Potzblitz, was verbirgt sich hinter diesem KÜHLERGRILL?

Hinter der mächtigsten Niere in der 13,8 Milliarden Jahre alten Geschichte unseres Universums befindet sich der neue BMW 7er. Na gut, eigentlich handelt es sich "nur" um das Facelift der seit Oktober 2015 angebotenen sechsten Generation (interner Code: G11), aber BMW teilt uns stolz mit, dass eine Modellpflege noch nie so umfangreich ausfiel wie hier. Zumindest, was das Design betrifft. Aus technischer Sicht sind die Neuerungen überschaubarer: Es gibt ein paar überarbeitete Motoren, einen stärkeren Plug-in-Hybrid, minimalen Schliff am Fahrwerk, mehr Luxus-Schischi im Interieur sowie das aktuellste Update in Sachen Infotainment und Fahrhilfen. 

Also zurück zur Optik. Puuuh, ganz schön was los hier ...

Das kann man wohl sagen. Als ich das erste Bild der neuen 7er-Front sah, schaute ich sofort in den Kalender, aber der 1. April war schon vorbei. Nach nun zwei vollen Tagen mit dem Auto kann ich die offenbar extrem Status-pimpende Grill-Orgie noch immer nicht nachvollziehen, aber das muss ich zum Glück auch gar nicht. Und Sie genauso wenig. Denn wie Sie vielleicht schon vermutet haben, gibt es inzwischen nur noch einen Markt, der entscheidet, wie große, luxuriöse Autos aussehen und das ist der chinesische. Über 40 Prozent aller 7er gehen nach China. Und der chinesische Luxus-Limousinen-Käufer (im Falle des 7ers übrigens durchschnittlich 38 Jahre alt) zeigt gerne, was er hat. Außerdem kann er es gar nicht leiden, wenn ein neues Auto oder auch ein Facelift aussieht, wie das alte Modell. Am Ende kapiert der Nachbar gar nicht, dass man nun wieder was Besseres fährt als er. 

Langer Rede, kurzer Sinn: China und auch große Teile Rest-Asiens würden DER NIERE am liebsten einen Schrein bauen. Ein 7er-Produktmanager erzählte mir, dass ihm Verkäufer aus dem Reich der Mitte, aber auch aus Singapur, Malaysia oder Indien bei der offiziellen Händler-Präsentation vor Freude um den Hals gefallen seien. Dass BMW obendrein gleich die ganze Front um 50 mm angehoben hat, wird den Jubel sicher auch nicht geschmälert haben. Präsenz, Prestige, Status, dicke Hose. Und bloß keine Verwechslungsgefahr mit dem 5er - so unterschiedlich sind die Geschmäcker. 

2019 BMW 750Li xDrive
2019 BMW 750Li xDrive

Wer an einer +5-Meter-Limousine noch immer eher deren distinguierte Eleganz schätzt, betrachtet den neuen 7er daher besser von hinten. Das neue Heck mit dem ultraflachen Leuchtenband und den abgedunkelten Rückleuchten sieht nämlich absolut glorreich aus.

Vermutlich interessiert keinen 7er-Kunden wie dynamisch er fährt. Aber fährt er denn dynamisch?

Das tut er absolut. Und BMW hatte zum Test lediglich Langversionen eingepackt. Bedenkt man, dass man es hier mit 5,26 Meter feudalster Sänftigkeit zu tun hat, kann man nur zu dem Schluss kommen: Es ist eine Schande, dass ein Großteil der Kundschaft 95 Prozent der Zeit hinten links sitzen wird.

"Es ist verblüffend erheiternd, wie gut 3,21 Meter Radstand um die Kurve gehen können."

