Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Redakteur Roland Hildebrandt: "Im Zeichen der Raute: Obwohl nicht unbedingt zentral in den Messehallen ausgestellt, ist der kleine Microlino ein Hingucker auf dem Genfer Autosalon 2017 (9. bis 19. März). Zugrunde liegt die Frage: Wie viel Auto benötigt man eigentlich in der Stadt? Braucht man zwangsläufig viel Leistung und viele Sitzplätze?"
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Laut eigener Aussage kamen die Macher hinter dem Microlino zur Erkenntnis, dass alle aktuellen Stadtautos überkonstruiert sind. Die Lösung fand man in einem Konzept der Marke Iso Rivolta aus Italien, das die meisten vermutlich als BMW Isetta kennen werden. Diese wurde von 1955 bis 1962 recht erfolgreich gebaut, etwaige Patente sind schon längst abgelaufen. Während die Isetta nur 2,28 Meter kurz war, bringt es der Microlino auf rund 2,40 Meter. Hinter dem Projekt steckt der Schweizer Wim Ouboter, der mit der Erfindung des Kickboards (rechts im Bild) ein Vermögen machte.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Werfen wir einen Blick in den Innenraum: Der Bodenteppich ist nur lose verlegt, viel nacktes Blech blickt einen an. Wim Ouboter und seine Söhne weisen explizit darauf hin, dass es sich beim gezeigten Fahrzeug noch um den ersten fahrbereiten Prototypen handelt, der Ende 2015 in China entstand. Also ist Nachsicht gefragt, der Microlino wird deutlich verbessert auf den Markt kommen. Interessant wird dann sein, welche Gurtlösung zum Anschnallen montiert ist.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Wie einst bei der BMW Isetta gibt es eine große Fronttür, an der sich die Lenksäule beim Aufklappen geschickt zusammenfaltet. Eine prima Idee zum bequemen Einstieg, zudem dürfte der Microlino aufgrund seiner geringen Länge wie einst der erste Smart zum Querparken geeignet sein. So könnte man direkt auf den Bürgersteig treten.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Redakteur Roland Hildebrandt: "Wer allerdings alleine im Microlino sitzt, muss sich nach dem Türgriff zum Zuziehen strecken. Jedoch kann man auch zum gleichen Zweck auch das Lenkrad greifen. Ich war mit Blick auf den Prototypenstatus diesbezüglich vorsichtig, im Serienzustand sollte das kein Problem sein."
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Redakteur Roland Hildebrandt: "Früher fuhren die Menschen zu dritt oder sogar zu viert weite Strecken in der BMW Isetta. Das erübrigt sich im Microlino, der rund 120 Kilometer elektrische Reichweite aufweist. Ein Fall für zwei also, aber das ist im Smart Fortwo genauso. Wie steht es mit der Sicherheit? Ein Crashtest mit 50 km/h sei kein Problem, sagt man bei Microlino. Maximal schafft der Wagen 90 km/h, für die Stadt und die Landstraße ist das ausreichend. Wie hoch die Crashtest-Anforderungen sind, hängt auch von der Einstufung ab. Ähnlich wie beim Renault Twizy dürfte der Microlino offiziell mehr Quad als Auto sein. In der Leichtfahrzeug-Klasse L7e sind keine Airbags vorgeschrieben. Leider gibt es dort aber auch keine Elektro-Prämie vom deutschen Staat."
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Für die Beine bleibt selbst bei großgewachsenen Menschen genügend Platz, denn der Microlino hat kein Armaturenbrett im klassischen Sinne. Das hier zu sehende Sportlenkrad wird bei der Serienversion einer stimmigeren Lösung weichen.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Fahrpedal und Bremse, mehr braucht es bei einem Elektroauto nicht. Vergleichen wir kurz die Daten des Microlino mit der Konkurrenz: 11 Kilowattstunden beträgt die Kapazität der Batterie. Beim neuen Elektro-Smart sind es 17,6, beim Renault Twizy 6,1 Kilowattstunden. An einer normalen Haushaltssteckdose soll die Ladedauer vier Stunden betragen.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Die Bedienelemente sind noch sehr rudimentär und eher grob geschnitzt. Bevor das Wort "`Bastelbude" fällt, sei aber erneut darauf hingewiesen, dass es sich hier um einen ersten Prototypen zur Fahrerprobung handelt. Bis Mitte 2017 entsteht in einem Joint-Venture mit dem elektrischen Elektroauto-Spezialisten Tazzari ein deutlich seriennäherer Microlino.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Redakteur Roland Hildebrandt: "Eine schöne Reminiszenz an die alte Isetta sind die seitlichen Schiebefenster. Das spart technischen Aufwand und Gewicht. Gleichzeitig ist der Microlino so deutlich alltagstauglicher als der knapp zehn Zentimeter kürzere Renault Twizy, für den es Seitenscheiben nur im Zubehör gibt."
