Man kennt es aus der Politik: Griffige Slogans verkommen schnell zur Phrase. Wie viel wurde schon versprochen, aber dann doch nicht eingehalten. Ähnlich ist es bei BMW. Dort würde man am liebsten das Mantra "Freude am Fahren" zum Firmenlogo auf das Konzern-Hochhaus in München montieren. Aber manch neuem Modell sucht unsereiner die "Sheer Driving Pleasure" (so die englische Version) vergeblich. Oder man denkt sich: Ja, geradeaus vielleicht. Wie gut, dass BMW seine eigene Vergangenheit nicht vergisst. Und so bekam ich vor geraumer Zeit, die Möglichkeit, einen M3 der Baureihe E30 zu bewegen. Kein Sechszylinder unter der Haube, aber ein Traum für alle, die im Hintern noch mehr spüren wollen als die Sitzheizung.

Der BMW M3 entstand nicht etwa aus dem Versuch, einer Großserien-Baureihe ein sportliches Topmodell voranzustellen. Die Idee hinter seiner Entstehung war vielmehr, einen Rennwagen für den Motorsport zu entwickeln, den es auch für die Straße gab. Beim ausgewählten Einsatzgebiet handelte es sich um den serienmäßigen Tourenwagensport nach Gruppe-A-Reglement, wie er beispielsweise auch in der zu jener Zeit gerade aus der Deutschen Rennsport-Meisterschaft (DRM) hervorgegangenen Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) betrieben wurde. Die Gruppe-A-Statuten besagten unter anderem, dass zur Homologation eines solchen Rennwagens innerhalb von zwölf Monaten mindestens 5.000 Einheiten mit Straßenzulassung verkauft werden mussten.

Die Chance, die Entwicklung des Serien- und des Rennfahrzeugs zeitlich parallel voranzutreiben, gab den Entwicklern enorme Möglichkeiten, die sie optimal zu nutzen wussten. So waren Achskinematiken, Federung und Dämpfung ebenso optimal auf die späteren Anforderungen im Rennsport hin ausgelegt wie die Bremsanlage, die das serienmäßige ABS mit innenbelüfteten Bremsscheiben vorn und einer vom Motor angetriebenen Hochdruckpumpe kombinierte. Einen deutlichen Hinweis auf die konsequente Orientierung in Richtung Rennsport gaben auch Details wie das Schaltschema des Getriebes mit "links unten" liegendem ersten Gang. Dieses Detail hämmere ich mir während meines ganzen Ausritts mit dem M3 in den Kopf. Bloß nicht verschalten. Zum Glück möchte der Schaltknüppel mit Nachdruck geführt werden, was mir etwas mehr Zeit zum Überlegen bietet.

BMW M3 (E30) im Fahrbericht

Doch zurück zum ersten M3 und seiner athletischen, straff-muskulösen Form. Zwar wurde die Karosserie inklusive der breiten Radkästen traditionell aus Blech geformt, Front- und Heckstoßfänger sowie Seitenschweller, Kofferraumdeckel und Spoiler bestanden hingegen im Zuge der Gewichtsreduzierung aus Kunststoff. Bei knapp unter 1,2 Tonnen liegt ein Basis-M3 aus jener Zeit.

Und auch in puncto Aerodynamik legten die Experten von BMW Motorsport Hand an. Im Vergleich zur Serienkarosserie lief die C-Säule des BMW M3 etwas breiter und flacher aus, um die Strömung des Fahrtwinds besser auf den markanten Heckspoiler zu lenken.

BMW M3 (E30) im Fahrbericht

Als Basis für den Motor bedienten sich die Experten der Motorsportabteilung des Zweiliter-Vierzylinders aus der Serienproduktion, dessen bauarttypisches geringes Gewicht und das hohe Drehvermögen optimale Voraussetzungen für einen Rennmotor darstellten. Um aber aus dem braven Alltagstriebwerk einen athletischen Sporttreibsatz zu machen, unterzogen sie ihn einer intensiven Kraftkur.