Was viele vermutlich längst vergessen haben: Der aktuelle 7er hat ein mordsaufwendiges Chassis mit einem ungewöhnlich hohen Carbonanteil. Auch bei den ungefederten Massen hat man damals abgeschliffen, was das Zeug hält. Ob das wirtschaftlich die beste Idee war, ist die eine Frage. Aber leicht ist er, der Große. Da kommt im Segment kein anderer hin. Ein normaler 730d bringt es ohne Fahrer auf 1.825 Kilo. Mein Testwagen - genau der 750i mit dickem V8, langem Radstand und Allradantrieb - wiegt genau zwei Tonnen. Und dass sie am Mittleren Ring in München wissen, wie man ein Fahrwerk (auch ein sehr großes) abstimmt, sollte eigentlich jedem bekannt sein. Für das Facelift hat man dem 7er kleine Anpassungen an den Feder- und Dämpferraten gegönnt. Zudem wurde auf leise Kritik an der etwas zu leichtgängigen Lenkung reagiert und diese nun etwas fleischiger und spürbar feedbackiger abgestimmt.

Die Folge: Selbst wenn beim serienmäßig luftgefederten 7er der Fahrkomfort klar im Vordergrund steht, ist es verblüffend erheiternd, wie gut 3,21 Meter Radstand um die Kurve gehen können. In diesem Fall haben sicher auch die optionalen Dynamik-Verstärker namens Integral Aktivlenkung (Hinterradlenkung) und Executive Drive Pro (aktive Wankstabilisierung mit elektrischen Schwenkmotoren; System scannt die Straße und richtet Fahrwerk danach aus, was kommt) ihren Anteil gehabt. 

Ein etwas schräges Schauspiel ist es natürlich trotzdem, wenn man den bayerischen Bosse-Beförderer scharf in die Ecke wirft. Er wird dann ein bisschen schwerer durchatmen und sich heftig auf seine ächzenden Reifenflanken stützen, aber er wird sich in aller Regel sehr beachtlich und neutral aus der Affäre ziehen und einem das Gefühl geben, einen guten halben Meter kleiner zu sein, als er ist. Auch die neu abgestimmte Lenkung tut ihm hier sehr gut, wirkt viel natürlicher als vorher. Gerade im Sport-Modus (auf Sport Plus verzichtet dieses Auto gnädigerweise) zieht sich der 7er merkbar zusammen, ohne jemals auch nur ansatzweise bockig zu werden. Da kommt eine S-Klasse nicht mit. Wenn dann nur als S 63 AMG und dann nicht so geschmeidig.

2019 BMW 750Li xDrive

Das alles ist umso bemerkenswerter, weil das Auto in seinem Erstjob nach wie vor ein herausragender Fahrkomfort-Charmeur ist. Selbst wenn man mal eine fiese Temposchwelle völlig übersehen hat, beseitigt der Wagen das eigene Missgeschick mit beeindruckender Diskretion. Und leiser ist es im Facelift-7er dank dickerer Scheiben sowie mehr Dämmung an B-Säule, Rückbank und hinteren Radkästen ebenfalls geworden. Gerade im 745e, dem neuen Sechszylinder-Plug-in-Hybrid hört man ziemlich gut, wie wenig man hört.

Ah, wir sind bei den Motoren. Gibt es den V12 noch?

War ja klar, das diese Frage wieder als erstes kommt. Ja, es gibt ihn noch. Die für Euro 6d-Temp nötigen Partikel-Filter kosten den monumentalen 6,6-Liter-Biturbo in Europa allerdings 25 PS. Damit kommt er auf "nur noch" 585 PS und weiterhin 850 Nm, geht in 3,8 Sekunden von 0-100 km/h. Das klingt völlig hanebüchen und ist es wohl auch.

Nicht viel weniger hanebüchen aber deutlich wirtschaftlicher (vergleichsweise) ist der neu ins Programm aufgenommene 4,4-Liter-Biturbo-V8 aus dem 8er. Er leistet 530 PS und 750 Nm und ist ein ganz wunderbares Aggregat, das mit seiner frühen Kraftabgabe und stoischen Wucht fast besser in eine große Limo passt als in einen Sportwagen. Sogar den langen 7er bringt dieser Bär in 4,1 Sekunden auf 100 km/h. Das Schöne ist: Sie müssen ihn gar nicht ausdrehen und sind trotzdem immer sauschnell. Wahre Größe also, zu der auch die würdevolle Klangkulisse und die wie immer in allen Belangen überzeugende 8-Gang-Automatik gehören.

