Nach langer Zeit hat Jeep in den USA wieder einen Pick-up herausgebracht, den Gladiator. Ob und wann es der Gladiator nach Deutschland schafft, ist noch völlig offen. Unser US-Kollege Jeff Perez konnte ihn jetzt erstmals fahren, oben sehen wir ihn in einem englischsprachigen Video. Hier sind seine schriftlichen Eindrücke:

Es dauerte fast 15 Jahre, damit FCA seinen Jeep Wrangler-basierten Pickup perfektionierte, der 2005 als Studie auf der JK-Plattform vorgestellt wurde. Nun geht der Jeep Gladiator zum US-Modelljahr 2020 in die Serienproduktion und nutzt die Plattform des recht neuen Wrangler JL. Trotzdem sollte man eines nicht tun: Ihn einen Wrangler mit Ladefläche nennen.

Der neue Jeep Gladiator ist quasi zwei Fahrzeuge in einem: Ein moderner Midsize-Pick-up wie auch ein echter Jeep. Alle leistungsfähigen Komponenten des Wrangler wurden mit der Vielseitigkeit und Benutzerfreundlichkeit einer 5-Fuß-Ladefläche (1,52 Meter) kombiniert. Mit dem Gladiator begibt sich Jeep in den USA in ein Segment mit starken Alternativen wie dem Toyota Tacoma, Chevrolet Colorado, GMC Canyon, Honda Ridgeline und Nissan Frontier.

Was können wir zum Look des Gladiator sagen, das noch nicht über den Wrangler geschrieben wurde? Vorne ist er so schön geformt wie sein Geländewagen-Bruder. Das markentypische Gesicht des Jeeps mit sieben Lamellen setzt sich natürlich fort, aber hier sind sie etwas größer, um bei der Kühlung zu helfen. Die LED-Scheinwerfer des Wrangler, die optionalen Stahlstoßfänger und die großen Kotflügel bleiben unverändert.

Jeep Gladiator 2020: Erste Fahrt

Die Proportionen des Gladiator wirken etwas untersetzt. Gegenüber einem viertürigen Wrangler Unlimited legt die Länge um rund 80 Zentimeter zu, der Radstand wächst um gut einen halben Meter. Die Sport- und Overland-Ausstattungen passen nicht so recht zu dem Jeep-unüblichen verlängerten Radstand und Gerümpel auf der Ladefläche. Zumindest sieht das Rubicon-Modell robust aus. Die Ladefläche des Gladiator betont den Nutzen stärker als das Aussehen: Niedrige Seitenwände opfern etwas Kapazität, aber es bedeutet, dass es einer der wenigen Laderäume im Segment ist, die wir ohne Stufe leicht erreichen können, obwohl die Stufen am Stoßfänger den Zugang noch einfacher machen.

Der Längenzuwachs des Gladiator steht der geringen Agilität, die seine Wrangler-Basis bietet, zusätzlich im Wege. Die Lenkung ist vage und das Fahrwerk, selbst mit einer klassenexklusiven Fünflenker-Hinterradaufhängung (wiederum vom Wrangler übernommen), bietet vieles, nur definitiv keine Dynamik. Indes: Andere Pick-ups auf dem US-Markt setzen nach wie vor auf weniger raffinierte Blattfedern. Durch das zusätzliche Gewicht beim Gladiator fühlt sich die ohnehin schon rustikale Wrangler-Plattform hier noch sperriger an. Dank des steifen Chassis hingegen ist der Fahrkomfort weich und geschmeidig.

Die Proportionen des Gladiator wirken etwas untersetzt.

Vorerst gibt es den Gladiator nur mit dem 3,6-Liter-V6-Benziner. Er leistet 290 PS und bietet 353 Newtonmeter maximales Drehmoment. Mit manueller Sechsgang-Schaltung liegt der offizielle Verbrauch bei 12,4 Liter. Ebenso mit der Achtgang-Automatik, die aber in der Stadt ein wenig einsparen soll.

Wir mögen den V6. Er ist kräftig und kann bis zu 3,5 Tonnen ziehen sowie 725 Kilogramm Zuladung auf seine Ladefläche nehmen. (Beides sind übrigens Bestwerte in seiner Klasse.) Was wir aber vermissen, ist das schwungvolle Ansprechverhalten moderner Turbomotoren.  

In unserer Zeit mit dem neuen Wrangler zeichnete sich sein optionaler aufgeladener 2,0-Liter-Mildhybrid durch Kraft und Lebendigkeit aus. Der Pentastar-V6 des Gladiator kann nicht die gleiche Aufregung hervorrufen, er fühlt sich etwas klobig an. In den nächsten Monaten wird beim Gladiator noch ein 3,0-Liter-Diesel mit 264 PS und 599 Newtonmeter Drehmoment nachgereicht.

