Der neue Mercedes SL sorgt auf dem Genfer Autosalon vor 30 Jahren gleich doppelt für Aufsehen: Einerseits punktet der intern R 129 mit einem ausgewogenen Design. Zugleich vereint er die Ziele Sportlichkeit und Komfort. Nicht zuletzt sind die Fans gespannt, was nach 18 Jahren auf den SL der Baureihe 107 folgen wird. Das Ergebnis ist ein kultivierter, offener Sportwagen, der für „die Faszination des Fahrens in nicht gekannten Dimensionen“ steht. So heißt es in der Mercedes-Pressemappe zum Salon, der vom 9. bis 19. März 1989 stattfindet.

Mercedes SL (R 129) Genf 1989

Bereits 1990 erhält der Sportwagen den "Car Design Award" für Serienfahrzeuge der Stadt Turin und der Region Piemont. Der gebürtige Italiener Bruno Sacco, damals Direktor des Bereichs Design bei Mercedes, nimmt den Preis entgehen. Das Design des SL trägt seine Handschrift – mit klaren Linien und Flächen ohne Schnörkel, einer leicht keilförmigen Karosserie und kraftvollen Akzenten. Die Gestaltung sorgt auch für gute Aerodynamik: Ist das serienmäßige Hardtop montiert, erreicht der R 129 einen vorzüglichen Luftwiderstandsbeiwert von cW=0,32.

Die Entwicklung der Baureihe 129 nimmt Mercedes bereits Mitte der 1970er-Jahre auf, doch wie sich an der Ziffer (weit vor dem neuen SL erscheinen W 126 und W 124) ablesen lässt, zieht sich die Entwicklung hin. Es gibt auch immer wieder Überlegungen zu einem vom offenen Sportwagen abgeleiteten Coupé, wie bei dem SLC der Baureihe 107, das aber nicht realisiert wird. (Stattdessen entwirft man ein elegantes Hardtop, was jeder 129er-SL serienmäßig besitzen wird.) Anfang der 1980er-Jahre nimmt die Arbeit dann deutlich an Fahrt auf. Das Modell, das im November 1981 im Windkanal vermessen wird, trägt bereits klar die gestalterische Handschrift der Ära von Bruno Sacco. Am 17. Oktober 1984 erhält der Roadster die Formfreigabe, und am 10. Dezember 1985 legt Mercedes-Benz fest, dass die Produktion der Baureihe R 129 im August 1988 beginnen soll.

Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129

Zum Start des neuen Roadsters gibt es 1989 zwei Typen mit Dreiliter-Reihensechszylinder(300 SL mit 190 PS und 300 SL-24 mit 231 PS sowie Vierventiltechnik) und außerdem den Fünfliter-V8 im 500 SL mit 326 PS (ab 1992: 320 PS). Die Entwicklung eines Spitzenmodells mit V12-Motor gibt das Unternehmen im Dezember 1986 frei.

Bei offenen Fahrzeugen gibt es jedoch neben den herkömmlichen Unfallszenarien wegen des fehlenden festen Dachs ein zusätzliches Risiko bei einem Überschlag. Früh in der Entwicklungsphase denken die Väter der Baureihe R 129 daher über eine Targa-Lösung nach, in der die B-Säule zum festen Überrollbügel erweitert ist. Doch die klassische Linienführung des Roadsters wäre gestört.

Man findet eine innovative Lösung: den automatischen Überrollbügel. Er feiert vor 30 Jahren im SL Weltpremiere. Die vorgespannte Feder-Dämpfer-Einheit richtet den Überrollbügel bei fahrkritischen Situationen in nur 0,3 Sekunden auf. Eine weitere Innovation für die passive Sicherheit – und für den Komfort – sind die im R 129 erstmals verwirklichten, elektrisch verstellbaren Integralsitze. Darin sind jeweils das Dreipunkt-Gurtsystem mit Gurtaufroller und Gurtstraffer sowie die Gurthöhenverstellung und die damit gekoppelte Kopfstützenverstellung integriert.

Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129

Viel Entwicklungsarbeit stecken die Ingenieure auch in das vollautomatische Stoffverdeck der Baureihe R 129. Es hat eine aufwendige Gestellkinematik, und das Steuergerät überwacht die Abläufe unter anderem mit 17 Endschaltern. Premiere hat im neuen SL auch das Windschott. Heute gehört diese Lösung zu den Standards für offene Fahrzeuge. Eine weitere Besonderheit ist das in späteren Jahren lieferbare Hardtop mit Panorama-Glasdach.

Zum hohen Komfort trägt das moderne Fahrwerk bei. Dazu gehört das Adaptive Dämpfungs-System ADS, das im R 129 Weltpremiere hat. Es passt die Dämpfung vollautomatisch in Sekundenbruchteilen an den jeweiligen Fahrzustand an und ist mit einer automatischen Niveauregulierung gekoppelt.

