Zwei Buchstaben, eine Legende: 2016 präsentierte Ford die Neuauflage des GT. Ein Auto, das für offene Münder sorgt. 99 Prozent aller Autofans werden den Ford GT allerdings noch niemals live gesehen haben, geschweige denn in Bewegung. Okay, vielleicht die Rennversion. Aber ich rede hier von der straßenzugelassenen Variante. Sie wird in homöopathischen Dosen produziert, die Nachfrage übertrifft das Angebot um das Siebenfache. Zwar sollen nun insgesamt 1.350 Exemplare gebaut werden, doch das Auswahlverfahren, wer des GT überhaupt würdig sei, ist härter als DSDS und GNTM zusammen. Und nun habe ausgerechnet ich, der Otto-Normal-Motorjournalist, die Gelegenheit, den Ford GT zu fahren. Und zwar nicht im Videospiel. Live, echt, ohne Filter, eine halbe Stunde lang.

Allerdings knapsen Kleidergrößen mit mindestens einem X im Namen schon mal fünf Minuten vom Zeitrahmen ab. Schließlich will der 1,11 Meter flache GT Yoga-artig geentert werden. (Analog zu seinem Urahn GT40, bei dem die Ziffer für die Höhe stand, müsste der GT strenggenommen "GT44" heißen.) Also ab mit der mächtigen Tür nach oben, Hintern auf den Sitz (Achtung, eng!) und die Beine über den Schweller fädeln. Kleiner Tipp: Eine Körpergröße unter 1,70 Meter hilft ungemein, 1,88 Meter eher nicht. Ich merke schnell: Der Ford GT ist eine Einheit für sich. Während die vorderen und hinteren Rahmenstrukturen aus Aluminium gefertigt werden, besteht die Sicherheitszelle ebenso wie die Karosserie aus Kohlefaser. Ein Monocoque vom Feinsten also, ein Rennwagen mit Straßenzulassung.

"Der Ford GT ist eine Einheit für sich."

Und ohne verstellbare Sitze. Dankenswerterweise weiß mein Beifahrer und Anstands-Wauwau, ein britischer Ford-Ingenieur, wo er ziehen muss, um die Pedale zu verstellen. Aufgrund der bunkerartigen schmalen Fenster kommt mir der Ford GT enger vor, als er ist. Die Kopffreiheit ist ziemlich gut, fürstliche Platzverhältnisse sehen aber anders aus. Kofferraumvolumen: 11,3 Liter. Elf-Komma-Drei. Als flüstere der GT mir zu: Du bist hier nur das Bedienelement. Ich bin konsequent auf Aerodynamik, Anpreßdruck und Geschwindigkeit ausgerichtet. Und zwar nicht nur auf der Geraden, sondern auch in den Kurven. Siehst du meine Luftleitelemente, die sich adaptiv auf die Fahrsituation einstellen? Und den Heckspoiler mit variablem Flügel? Also jammer nicht rum, iss weniger Schokoriegel und fahr los!    

Zunächst mache ich mich aber noch mit den Bedienelementen vertraut. Wie in der Formel 1 ist das Lenkrad mit Knöpfen und Drehschaltern übersät. Lenkstockhebel gibt es an dem kleinen, fast rechteckigen Lenkrad nicht. Ob Blinker oder Scheibenwischer, alles befindet sich auf dem Volant. Mein Beifahrer friemelt den Drehknopf für die Fahrmodi auf den Normal-Modus. Keine Experimente, schließlich herrscht draußen a) Herbst und b) Berufsverkehr. Alternativ gäbe es noch Nässe, Sport, Track und V-Max (347 km/h übrigens). Je nach Programm liegt der Wagen fünf Zentimeter tiefer, zudem passen sich andere Parameter wie zum Beispiel die Dämpfereinstellung und die Getriebe-Kalibrierung an. Apropos Getriebe: An Bord ist eine Siebengang-Doppelkupplung von Getrag.

"Jeder guckt, als renne gerade Donald Trump an ihm vorbei. Nackt. Mit dem Papst auf dem Rücken."

Sie merken schon: Der Ford GT ist derart ambitioniert entwickelt, dass eine tiefgehende Betrachtung seiner Technik eher ein Fall für Proseminare an Technischen Universitäten ist. Ich folge lieber der Anweisung meines Aufpassers: "Push that Button", gemeint ist der fette rote Startknopf in der Mittelkonsole. BLÄM! Wütend springt mir der hinter den Sitzen als Mittelmotor montierte 3,5-Liter-V6 samt Biturbo ins Genick. Ein Chor von 647 PS, allesamt Baritone, denn die Maschine klingt ziemlich bassig. 

Doch trotz der fetten Orgel an Bord muss ich es Piano angehen: Tempo 50 innerorts gilt auch für Supersportwagen und A-Klasse-bewehrte Opis kümmert es nicht, dass man gerade seine persönliche Ausfahrt des Jahres unternimmt. Alle Passanten dagegen schon: Beim Anblick von GT17FMC, 4,77 Meter lang, 2,11 Meter breit und äußerst gelb, wird nur noch geglotzt. Jeder guckt, als renne gerade Donald Trump an ihm vorbei. Nackt. Mit dem Papst auf dem Rücken. 

"Schub. Schuuuuub. SCHUUUUUUUUUUB!!!"

Endlich liegt das Ortsschild hinter uns und eine maßvoll kurvige Landstraße ohne Verkehr vor uns. Bis hierhin ließ sich der Ford GT überraschend unspektakulär fahren. Ich spüre aber, wie die fetten Reifen (hinten sind es 325er) jedem Detail des Straßenbelags nachschnüffeln. Doch jetzt durchatmen, voll auf den Stempel treten und Schub. Schuuuuub. SCHUUUUUUUUUUB!!! Während mein GT-erprobter Mitfahrer ganz cool bleibt, entfleucht mir spontan Götz von Berlichingen. (Leck mich am ... Sie wissen schon.) 745 Newtonmeter Drehmoment schlagen bei 5.900 Touren zu, "unter drei Sekunden" nennt Ford diskret für den Sprint auf 100 km/h. 

Hart, aber fair: Das wäre das ideale Motto für den Ford GT. Er ist kein unberechenbares PS-Monster, dass dich umbringen will. Sondern ein Präzisionswerkzeug für Kenner und Könner. Nicht gerade mit dem kleinen Finger zu lenken, aber wer den GT fest im Griff hat, wird mit Tempo und sagenhafter Kurvenlage belohnt. Gewiss, das volle Potenzial dieses Wagens ist nur auf Rennstrecken abrufbar. Aber selbst bei halbwegs zivilen Geschwindigkeiten (schließlich möchte ich ungern 540.000 Euro kaltverformen) fühlst Du dich auf dem direkten Weg nach Le Mans. 

Ich bremse wieder ab, wobei knapp 28 Meter Bremsweg aus 100 km/h eher den Effekt eines Ankerwurfs haben. In den Radkästen prasseln die aufgewirbelten Blätter vom Asphalt lautstark an die Karosserie. Bis 2022 wird der Ford GT noch weitergebaut, darunter eine hübsche Heritage-Edition im "Gulf Oil"-Design. Wie sagt Hans-Jörg Klein, Geschäftsführer Marketing und Verkauf von Ford Deutschland, so passend: "Das ist kein Auto, um täglich zur Eisdiele zu fahren." Er hat recht. Der Ford GT ist der Eisbecher selbst. 

Bildergalerie: Ford GT: Supersportler mit 647 PS im Fahrbericht