Man kennt sie. Und irgendwie auch wieder nicht. Die Rede ist nicht von den eigenen Nachbarn, sondern von Autos, die so unauffällig blieben, dass sie heute nur eingefleischte Fans noch kennen.

Solche Modelle müssen nicht zwangsläufig zu Lebzeiten Flops gewesen sein. Aber sie liefen unter dem Radar des gewöhnlichen Autokäufers. In unregelmäßiger Folge wollen wir ab sofort unter dem Titel "Kennen Sie den noch?" Old- und Youngtimer aus dem Nebel des Vergessens holen.

Wir drehen die Uhr um 43 Jahre zurück: Womit wird Peugeot den Erfolg des VW Golf kontern? Die Modelle 204 und 304 sind in die Jahre gekommen, der 104 ist zu klein. Entsprechend groß sind die Erwartungen von Presse und Publikum bei der Präsentation des Peugeot 305 im November 1977.

Das Design des 305 überrascht, denn der kompakte Peugeot verzichtet bewusst auf das damals in den kleinen Klassen bereits populäre Schrägheck. Stattdessen wird zunächst eine recht konservative Limousine vorgestellt, die vom italienischen Designer Pininfarina in Kooperation mit dem Peugeot-Designzentrum entworfen worden ist. 

Den Grund dafür verrät Roger Gloor in seinem Buch "Alle Autos der 70er Jahre": Der Peugeot 305 "war eine vergrößerte und modernisierte Ausgabe des 304. Auch er besaß Frontantrieb und einen um 20 Grad nach vorne geneigt eingebauten Leichtmetall-Quermotor."  

Peugeot 305

Besondere optische Highlights hat der 305 nicht zu bieten, doch offenbar trifft genau das den Nerv der Kundschaft. Jahrelang ist er das meistgebaute Auto von Peugeot: Bis 1989 laufen über 1,9 Millionen 305 vom Band, wahlweise als Limousine mit klassischem Kofferraum oder ab 1980 auch als Kombi unter der Bezeichnung Break.

Etwa 10.000 Fahrzeuge finden jährlich in der Bundesrepublik ihre Abnehmer. Im Saarland ist der 305 als Streifenwagen aktiv, gut 1.000 305 rollen sogar über offizielle Kanäle in die DDR. Dort gehen sie an staatliche Stellen und "verdiente Bürger".

Peugeot 305

Trotz relativ viel Platz für Passagiere und Gepäck – im Kombi beispielhafte 849 bis 1.510 Liter Ladevolumen – bescheiden sich 305 Limousine und Break mit kompakten Außenabmessungen von nur 4,24 bis 4,28 Meter Länge.

Diese Handlichkeit und das souveräne Fahrverhalten hat den 305 eigentlich auch für eine Motorsportkarriere prädestiniert. So konzipiert Peugeot 1981 für den Rallyesport eine Version des 305 mit V-Sechszylindermotor. Dieser Brandstifter kommt im Wettbewerb allerdings nie zum Einsatz, weil schließlich die Wahl auf den 1982 lancierten kleineren Peugeot 205 fällt, der als Rallye-Weltmeister Geschichte schreibt. 

Peugeot 305

Die Vorzüge des unscheinbaren Peugeot stecken unter dem Blech: So übernehmen die familienfreundlichen 305-Modelle eine Vorreiterrolle beim serienmäßigen Seitenaufprallschutz in der Kompaktklasse. Ein umfassendes System aus massiven seitlichen Verstärkungen über fast die gesamte Fahrzeuglänge schützen die Passagiere des Peugeot. Noch mehr Sicherheit gewährleisten zusätzliche Querträger und Querabstützungen. Durch eine spezielle Gestaltung des Bugs gibt sich der 305 außerdem weniger aggressiv bei Kollisionen mit Fußgängern.

Hinzu kommen moderne Benzin- und Dieselmotoren, die den leer nur 985 Kilogramm wiegenden 305 zum Knauserer machen. Selbst mit den anfangs 60 und 74 PS starken Ottomotoren ist eine Sechs vor dem Komma bei konstant 90 km/h drin. Maßstäbe setzt aber später vor allem ein 48 kW (65 PS) starker Diesel, mit dem sich der Peugeot 305 im Normzyklus bei 90 km/h mit 4,6 Liter Diesel auf 100 Kilometer begnügt.

Peugeot 305

Noch sparsamer sind die Versuchsfahrzeuge V.E.R.A. (Véhicule Economique de Recherche Appliquée), die ab 1980 aus einem Forschungsauftrag der französischen Energiesparbehörde hervorgegangen sind. Der erste Prototyp für das Pilotprojekt basiert auf dem Peugeot 305 GR. Die Ingenieure haben dabei das Gewicht und den Luftwiderstand des Großserienmodells signifikant reduziert und das Fünfgang-Schaltgetriebe mit einem längeren Übersetzungsverhältnis ausgestattet.

Spritspartechniken, die über die Peugeot-Projekte V.E.R.A. 01 und V.E.R.A. 02 Eingang in die Serienfertigung finden und heute allgemeiner Standard sind. Um 35 Prozent können Emissionen und Verbrauchswerte in der Versuchsserie reduziert werden.

Peugeot 305

Für die Dieselversion V.E.R.A. 02 bedeutet dies 3,5 Liter auf 100 Kilometer im Normzyklus. Aus dem V.E.R.A. Plus von 1982 wird übrigens später der Peugeot 309. Er wird den 305 zusammen mit dem 405 beerben.

Verschiedene Leichtbaumaterialien wie Stahlbleche mit hoher Elastizitätsgrenze, Leichtmetalllegierungen, Kunststoffe oder Glasfasern gehen bereits beim Peugeot 305 in Großserie, der im Laufe seiner 13-jährigen Produktionszeit mehrere gründliche Modellpflegen erfährt. Dazu zählen auch aerodynamische Optimierungen wie große Radabdeckungen und ein Heckspoiler, die den Normverbrauch des sparsamsten Benziners um fast einen Liter auf damals beispielhafte 5,5 Liter pro 100 Kilometer senken.

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