverständlich ist der normale X2 ganz hervorragend angelaufen. Fast 70.000 Exemplare hat man 2018 verkauft. Und das obwohl er erst im April auf den Markt kam. Der Mix X1/X2 ist damit etwa 70:30. Bei so viel Erfolg kann man also ruhig mal eine M-Performance-Variante in den Ring schicken. Vermutlich wird auch dieses leichte Paradoxon weggehen wie die warmen Semmeln.

Zudem hat der X2 M35i einige überaus interessante Neuerungen an Bord. In erster Linie natürlich den mit Spannung erwarteten, brandneuen Zweiliter-Turbo-Benziner mit äußerst stämmigen 306 PS und 450 Nm Drehmoment. Er ist der stärkste BMW-Vierzylinder aller Zeiten. Via 8-Gang-Automat geht die Kraft an alle vier Räder. Ein weiteres Novum für die Bayern ist der Einsatz einer mechanische Vorderachssperre. Blickt man etwas über den Tellerrand hinaus, ist das hier schon ein mittelschwerer Fingerzeig, wo die Reise beim neuen, heiß diskutierten M135i hingehen wird.

Für einen frontlastig allradelnden Trend-Crossover fährt bereits der normale X2 äußerst beherzt. Damit der neue 35i seine M-Logos nicht nur zur Zierde erhält, versieht man ihn mit einem speziell angepassten M-Sportfahrwerk (10 mm tiefer), Optimierungen am Hinterachsträger und den Querlenkern, einer größere M-Sport-Bremse und einer direkter übersetzten M-Lenkung. Optional gibt es ein adaptives M-Fahrwerk. LED-Scheinwerfer sind ebenso Serie wie 19-Zoll-Räder. Wer Lust auf üppiger gefüllte Radhäuser und weniger Komfort hat, kann auch 20-Zöller ordern.

Och Menno, 35i und kein Sechszylinder mehr? Ist der neue Motor halbwegs würdig?

Durchaus. Der Rumpfmotor ist der gleiche wie im bekannten 20i. Hier jedoch gepimpt durch eine neue Kurbelwelle, neue Kolben und Pleuel. Außerdem wird die Verdichtung von 10,2:1 auf 9,5:1 reduziert, weshalb man einen größeren Turbo und mehr Ladedruck fahren kann. Einspritzung, Ansaugung und Kühlung wurden ebenfalls optimiert. Ganz zufällig entspricht die Leistung genau der des Mercedes-AMG A 35. Der direkte Konkurrent wird später der kommende GLA 35. Allerdings hat das-BMW-Aggregat mehr Drehmoment.

"Das hier ist definitiv einer der besseren Vierzylinder."

Der erste Eindruck? Ganz ehrlich gesagt ziemlich hervorragend. Was hätte man auch anders erwarten sollen, wenn BMW M einen Motor baut. Er wirkt sehr stämmig und kräftig, spricht gerade im Sport-Modus hervorragend aufs Gas an. 0-100 km/h gehen in 5,0 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 250 km/h. Die Leistungsentfaltung ist eher homogen. Es gibt lediglich leichte Anflüge eines Turbolochs. Das volle Drehmoment steht bereits ab 1.750 Touren zur Verfügung. Leider dreht er nur knapp unter 7.000 U/min, auch wenn der rote Bereich anderes verspricht. Dennoch: Das hier ist definitiv einer der besseren Vierzylinder. Ich sage es wirklich nur ungern, aber in puncto Durchschlagskraft und Persönlichkeit ist das nicht wirklich weit weg vom Dreiliter-Sechszylinder.

Das liegt zu einem Teil auch an der Akustik. Der X2 M35i klingt durchaus ansprechend. Na gut: Man weiß irgendwie dass es nicht ganz echt ist, aber wenn schon "Fake", dann bitte so. Das Klangbild ist recht massig, ein bisschen zornig, ziemlich voll, aber nicht nervig oder peinlich. Und Gottseidank verzichtet man auf die unsäglichen Spratzer und Popper beim Gaswegnehmen. Auch im Sport-Modus. Danke dafür. Ein kurzes Wort noch zur Aisin-Automatik: Die alte Sechsgang-Box löste regelmäßig Schwälle von Kraftausdrücken und Verzweiflung aus. Die aktuelle Achtgang-Variante ist dagegen komplett auf der Höhe, hält auch einer ambitionierteren Gangart problemlos stand.

Kann der Rest des Autos fahrdynamisch mithalten?

Grundsätzlich und bis zu einem relativ hohen Maße kann es das. Mein Testwagen hatte das adaptive M-Sportfahrwerk an Bord. Das gibt es im normalen X2 auch, hier aber mit speziell ans M-Performance-Modell angepassten Feder- und Dämpferraten. Wie zuletzt fast immer bei BMW ist der M35i einfach hervorragend gefedert. Straff, satt, zünftig, aber nicht hart und hoppelig. Ein sehr hochwertiges Fahrgefühl. In "Sport" wir er über kurze Stöße ganz leicht bockig, in "Comfort" ist davon aber nichts zu spüren. BMW hat es als einer der wenigen drauf, ein Auto, das nicht unbedingt die idealen Grundvorraussetzungen für echte Sportlichkeit hat, vernünftig abzustimmen. Sprich: So einzustellen, dass es sich seine Agilität nicht über plumpe Härte erkauft. Gut so.

