Als „Rucksack-Golf“ wurde der VW Jetta hierzulande gerne geschmäht. Doch solch ein Außenseiter, wie es seine Kritiker darstellen, war die Stufenheck-Limousine nicht: Weltweit wurden bislang 17,5 Millionen Fahrzeuge produziert, davon gingen 3,2 Millionen in die USA. Dort hat VW kürzlich den ganz neuen Jetta Nummer Sieben vorgestellt und sich zum Vergleich ein 1982er-Modell aus der ersten Generation geholt. Was sich in 36 Jahren so alles getan hat? Sie werden überrascht sein.

Ein Karnickel mit Stufenheck
Aber der Reihe nach: Befeuert vom Erfolg des kleinen Derby als Polo-Ableger brachte VW im Jahr 1979 ein weiteres Stufenheck auf den Markt: den Jetta auf Basis des Golf. 1980 startete der Jetta auch in den USA. Dort kam der „Rabbit (= Kaninchen, so hieß dort der Golf) mit Kofferraum“ genau zum richtigen Zeitpunkt. Eine zweite Ölkrise hatte den Spritpreis nach oben gedreht, kleine Autos waren Trumpf. Interessant ist der Blick auf das damalige VW-Modellprogramm in den Staaten: Neben dem Jetta gab es den Rabbit, den Dasher (in Europa: Passat), den Scirocco, den Vanagon (alias VW Bus T3) und den Pick-up (bei uns später „Caddy“).

Windiger Mexikaner
Kurios: Damals wie heute ist der Jetta ein Mexikaner, obwohl VW eigene Werke in den USA hatte und hat. Zwischen 1978 und 1988 gab es eine Produktion in Westmoreland, heute laufen in Chattanooga der US-Passat und der Atlas vom Band, nicht aber der Jetta. Wissen Sie übrigens, warum VWs erfolgreichste Stufe so heißt? Nun, „Jetta“ ist eine Ableitung der Jetstream-Luftstömung. In den USA wurde die Modellbezeichnung nie geändert, während hierzulande Vento und Bora durchs Programm irrlichterten.

Deutlich gewachsen
Sehen wir uns die US-Ausführung des Jetta von 1982 genauer an: Viele Unterschiede zur Europa-Version gibt es nicht. Am auffälligsten sind die Rechteck-Doppelscheinwerfer, massivere Stoßstangen verlängern den Ami-Jetta von 4,19 Meter auf 4,26 Meter. Kein Vergleich zu seinem Urenkel: Der ist mit seinen 4,70 Meter gefährlich nahe am europäischen Passat, weshalb ein Export (bedauerlicherweise!) nicht vorgesehen ist. Immerhin liegen beide Jettas in der Höhe ungefähr gleich, doch bei der Breite zeigt sich der Größenwahnsinn moderner Autos: 1,80 Meter sind ein sattes Plus von fast 20 Zentimeter gegenüber dem Jetta I. Letzterer wog übrigens nie mehr als 900 Kilogramm.

Riesiger Rucksack
Aber wir wollen den ganz neuen Jetta auch nicht verteufeln: 30 Zentimeter mehr Radstand (beim alten Modell sind es 2,40 Meter) machen den Aufenthalt dort gemütlich. Gleiches gilt für die Servolenkung, sie gab es 1982 nicht für Geld und gute Worte. Unverändert geblieben ist das Jetta-Kaufargument schlechthin, der Mega-Kofferraum: 510 Liter sind auch 2018 noch sehr ordentlich. Interessant auch der Blick auf die Bereifung: Bei 15 Zoll war vor 36 Jahren Schicht im Schacht, heute sind 16- und 17-Zoll-Alus Standard.

Airbags? LED? USB? Nix da!
Beim Ausstattungsvergleich scheinen Lichtjahre zwischen den beiden Jettas zu liegen: LEDs gab es Anfang der 1980er bestenfalls in Taschenrechnern, inzwischen hat der Jetta LED-Scheinwerfer serienmäßig. Tempomat? Fehlanzeige, ebenso Airbags. Klimaanlage? Optional. Weitere Extras: Schiebedach, Colorglas und Alufelgen. USB-Anschlüsse waren noch nicht erfunden, dafür war der Griff zum Glimmstengel anno 1982 noch im Trend: Zwei Aschenbecher und ein Zigarettenanzünder sind im Ur-Jetta serienmäßig. Das Infotainment bestand aus einem Cassettenradio, ein Touchscreen war pure Zukunftsmusik.

77 süffige PS
Berührt hat Vati höchstens Mutti beim Blick über die Schulter als Ersatz für den heutigen Totwinkel-Assistenten. Immerhin konnte der stolze Jetta-Fahrer 1982 seinen Außenspiegel von innen verstellen. Leistungsmäßig hat sich der Jetta in 36 Jahren fast verdoppelt: Einst mussten 77 PS und 113 Newtonmeter aus 1,6 Liter Hubraum genügen (Verbrauch: elf Liter im Schnitt). Für US-Verhältnisse war eine Fünfgang-Schaltung Serie, die meisten Kunden dürften aber die optionale Dreigang-Automatik gewählt haben. Im Jetta VII sind es heute 1,4 Liter und Turboaufladung für 150 PS und 250 Newtonmeter. David E. Davis vom US-Fachmagazin „Car and Driver“ war jedenfalls 1980 ziemlich angetan vom Jetta. Davis lobte seinerzeit „die bemerkenswerte Laufruhe bei 120 km/h“. Zusammen mit dem großen Kofferraum und dem geräumigen Innenraum sei der Jetta „ein schönes Auto für den seriösen Fahrer“.

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