Und wenn ich ein Sparfuchs bin?

Dann ist der 7er vielleicht generell nicht ganz das richtige Vehikel, aber ich verstehe, worauf das hinauslaufen soll. Wenn Sie eine reele Chance auf einstellige Verbrauchswerte haben wollen, müssen Sie im 7er natürlich andere Alternativen in Betracht ziehen. Es gäbe da die drei bekannten Sechszylinder-Diesel mit ein bis vier Turboladern und 265, 320 oder 400 PS  (730d, 740d, 750d).

Oder den neuen Plug-in-Hybrid 745e, der wohl vor allem für die USA, Deutschland, Malaysia, Singapur und Japan wichtig ist, denn das sind, auch in dieser Reihenfolge, die Top-5-Hybridmärkte für den 7er. Für die 3.000 Euro staatliche Plug-in-Hybrid-Prämie (gilt für Fahrzeuge bis 60.000 Euro) ist das Auto mit mindestens 101.290 Euro natürlich zu teuer. Die überwältigende Mehrheit von 90 Prozent, die einen 7er als Dienstwagen nutzt, sollte sich den Plug-in dennoch genauer ansehen. Warum? Weil Sie ihn hierzulande anstatt mit 1,0 nur mit 0,5 Prozent des Brutto-Listenpreises versteuern müssen. Da kommt in diesem Fall sicher einiges zusammen.

Und ganz nebenbei: Der etwas unwürdige Vierzylinder im Vorgänger 740e macht nun Platz für einen 3,0-Liter-Reihensechser mit 286 PS. Der Elektromotor liefert unverändert 113 PS, das Drehmoment steigt um 15 auf 265 Nm. Die maximale Systemleistung im Sport-Modus beträgt nun 394 PS und 600 Nm, 68 PS und 100 Nm mehr als bisher. Die Fahrleistungen verbessern sich nur marginal, was wohl auch am Mehrgewicht von 85 Kilo liegt. 0-100 km/h gehen nun bestenfalls in 5,1 statt 5,3 Sekunden.

2019 BMW 745Le xDrive

Aber das dürfte den meisten Hybrid-Kunden relativ egal sein. Viel wichtiger: Verbrauch und Reichweite. Und hier verbessert sich der Neue dank optimierter Lithium-Ionen-Batterie (unter den Fondsitzen) mit 12,0 statt 9,2 kWh Kapazität spürbar. Die rein elektrische Norm-Reichweite steigt von 40 auf bis zu 58 Kilometer. Im echten Leben sind so zuverlässig 40 Kilometer drin. Den Verbrauch gibt BMW mit 2,1 bis 2,6 Liter an. Sollten Sie immer so fahren wie ich auf dem kleinen, von BMW vorgesehenen Testloop - sprich: mit kaum mehr als 50 km/h durch Vororte gleitend, dann erreichen sie diese Werte womöglich sogar. Nutzen Sie ihn ganz normal, sind es wohl eher 7 bis 9 Liter, aber hey ... immerhin. Viel mehr war auf der kurzen Fahrt nicht herauszufinden. Außer, dass der 7er rein elektrisch wirklich gespentisch leise unterwegs ist, sich der Verbrenner im Hybridmodus absolut unmerklich zuschaltet und dass das Kofferraumvolumen von 515 auf 420 Liter sinkt. 

Fehlt noch das Interieur. Fühlt man sich wohl im 7er? 