BMW X2 M35i im Test
BMW X2 M35i im Test

Im Großen und Ganzen fährt der stärkste X2 schön homogen und stimmig. Was mich ein wenig überraschte: Es ist hier ja das erste Mal, dass die UKL-Frontantriebsplattform mit richtig Leistung konfrontiert wird. Und erstmals merkt man typische Verhaltensweisen eines Frontkratzers. Bei härteren Beschleunigungsmanövern ist das Zerren in der Lenkung deutlich zu spüren. Also gut festhalten, Freunde. Die Lenkung selbst ist eher fest, verhärtet nach außen hin ein wenig, kommuniziert aber sehr brauchbar. Definitiv besser als das was Mercedes im Kompaktsegment anbietet. Die Bremse braucht etwas Nachdruck und recht viel Pedal, ist dafür jedoch gut modellierbar. Ansonsten dominieren Grip und die Arbeit der Vorderachssperre (einer Torsen-basierten Lösung mit bis zu 39 Prozent Sperrwirkung). Das Ganze lenkt auch ziemlich zackig ein und fühlt sich leichter an, als es die üppigen 1.685 Kilo vermuten lassen. Die Kurvengeschwindigkeiten sind überraschend hoch, Untersteuern selbst unter Provokation kaum zu generieren. Das Auto hält stoisch am eingeschlagenen Kurs fest, beißt sich in die Linie ein, gibt nicht nach. Auch beim Herausbeschleunigen aus Kurven unter Vollast versetzt der M35i nicht. Chapeau.

Also ein echtes Hot Hatch nur einen halben Stock höher und für die hippere Klientel? Nein, nicht ganz, denn das Auto wirkt trotz beängstigendem Dynamik-Talent bei allem, was es tut etwas staksiger, hüftsteifer, bewegt sich um die Mittelachse etwas mehr. Das ist an sich überhaupt nicht schlimm, es fühlt sich nur nicht ganz so natürlich an wie bei den besten Kompaktsportlern um Honda Civic Type R oder Hyundai i30 N. Aber das kann es ja eigentlich auch gar nicht, weshalb die Leistung des X2 M35i isoliert betrachtet absolut bemerkenswert ist.

Wie ist er innen?

Es bleibt das alte Lied: So richtig erschließen tut sich mir der X2 nicht, gerade im Interieur. Aber offenbar bin ich dumm und altmodisch, denn er verkauft sich wie verrückt. Mein Problem ist: Er hat auch nicht wirklich mehr Platz als ein 1er. Vor allem nicht, wenn der neue kommt, der beim Raumangebot ordentlich aufsattelt. Klar, der Kofferraum ist mit 470 bis 1.355 Liter ein wenig größer, aber der SUV- oder Crossover-Gedanke (höher sitzen, mit mehr Platz reisen) ergibt sich hier kaum. Die Materialien sind okay, aber für den Preis auch nichts wirklich Besonderes. Infotainment und Bedienung geben dagegen das gewohnt hervorragende Bild ab. Kleiner Tipp: Richten Sie unbedingt die 500 Euro für die neuen Sportsitze her. Das Gestühl im normalen X2 ist zu klein, diese neuen Sitze hier sind hervorragend und sehen auch noch viel cooler aus.

BMW X2 M35i im Test

Soll ich ihn kaufen?

Es wird interessant zu sehen sein, ob sich eine Sportversion eines eher unpraktischen Lifestyle-Produkts verkauft. Enthusiasten sind X2 Fahrer nämlich garantiert nicht. Außerdem ist das Ding - mit Verlaub - einfach nur schweineteuer. Der Basispreis beträgt 55.200 Euro. Vorteil M35i: Die deutlich schwächeren X2 sind ausstattungsbereinigt nicht wirklich viel günstiger. Konkurrenz gibt es in Form des 300 PS starken Cupra Ateca, der ab 42.850 Euro zu haben ist. In naher bis mittlerer Zukunft folgen dann noch der VW T-Roc R und womöglich ein Tiguan R (beide mit um die 300 PS) sowie der angesprochene GLA 35. Der X2 hat sicher den aufregenderen Motor und das knackigere Fahrwerk mit mehr Charakter und Expertise. Unter den performanten Crossovern derzeit das dynamisch interessanteste Paket. Wirklich brauchen tut man dieses Auto natürlich nicht. Das ist derzeit ein gutes Signal, dass es sich blendend verkaufen wird.

Fazit: 7/10

+ hervorragender, sehr kräftiger Motor; für Crossover extrem dynamisches Fahrverhalten; trotzdem hoher Komfort

- Zerren in der Lenkung spürbar; hoher Preis; warum nicht auf den M135i warten?

Bildergalerie: 2019 BMW X2 M35i im Test

BMW X2

Motor Vierzylinder-Turbo-Benziner; 1.998 ccm
Antrieb variabler Allradantrieb mit Haldex-Kupplung
Getriebeart 8-Gang-Automatik
Leistung 225 kW (306 PS) bei 5.000 - 6.250 U/min
Max. Drehmoment 450 Nm bei 1.700 - 4.500 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h 5,0 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 250 km/h
Leergewicht 1.685 kg
Zuladung 580 kg
Verbrauch Normverbrauch: 6,9 Liter
Emission 158 g/km CO2
Kofferraumvolumen 470 - 1.355 Liter
Basispreis 55.200 Euro