Der neue SL stößt 1989 auf eine begeisterte Resonanz, die Kunden schöpfen von Anfang an die im Werk Bremen vorhandene Produktionskapazität aus. In den ersten rund zweieinhalb Produktionsjahren laufen bis Dezember 1991 bereits 52.204 Fahrzeuge der Baureihe R 129 vom Band. 25.709 dieser Sportwagen werden allein im Jahr 1991 produziert. Mehr als ein Drittel davon (34,7 Prozent) gehen in den Export nach Nordamerika, Deutschland ist der zweitwichtigste Markt mit 30,4 Prozent.

Mercedes SL (R 129)

Im Sommer 1992 stellt Mercedes das neue Topmodell vor, den 600 SL mit V12-Motor und 394 PS Leistung. Es ist der erste SL überhaupt mit einem Zwölfzylindermotor. Seinen exklusiven Charakter unterstreicht das Interieur mit Wurzelholz und Leder. Außen verweisen nur das Typenschild und das V12-Emblem an den Luftauslassschlitzen auf die aus dem Mercedes 600 SEL stammende Top-Motorisierung. Allerdings macht der große Motor diesen SL recht kopflastig, zudem sind die Kosten für den Unterhalt immens.

Die Neuorganisation der Mercedes-Typbezeichnungen gilt ab Juli 1993 auch für den SL: Die Klassenbezeichnung steht nun vor der Ziffernfolge mit Bezug zur Motorgröße. Zugleich werden die beiden Dreiliter-Varianten 300 SL (der letzte SL mit dieser magischen Bezeichnung) und 300 SL-24 durch den SL 280 (193 PS) und den SL 320 (231 PS) abgelöst. Beide haben Vierventil-Sechszylindermotoren. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits 85.300 Fahrzeuge der Baureihe R 129 produziert worden.

Exklusive Sondermodelle und sportlich optimierte Topmodelle halten in den 1990er-Jahren die Nachfrage am Laufen. So entsteht aus der direkten Zusammenarbeit von Mercedes mit AMG im Jahr 1993 als neues Topmodell der SL 60 AMG mit 381 PS Leistung. Zwischen 1994 und 2001 entstehen insgesamt 20 Sonderserien in unterschiedlichen Auflagen, die sich zwischen zehn und 1.515 Fahrzeugen bewegen. Zu den heute begehrten Sondermodellen gehören beispielsweise die Mille-Miglia-Edition und die Special Edition.

Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129

Zur IAA 1995 stellt die Stuttgarter Marke den überarbeiteten SL vor. Äußerlich ist er am Kühlergrill mit sechs Lamellen, durchgehend weißen Leuchteinheiten vorn, bichromatischen Heckleuchten und neuen Seitenwandverkleidungen zu erkennen. Zu den technischen Änderungen gehört das neue, elektronisch gesteuerte Fünfgang-Automatikgetriebe in 500 SL und 600 SL. Unter der Überschrift „Licht aus Gas“ stellt Mercedes-Benz die neuen Xenon-Scheinwerfer vor. Premiere hat im modellgepflegten SL auch das neue Panorama-Glasdach aus vier Scheiben unterschiedlicher Stärke, die mit dem Tragwerk aus Aluminium verklebt sind. Es ist ab 1996 optional lieferbar.

Der SL wird kontinuierlich weiterentwickelt. So erhalten beispielsweise alle Typen des Roadsters ab Dezember 1997 den Bremsassistenten BAS. Im April 1998 stellt Mercedes auf dem Turiner Autosalon den nochmals aktualisierten SL vor. Zur Modellpflege gehören unter anderem neue V6-Motoren in den Typen SL 280 (204 PS) und SL 320 (231 PS) sowie ein neuer V8-Motor im SL 500 (306 PS). Veränderungen im Exterieur sind Aluminium-Fünflochräder, das sichtbare Auspuffendrohr, Außenspiegel in einer an den SLK der Baureihe R 170 angeglichenen Form sowie Türgriffe und Schließzylinder in Wagenfarbe. Innen fallen das neue Vierspeichen-Lenkrad, Anzeigeninstrumente mit Chromrahmen und die serienmäßige Nappa-Lederausstattung auf.

Mercedes SL 73 AMG

1999 folgen zwei AMG-Varianten des aktualisierten SL. Der SL 55 AMG erhält den in anderen Baureihen bereits etablierten 5,5-Liter-V8-Motor (354 PS). Zum Hubraum-Giganten wird der SL 73 AMG: Affalterbach bohrt den V12 auf 7,3 Liter Hubraum auf, genug für 525 PS. Seit dem 770 aus den 1930er-Jahren war kein Pkw-Motor bei Mercedes mehr größer. Eine Besonderheit der AMG-Typen ist neben sportlicher Optik die Mischbereifung mit hinten breiteren Aluminiumrädern und Reifen.

Die Produktion des SL der Baureihe 129 endet 2001. Insgesamt werden in zwölf Jahren Bauzeit 204.940 Fahrzeuge produziert. Der erfolgreichste Typ ist mit fast 80.000 Exemplaren der 500 SL / SL 500 mit Vierventilmotor.

Bildergalerie: Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129