Das absurdeste von sehr vielen absurden Dingen an diesem Auto ist ja, dass man ihm den ganzen gewaltigen Wahnsinn nicht mal ansieht. Es gibt vier Endrohre, gelbe Bremssättel – das war‘s. Um zu erkennen, dass hier der Teufel persönlich in einen Jeep Grand Cherokee gepackt wurde, muss man seine Augen schon auf den kleinen gemeinen Schriftzug an den vorderen Türen richten: Das hier ist kein normaler SRT-Jeep. Dieses Ding hat einen Kompressor.

Das klingt schnell ...
Das kann man wohl sagen. Sie werden es vielleicht schon geahnt haben, aber beim FCA-Konzern bedeutet V8 plus Kompressor dieser Tage den absurden Irrsinn von 710 PS und 868 Newtonmeter. Der Trackhawk hat das gleiche 6,2-Liter-Monstrum unter der Haube, das auch in den Hellcats (Challenger und Charger) von Dodge sein Unwesen treibt. Hüben wie drüben sorgt es für hanebüchenen Vortrieb. Von 0-100 km/h beschleunigt dieser anabole 2,53-Tonnen-Sportifant in 3,7 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 290 Sachen. Damit ist er schneller als ein Porsche Cayenne Turbo. Oder ein Mercedes-AMG GT. Das schnellste SUV ist er aber – entgegen der selbstbewussten Jeep-Ansage – nicht. Der Lamborghini Urus beschleunigt noch ein bisschen wilder (3,6 Sekunden) und fährt wie der Bentley Bentayga W12 über 300 km/h.

Wirkt verschmerzbar ...
Absolut. Und nicht nur, weil der Trackhawk ausstattungsbereinigt wohl knapp die Hälfte der beiden Edel-SUV-Exoten kostet. Hauen Sie das Gaspedal in den Boden und machen Sie sich bereit, zu staunen. Weit aufgerissene Augen und ein ziemlich offener Mund waren zumindest bei mir das Ergebnis dieser etwas wilden, aber absolut beeindruckenden Leistungsentfaltung. Der Trackhawk geht ein bisschen in die Knie, hebt seine Haube, als wolle er gleich wegfliegen und schiebt seine Opulenz nach vorne, dass einem Angst und Bange wird. Das alles begleitet von einem Soundtrack, der einen vor Freude grunzen und jubeln lässt. Der Kompressor quiekt und weint, mechanisch laut und herzzerreißend. Bis er irgendwann vom donnertosend-anarchischen Gebrüll der riesigen Achtzylinder-Wuchtbrumme übertönt wird. Es ist ein Fest der Gänsehaut und des pubertären Gekichers.

Geht der Trackhawk gut um die Kurve?
Zuerst einmal sollte erwähnt werden, dass Jeep ziemlich viel Aufwand betrieben hat, um die archaischen Kräfte des Grand Cherokee Trackhawk in halbwegs vernünftige Bahnen zu lenken. Die Scheiben der Brembo-Stopper messen vorne 400 und hinten 350 Millimeter. Die hinteren Antriebswellen und die Hinterachse wurden verstärkt. Gleiches gilt für die Achtgang-Automatik. Außerdem hat man den Allradantrieb optimiert. Ein überarbeitetes elektronisches Sperrdifferenzial verteilt die Power zwischen den Hinterrädern. Zudem liegt der Trackhawk gut 25 Millimeter tiefer als die normalen Grand Cherokees. Die undankbare Aufgabe, derart viel Potenz unfallfrei auf den Asphalt zu bringen, haben 295er-Pirelli-Scorpion-Pneus auf schwarzen 20-Zoll-Schmiederädern. All das lässt den Über-Jeep besser durch die Kurve kommen, als zunächst vermutet. Eine ganz schöne Handvoll bleibt der beleibte US-Kraftprotz aber trotzdem.