Als erste Maßnahme vergrößerten sie den Hubraum auf 2,3 Liter, rüsteten ihn zudem auf Vierventilbetrieb um. Dafür bedienten sie sich des entsprechend modifizierten Zylinderkopfs des bereits aus dem BMW M1 bekannten Sechszylinders, dessen Brennräume passenderweise im exakt gleichen Abstand zueinander standen wie die des Vierzylinders. Der Kurbeltrieb des BMW M3 wurde so steif ausgelegt, dass er auch 10.000 Umdrehungen pro Minute und mehr vertragen konnte. Bei einer Nenndrehzahl von 6.750 U/min für den Serienmotor blieb somit viel Spielraum für Ausbaustufen der Motorsportvariante.

BMW M3 (E30) im Fahrbericht

Nachdem BMW mit der Weltpremiere des neuen BMW M3 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt im Herbst 1985 die Fachwelt in Erstaunen versetzt hatte, war es rund ein halbes Jahr später endlich so weit: Im Frühjahr 1986 hatten die ersten Motorjournalisten auf der Rennstrecke von Mugello die Gelegenheit, dem nicht nur wegen seiner markant ausgestellten Radhäuser äußerst spektakulär auftretenden „Über-Dreier“ auf den Zahn zu fühlen. 200 PS leistete der 2,3-Liter-Vierzylinder mit Vierventil-Technik. Eine Beschleunigung von null auf 100 km/h in 6,7 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 235 km/h stellen auch heute noch eindrucksvolle Werte dar.

Nochmals leistungsstärker präsentierte sich ab 1988 die Evo-Version des BMW M3, die mit 220 PS bis zu 243 km/h schnell sein konnte. Und 1990 kam dann die maximale Ausbaustufe der ersten Modellgeneration auf den Markt: der auf 600 Exemplare limitierte BMW M3 Sport Evolution mit 238 PS starkem 2,5-Liter-Motor.

BMW M3 (E30) im Fahrbericht

Einen eindrucksvollen Beleg für die Leistung der Ingenieure bei der Entwicklung des BMW M3 lieferten die bereits ab 1986 angebotenen Katalysator-Versionen des Sportwagens. Weil die Techniker in der Entwicklungsphase von Beginn an den Einsatz der Abgasreinigungstechnologie mit berücksichtigt hatten, kostete der "Kat" in allen Modellversionen jeweils nur 5 PS Motorleistung; die Fahrleistungen litten darunter nur unwesentlich. 59.800 DM rief BMW für den sauberen M3 damals auf, die ungereinigte Verson lag bei 58.000 DM. Zum Vergleich: Eine zweitürige 325i Limousine kostete zeitgleich exakt 33.000 Mark. 

Genug der Theorie, wie fährt sich der M3 (E30) denn nun? Zunächst fällt mir auf, wie extrem ergonomisch das Cockpit ist. So muss das sein, allerdings ist das Dreispeichen-Lenkrad überraschend groß. Das Radio lasse ich mal schön aus, um dem sonoren Klang des Vierzylinders zu lauschen. Es geht eben nichts über viel Hubraum und oberhalb von 3.000 Touren klingt der S14 genannte Motor beinahe wie ein Sechszylinder. 

BMW M3 (E30) im Fahrbericht

Bullig schiebt der S14 von unten heraus, 7,1 Sekunden von 80 auf 120 km/h im vierten Gang sprechen für sich. Das hier ist ein Auto für proaktive Fahrer und nichts für passive Fortbewegung. Dank der feinen Straßenlage auf Asphalt giere ich nach der nächsten Kurve und verstehe, warum der M3 einst die Rallye Korsika gewann. 

Dabei ist der E30-M3 kein Auto mit Heimtücke. Er führt dich sauber ans Limit, erst wenn du bereit zum Drift bist, kommt das Heck. Der Wagen als solcher ist schmal (nur 1,68 Meter trotz der Verbreiterungen), wie ich am kuscheligen Kontakt meines linken Arms mit der Tür merke. Andererseits lässt er sich gerade deswegen in Verbindung mit den prächtigen Sichtverhältnissen wunderbar durch Kurven zirkeln. 

BMW M3 (E30) im Fahrbericht

Aber auch die schönste Ausfahrt hat einmal ein Ende. Ich parke den M3 rückwärts ein, der große Heckspoiler erspart jeden Parkpiepser. Nach dem Aussteigen wandern meine Blicke über die 4,35 Meter lange Limousine. Dieser BMW bringt "Freude am Fahren" auf den Punkt. Ob das der angekündigte neue M3 auch schaffen wird? 

Bildergalerie: BMW M3 (E30) im Fahrbericht