Das tut man. Sehr wertige Materialien und eine (optionale) Lederausstattung mit deutlich aufwendigerer Rautensteppung - einmal mehr ein Wunsch aus Fernost - verleihen dem gelifteten 7er das Luxus-Flair, dass man zum Beispiel beim 8er so schmerzlich vermisst. Natürlich ist gerade in der Langversion alles vorhanden, was gestresste Millionärs-Leiber entspannt. Elektrische Sitzverstellung auch hinten, diverse Massage-Optionen, Raumbeduftung und Vitalitätsprogramme, ein optimiertes Fond-Entertainmentsystem - Sie kennen das Spiel.

Neu und bereits aus dem X7 bekannt ist die digitale Anzeigenkombi aus 12,3 Zoll großem Instrumentendisplay und 10,25 Zoll großem Infotainmentbildschirm. Die schier unendliche Menge an Funktionen wird nun auch im Flaggschiff per Touch, Gestensteuerung oder iDrive-Controller gehandhabt. Oder eben durch den persönlichen Sprach-Knecht "Hey BMW", der mittlerweile wirklich verblüffend gut funktioniert und Ihnen zum Beispiel auch Parkplätze an Ihrem Zielort sucht. Viel besser als derzeit bei BMW kann man eine Bedienung nicht gestalten.

2019 BMW 745Le xDrive
2019 BMW 745Le xDrive

Natürlich hat man auch die Assistenzsysteme wieder auf den neuesten Stand geupdatet. Alles aufzuzählen würde hier eindeutig den Rahmen sprengen. Neu ist, dass das Lenkrad nun empfindlicher auf Berührungen reagiert, weshalb Sie selbiges nun kaum noch festhalten müssen, wenn das Auto im Selbstfahr-Modus unterwegs ist. Und sollten Sie sich mal hoffnungslos an einem viel zu engen Fleck festgefahren haben, holt Sie der 7er da wie ein guter Kumpel wieder raus indem er die letzten 50 vorwärts gefahrenen Meter speichert und diese exakt so alleine wieder zurückfährt.

Ist er die beste Luxuslimousine?

Ich weiß nicht, ob das in dieser Klasse so einfach zu beantworten ist. Das Niveau von 7er,  Mercedes S-Klasse und Audi A8 ist so irre hoch. Hier hängt es sicher mehr davon ab als irgendwo sonst, wie einem das Design, das Ambiente im Innenraum oder gewisse Ausstattungsdetails gefallen. Über die Optik des neuen 7ers entscheiden Sie bitte selbst. Am Interieur gibt es in diesem BMW aber mal wirklich gar nichts auszusetzen. Und in puncto Fahrdynamik hat er wohl DIE NIERE vorn. 

Ein überragender Mix aus Hightech, Luxus, Qualität und Fahrkomfort. Aber all das kann die Konkurrenz natürlich auch. Wenn Sie lieber vorne links als hinten rechts sitzen, ist der BMW vermutlich die beste Wahl. 

Fazit: 9/10

+ beeindruckender Fahrkomfort; bei überraschend ausgeprägter Fahrdynamik; hervorragende Motoren; technisch State of the Art; Qualität, Platz und Bedienung im Innenraum

- streitbare Optik; manches Technik-Feature vielleicht ein bisschen zu viel des Guten 

Bildergalerie: 2019 BMW 750Li xDrive und 2019 BMW 745Le xDrive

Technische Daten und Preise BMW 750Li xDrive

Motor V8-Biturbo-Benziner; 4.395 ccm
Antrieb variabler Allradantrieb
Getriebeart 8-Gang-Automatik
Leistung 530 PS bei 5.500 U/min
Max. Drehmoment 750 Nm bei 1.800 - 4.400 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h 4,1 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 250 km/h
Leergewicht 2.075 kg
Verbrauch 9,5 Liter/100 km
Emission 218 g/km CO2
Länge 5,26 Meter
Breite 1,90 Meter
Höhe 1,48 Meter
Kofferraumvolumen 515 Liter
Zuladung 675 kg
Basispreis 122.890 Euro
Marktstart Mai 2019