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Wie durchdacht das über 60 Jahre alte Isetta-Konzept war, zeigt der vorhandene Stauraum hinter den Sitzen. Für einen Wochenendeinkauf reicht der Platz aus. In der Serienversion wird es eine relativ weit heruntergezogene Heckklappe geben, die den Zugang erleichtert.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Nett gemacht ist das gesteppte Leder auf der Sitzbank, hinzu kommen karierte Stoffverkleidungen an den Türen. Ob es das stilvolle Ambiente in die Serie schafft? Wir hoffen darauf!
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Redakteur Roland Hildebrandt: "Jede BMW Isetta hatte früher als vorgeschriebenen Notausstieg ein Faltdach. Der Prototyp in Genf hat auch eins, um im Sommer frische Luft hineinzulassen. Für den Winter ist eine Heizung an Bord. Computer-Skizzen des seriennäheren Microlino zeigen hingegen kein Faltdach. Man darf gespannt sein."
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Hier noch einmal ein Blick auf die große Fronttür des Microlino. Den schicken Stoff erwähnten wir bereits, gut zu sehen ist der Türöffner.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Seit Februar 2016 hat Microlino bereits 2.600 Bestellungen für sein Elektroauto gesammelt. Innen soll das Smartphone des Besitzers für Musik, Navigation und Prüfung des Ladezustands der Batterie dienen. Hinzu kommen portable Bluetooth-Lautspecher.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Die großen LED-Scheinwerfer sind wie beim historischen Original an den Seiten angebracht. In der Serie sollen die Lampen aber etwas kleiner werden.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Clever: Beim Microlino-Prototypen befinden sich die Außenspiegel in der Rückseite der Scheinwerfer. Ob diese Lösung in Serie gehen wird, ist noch nicht sicher, Stichwort kleinere Leuchten.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Dort wo sich beim Vorbild aus den 1950er-Jahren ein Motorradaggregat befand, sitzt beim Microlino der 12 Kilowatt starke Elektromotor. Ohne Batterie bringt der Microlino 400 Kilogramm auf die Waage.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Hinweis auf der Fahrzeugflanke: Bei der Elektrotechnik ist die Firma Bosch im Spiel.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Auch die kleinen Rückleuchten orientieren sich am nostalgischen Vorbild. Heutzutage ermöglicht LED-Technik aber eine deutlich bessere Sichtbarkeit.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Und so soll der Microlino ab Anfang 2018 in Serie gehen. Die Computerskizzen zeigen ein deutlich harmonischeres Design mit großen Fenstern und sauber integriertem Türgriff. Als Preis stehen rund 12.000 Euro im Raum. Zum Vergleich: Ein vergleichbarer Renault Twizy kostet rund 9.300 Euro plus zusätzliche Batteriemiete, ist aber bescheidener bei Ausstattung und Platzangebot, während der Elektro-Smart an der 20.000-Euro-Marke kratzt.
Genf 2017: Sitzprobe im elektrischen Microlino
Redakteur Roland Hildebrandt: "So macht Retro Sinn: Mit dem Microlino wird ein cleveres Konzept für die Stadt wiederbelebt. Gut zu sehen ist hier übrigens die noch kleine Heckklappe des ersten Prototyps. Sollte der günstige Preis wirklich zu halten sein, wäre der Microlino gewissermaßen die Antithese zu einem Tesla: Statt teuer, groß und extremer Reichweite eine preiswerte Beschränkung auf die Stadt samt Umland. Ich bin ehrlich: Beim jetzigen Zustand der Lade-Infrastruktur sind Elektroautos nur etwas für das urbane Milieu. Und dort passt der kleine Microlino perfekt hinein."
Die neuesten Fotostrecken
25 / 25