Wie äußert sich das? Viel Schwanken und Untersteuern?
Verblüffenderweise gar nicht mal so viel Untersteuern. Aber dass hier sehr viel Blech in ständiger Bewegung ist, darauf können Sie wetten. Unglücklicherweise hatte ich beim Fahrtermin gerade mal eine Runde auf der FCA-Teststrecke in Balocco. Und das mit einem vorneweg fahrenden Instruktor, der – ich will es mal vorsichtig ausdrücken – nicht unbedingt Gefangene machte. Also das Herz in beide Hände genommen und hin und wieder eine dicke Portion Schweißperlen von der Stirn gewischt. Zugegeben: Auf einer eher kleinen, engen Rennstrecke fühlt sich der Trackhawk schon ein bisschen an, als hätte er einen Bizeps aus Stahl und Beine aus Pudding. Man muss ihm allerdings zugute halten, dass er sich trotz seiner Masse und dem Geschaukel, die diese verursacht, sehr gut in der Kurve festbeißt. Der Grip ist überraschend stark und die Linie lässt sich wunderbar mit dem Gas schärfen. In den normalen Fahrmodi ist das ESP im Dauerstress und regelt ziemlich harsch. Stellt man den „Streckenfalken“ allerdings in seinen Track-Modus, kriegt man mehr Freiheiten und eine flüssigere Fahrperformance. Sie werden schnell merken, dass das Heck nur zu bereit wäre für permanente (Drift-)Party und recht flott zu zucken anfängt. Aber wenn man es nicht völlig übertreibt, ist das Traktionsniveau so hoch, dass der Mega-Cherokee die Contenance behält.

Klingt nach ziemlich unvernünftigem Spaß!
Das trifft es wohl am besten. Verwechseln Sie den Grand Cherokee Trackhawk nicht mit einem Sportwagen. Er ist in erster Linie ein großes SUV mit einem sehr sehr starken Motor und seine Leistung kann bei forcierter Gangart durchaus ein wenig überwältigend sein. Trotz der bissigen, mächtig packenden Bremsen, die den gewaltigen Kasten sehr gut im Griff haben. Und trotz der schnell und sauber schaltenden Achtgang-Box. Wo dann das Problem ist? Nun, es passiert einfach die ganze Zeit so viel bei diesem Auto. Wie sich der Aufbau neigt, wie der V8 ganz gerne mal noch ein Stück weiter schiebt, wenn man schon vom Gas gegangen ist. Massenträgheit? Ein kleiner Wurm in der Drehzahlanpassung? Schwer zu sagen, aber man sollte darauf vorbereitet sein. Auch die Lenkung könnte durchaus etwas direkter und kommunikativer arbeiten. Ein Porsche Cayenne Turbo oder ein Lamborghini Urus wirken da schon geschliffener, mehr auf den Punkt. Dafür hat der Jeep ihnen gegenüber einen entscheidenden Vorteil: Er hat bei allem, was er tut, deutlich mehr Spaß. Ein echter Charakterdarsteller. Man muss ihn, wenn man ihn reizt, schon zu zügeln wissen, dafür machen die schiere Allgewalt und der ungezügelte Auftritt dieses Biests schnell ziemlich süchtig.

Und im Alltag?
Eine weitere Stärke des Trackhawk. Beim normalen Dahinbummeln verwandelt er sich vom schwer erziehbaren Räuber zum zahmen Lämmlein. Also … naja … Sie wissen schon. Er blubbert dann eben entspannt vor sich hin, federt mit seinen adaptiven Bilstein-Dämpfern sehr kommod und verwöhnt wie jeder andere Grand Cherokee. Die Materialanmutung ist sehr ordentlich, das Infotainment macht einen guten Eindruck und wenn man genug von all dem Gekuschel hat, steigt man einmal kurz auf den Pinsel und im Handumdrehen tut sich das Tor zur Hölle auf. Über den Verbrauch sollten wir dabei wahrscheinlich einfach etwas beschämt schweigen. Jeep nennt 16,8 Liter im Schnitt. Wenn Sie die erreichen, sind Sie vermutlich nicht besonders schnell gefahren. Der Preis liegt in Deutschland bei 119.900 Euro. Damit ist der Trackhawk so gut wie vollausgestattet. Alles, was leistungstechnisch auch nur in die Nähe dieses SUVs kommt, ist deutlich teurer. Die ersten 150 Exemplare für den deutschen Markt waren in Rekordzeit vergriffen. Man bemüht sich gerade um die nächste Charge. Kleiner Tipp von Jeep: Wenn Sie einen wollen, sollten Sie bald zum Händler gehen und vorbestellen. Obwohl oder gerade weil die Schüssel so dermaßen irre ist, kann ich jeden verstehen, der das tun wird.