2020 Jeep Gladiator: First Drive
2020 Jeep Gladiator: First Drive
2020 Jeep Gladiator: First Drive

Aber der Gladiator ist immer noch ein Jeep, so dass seine Opfergabe der Agilität auf der Straße im Gegenzug für beeindruckende Offroad-Fähigkeiten sorgt. Jeep fuhr jede Ausstattung, von der Basis "Sport" bis zum Topmodell "Rubicon", den Rubicon Trail in Moab, Utah, hinunter und verpasste dem Pick-up so ein "Trail Rated Badge". Jeder Gladiator wird mit einem Satz Dona 44 Vorder- und Hinterachsen, Zwei-Zoll-Fox-Dämpfer und dem Verteilergetriebe des Wrangler geliefert.

Die Sport- und Overland-Modelle bieten eine Geländeausrüstung der Einstiegsklasse, aber das Command-Trac-Allradsystem mit einer Übersetzung von 2,72:1 im unteren Drehzahlbereich sowie Geländereifen sind mehr, als man bei den meisten Konkurrenten des Gladiator erhält. Das Hardcore-Modell Rubicon verfügt über ein vollwertiges Rock-Trac-Allradantriebssystem mit 4,0:1-Untersetzungsgetriebe, elektronische Sperrdifferentiale an beiden Achsen, dickere 33-Zoll-Falken-Geländereifen, die größere Kotflügel erfordern, und eine optionale, nach vorne gerichtete Trail-Kamera.

Für mehr Spaß legt man die Windschutzscheibe um, entfernt die Türen und öffnet das Dach.

Der Gladiator Rubicon hebt seine Nase an steilen, felsigen Steigungen in einem 43,8-Grad-Anstellwinkel, der fast identisch ist mit dem 44,0-Grad-Anstellwinkel des Wranglers. Die nach vorne gerichtete Kamera (mit integrierter Waschanlage) ist so gut, dass man in einigen Fällen auf einen Beobachter außerhalb des Fahrzeugs verzichten kann. Dazu hält die Achtgang-Automatik die Dinge in einem kontrollierten Schneckentempo. Ab und zu setzt der Gladiator mit seinem Hintern leicht auf, aber sein vorderer Böschungswinkel von 26 Grad ist immer noch besser als beim Toyota Tacoma TRD Pro (24,0 Grad) und Chevy Colorado ZR2 (23,5 Grad).

Für mehr Spaß legt man die Windschutzscheibe um, entfernt die Türen und öffnet das Dach. Sogar der Hardtop-Gladiator ist ein Cabriolet und bietet ein Open-Air-Erlebnis wie kein anderer Pick-up. Der robuste Innenraum bietet eine gummierte Touchscreen-Einrahmung, hochwertige Ledertapezierung sowie Knöpfe und Schalter mit Metalloptik. Im Hinblick auf das Infotainment im Auto ist das integrierte UConnect-System von FCA mit seinem optionalen 8,4-Zoll-Bildschirm großartig. Es bietet Apple CarPlay und Android Auto, ganz zu schweigen davon, dass es vier USB-Anschlüsse gibt: zwei vorne und zwei auf dem Rücksitz.

2020 Jeep Gladiator: First Drive
2020 Jeep Gladiator: First Drive
2020 Jeep Gladiator: First Drive
2020 Jeep Gladiator: First Drive
2020 Jeep Gladiator: First Drive

Das Entfernen von Dach und Türen macht den Gladiator auch nicht anfällig für Diebstahl. Der Fond verbirgt ein kleines, abschließbares Staufach unter der Bank und ein noch besser abschließbares Staufach hinter den Rücksitzen. Dort hinein passen zwar nicht viel mehr als ein paar Geldbörsen und Mobiltelefone, aber es ist eine intelligente Lösung für die Open-Air-Eigenschaften des Gladiators.

Der Jeep Gladiator Sport beginnt in den USA bei 33.545 Dollar (umgerechnet knapp 30.000 Euro) und ist damit einer der teuersten Pick-ups seiner Klasse. Der nächsthöhere Sport S startet bei 36.755 Dollar, der besser ausgestattete Overland kostet 40.395 Dollar. Das Einzige, was Jeep nicht im Angebot hat, ist eine gestrippte Basisversion unter 30.000 Dollar, wie es sie in den USA für Ranger, Tacoma und Colorado gibt. Aber wir können uns nicht beschweren. Aufgrund seiner Offroad-Fähigkeiten und der verfügbaren Technik, auch bei dem niedrigen Sportmodell, bietet der Gladiator ein faires Preis-Leistungsverhältnis. Das robuste Rubicon-Modell ist der teuerste Gladiator, beginnend bei 43.545 Dollar (umgerechnet rund 38.800 Euro).

2020 Jeep Gladiator: First Drive

Der Gladiator ist trotz seiner Macken auf der Straße und seines plumpen Designs die attraktivste Wahl in einer hart umkämpften Klasse. Seine zusätzliche Länge, das verstärkte Chassis und die dazugewonnene Vielseitigkeit machen ihn zu weit mehr als nur einem Wrangler mit Ladefläche, auch wenn er optisch so aussehen mag. Die bemerkenswerte Geländetauglichkeit ist das Schönste, und seine neu gewonnenen Fähigkeiten als Pick-up eröffnen für Jeep einen großen neuen Käuferkreis. Der Gladiator ist immer noch mehr Jeep als Pick-up, aber er ist großartig darin, beides zu sein.

Bildergalerie: Jeep Gladiator (2019) im Fahrbericht