Wertung

    • ★★★★★★★★★☆

Der Jeep Grand Cherokee Trackhawk hat ein seeehr amerikanisches Verständnis von Performance. Erwarten Sie wirklich keinen Sportwagen, denn das ist dieses Schlachtschiff einfach nicht. Es gibt eine Menge SUVs, die deutlich akkurater und fahrdynamischer unterwegs sind als dieses. Nichtsdestotrotz ist der Trackhawk ein hochfaszinierendes Gefährt. Ein Benzin gurgelndes, Feuer speiendes Ungetüm unter dem Deckmantel eines praktischen Familienbombers. Trotz reichlich Wank und Schwank geht er eigentlich ganz ordentlich ums Eck. Und der Antrieb ist einmal mehr eine schwer zu fassende Sensation. All das ist bei weitem nicht perfekt, aber sehr unterhaltsam. Für den Preis gibt es nichts Vergleichbares. Unvergleichlich ist wohl auch der Spritverbrauch. Wer diese Schwäche (und ein paar weitere mehr) ausblendet, wird begeistert sein.

+ völlig entfesselter, glorioser V8-Antrieb; sensationeller Klang; querdynamisch besser, als man denken würde; vergleichsweise günstig

- schon sehr schwer und teigig; bei forcierter Gangart eine ganz schöne Handvoll; unmoralischer Verbrauch

  • Antrieb
    95%  
  • Fahrwerk
    80%  
  • Karosserie
    90%  
  • Kosten
    85%  

 

Datenblatt

Motor und Antrieb
Motorart V-Motor, Kompressor 
Zylinder
Ventile
Hubraum in ccm 6.166 
Leistung in PS 710 
Leistung in kW 522 
bei U/min 4.800 
Drehmoment in Nm 868 
Antrieb Allradantrieb 
Gänge
Getriebe Automatik 
Kraftverteilung bis zu 30:70 
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1.669 
Spurweite hinten in mm 1.661 
Radaufhängung vorn Doppelquerlenkerachse 
Radaufhängung hinten Mehrlenkerachse 
Bremsen vorn Scheiben, 400 mm 
Bremsen hinten Scheiben, 350 mm 
Wendekreis in m 11,6 
Räder, Reifen vorn 295/45 ZR20 
Räder, Reifen hinten 295/45 ZR20 
Lenkung elektromechanische Servolenkung 
Maße und Gewichte
Länge in mm 4.846 
Breite in mm 1.954 
Höhe in mm 1.749 
Radstand in mm 2.914 
Leergewicht in kg 2.531 
Zuladung in kg 462 
Kofferraumvolumen in Liter 782 
Kofferraumvolumen, variabel in Liter 1.554 
Anhängelast, gebremst in kg 2.949 
Dachlast in kg 68 
Tankinhalt in Liter 93,5 
Kraftstoffart Super Plus 
Fahrleistungen / Verbrauch
Höchstgeschwindigkeit in km/h 290 
Beschleunigung 0-100 km/h in Sekunden 3,7 
EG-Gesamtverbrauch in Liter/100 km 16,8 
EG-Verbrauch innerorts in Liter/100 km 25,5 
EG-Verbrauch außerorts in Liter/100 km 11,7 
CO2-Emission in g/km 385 
Schadstoffklasse Euro 6 



Lesen Sie auch:

Bildergalerie: 710-PS-Jeep im Test